Freitag, Dezember 07, 2007

Erkennung von Doppelstrangbrüchen

Blogging on Peer-Reviewed ResearchIn meinem Forschungsgebiet, DNA-Reparatur und -Rekombination, ist gerade etwas sehr seltenes passiert, eine wissenschaftliche Sonnenfinsternis sozusagen: Unabhängig voneinander haben vier Gruppen in drei Journals im Grunde über das gleiche berichtet: Das Protein RNF8 und seine Funktion.

Dazu möchte ich erst einmal ein wenig Hintergrund liefern. Schäden an der DNA treten sehr oft auf, es gibt aber für die verschiedenen Arten von Schäden spezialisierte Reparaturmechanismen, die eine sehr effiziente Reparatur durchführen können. Eine wichtige Grundlage für die Genauigkeit dieser Reparatur ist der Bau der DNA in zwei komplementären Strängen. Liegt also ein Schaden in einem Strang vor, dann kann die beschädigte Stelle und ein kleiner Bereich darum entfernt werden. Mit Hilfe des komplementären Strangs ist das Schließen der Lücke dann nicht mehr schwer.
Ein großes Problem für die Reparatur stellen jedoch DNA-Doppelstrangbrüche (DSBs) dar. Anders als bei anderen DNA-Schäden kann der gegenüberliegende Strang hier nämlich nicht zur Reparatur verwendet werden! Früh in der Evolution entstanden darum zwei Mechanismen, um diese schweren Schäden trotzdem reparieren zu können, die nicht-homologe Endverknüpfung (non-homologous end-joining, NHEJ) und die homologe Rekombination (HR).
NHEJ ist in der Konzeption relativ einfach: Da in der Regel wenige DSBs in einem Zellkern vorkommen, nimmt man einfach die zwei freien DNA-Enden und verbindet sie wieder. Bei diesem Prozess kommt es aber in der Regel zu Mutationen, entweder weil Teile der DNA an den Bruchstellen verloren gehen, oder (schlimmer), weil die falschen Enden verknüpft werden (beim Vorliegen von mehreren DSBs). Trotzdem ist die NHEJ z.B. beim Menschen, aber auch bei vielen anderen Organismen, die Methode der Wahl. Sie ist relativ einfach durchzuführen, und die Mutationen betreffen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sowieso nichtkodierende Bereiche (die beim Menschen weit über 90% des Genoms ausmachen).
Der zweite Mechanismus, HR, ist sehr viel genauer. Dabei nutzt die Zelle z.B. den Umstand, dass unser Genom diploid im Kern vorliegt. Das heißt, dass jedes Chromosom doppelt vorliegt (je eins von der Mutter, eins vom Vater). Da diese homologen Chromosomen auf der Sequenzebene so gut wie identisch sind, kann die Sequenzinformation des homologen Chromosoms als Matrize zur Reparatur des gebrochenen Chromosoms dienen. Dazu werden kurzzeitig Strukturen gebildet, in denen einzelne Stränge aus den homologen Chromosomen gepaart sind (eine dieser Strukturen ist X-förmig und wird nach ihrem Erstbeschreiber als Holliday Junction bezeichnet, daher auch der Name dieses Blogs!). Im Vergleich mit NHEJ ist die HR genauer, sie ist aber auch sehr viel aufwändiger (und präsenentiert die Zelle mit Folgeproblemen, auf die ich nicht weiter eingehen will).

Nachdem ich jetzt relativ knapp (doch, das ist keine Übertreibung) beschrieben habe, wie DSBs repariert werden können, nähere ich mich endlich mit großen Schritten dem Aspekt, den die Autoren mit RNF8 untersucht haben: Bevor irgendeine Reparatur eingeleitet werden kann, muss erst einmal ein DSB von der Zelle erkannt werden, und die erforderlichen Reparaturproteine müssen an diese Position geholt werden. Dabei ist schon länger bekannt, dass es eine auffällige Veränderung im Chromatin (=DNA und damit assoziierte Proteine) gibt: Die Histon H2A-Variante H2AX wird durch Anhängen einer Phosphatgruppe modifiziert. (Die Phosphorylierung von Proteinen ist ein wichtiger Bestandteil vieler Signalwege in der Zelle.) Das phosphorylierte H2AX (genannt γ-H2AX) ist mikroskopisch in Foci an DSBs zu beobachten und wirkt als Signal für weitere Reparaturproteine wie BRCA1 (involviert in Brustkrebs) und 53BP1. Doch wie diese Proteine ihr Ziel finden war bisher nicht genau bekannt. Man wusste zwar, dass sie sich nach der Bildung eines DSB in den γ-H2AX-Foci befinden, aber eben nicht, was sie dort hält. γ-H2AX alleine reicht aber nicht aus. Hier kommt jetzt RNF8 ins Spiel. Es konnte nämlich gezeigt werden, dass es über ein weiteres Protein, MDC1, an γ-H2AX binden kann. Nach der Bindung modifiziert es dann die Histone H2AX und H2A (und möglicherweise weitere) - aber nicht durch Anhängen einer Phosphatgruppe, sondern durch das Anhängen eines kleinen Proteins namens Ubiquitin. Erst diese ubiquitinierte Histone werden dann von den folgenden Reparaturproteinen erkannt.
Noch ein Wort zu Ubiquitin: Darüber ist schon länger bekannt, dass es eine wichtige Rolle in der Regulation des Abbaus von Proteinen spielt. Es existieren Proteine, die spezifisch Ubiquitine auf Zielproteine übertragen, und eine lange Kette von aneinander hängenden Ubiquitinen erzeugen. Dies ist ein Signal, das so markierte Protein abzubauen. Für die DNA-Reparatur zeichnet sich nun aber ab, dass Ubiquitin eine weitere Funktion besitzt. Die Modifikation von Proteinen mit einem oder zwei Ubiquitinen dient hier als Signal, wie es z.B. für Phosphorylierungen schon bekannt ist! Es wird interessant sein zu beobachten, ob Ubiquitin außerhalb des Proteinabbaus generell eine wichtige Rolle besitzt, oder ob dies auf die DNA-Reparatur beschränkt bleibt.

Hier beende ich das ganze erstmal. Da ich vorhabe, in Zukunft öfter mal über Artikel aus meinem Gebiet zu schreiben, werden sich eventuell noch offene Lücken im Verständnis mit der Zeit sicher (hoffentlich) schließen. Für Posts über Fachartikel werde ich ab sofort auch das Icon von BPR3 (Bloggers for Peer-Reviewed Research Reporting) setzen, dass allen gleich klar wird, dass ein substanzieller Post folgt.



Mailand et al. (2007): RNF8 Ubiquitylates Histones at DNA Double-Strand Breaks and Promotes Assembly of Repair Proteins. Cell 131:887-900.
Huen et al. (2007): RNF8 Transduces the DNA-Damage Signal via Histone Ubiquitylation and Checkpoint Protein Assembly. Cell 131:901-914.
Wang and Elledge (2007): Ubc13/Rnf8 ubiquitin ligases control foci formation of the Rap80/Abraxas/Brca1/Brcc36 complex in response to DNA damage. PNAS ePub ahead of print.
Kolas et al. (2007): Orchestration of the DNA-Damage Response by the RNF8 Ubiquitin Ligase. Science 318(5856):1637-1640.

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