Donnerstag, August 14, 2008

Was hat ein Brustkrebsgen mit der Entwicklung von Sprossachsen von Pflanzen zu tun?

Gute Frage. Die hab ich mir auch gestellt, als mir vor kurzem ein neues Paper von Pei Han und Kollegen in die Hände gefallen ist. Ich hab aber noch einen kleinen Vorsprung. Wahrscheinlich haben sich nämlich gerade die meisten eine noch grundlegendere Frage gestellt: Was hat denn bitte ein Brustkrebsgen generell in einer Pflanze zu suchen?!? Pflanzen kriegen keine Krebserkrankungen, Brustkrebs schon mal gar nicht!

Ich werd deshalb erst mal mit dem Brustkrebsgen loslegen. In etwa 10% aller Brustkrebserkrankungen können Mutationen im Gen BRCA1 (breast cancer gene 1) festgestellt werden. Betrachtet man nur erbliche Formen von Brustkrebs, ist der Anteil sogar noch größer [1]. Die Bezeichnung Brustkrebsgen ist aber eigentlich irreführend: Zwar wurde das Gen aufgrund seiner Häufung in erblich bedingtem Brustkrebs gefunden, und danach benannt. Mutationen in BRCA1 findet man aber auch häufig bei Krebserkrankungen der Eierstöcke, des Dickdarms und der Prostata. Tatsächlich ist BRCA1 also ein Gen, das die Zellen generell vor Schäden an der DNA schützt, die zu Krebs führen können, und das durch seinen Ausfall die Bildung von Tumoren begünstigt. Diese Definition trifft auf eine ganze Reihe von Genen zu, die man zusammenfassend als Tumorsuppressorgene bezeichnet.
BRCA1 ist deshalb so wichtig für die Integrität der Zelle, weil es eine sehr wichtige Aufgabe in der Reaktion der Zelle auf schwere Schäden an der DNA wahrnimmt. DNA-Doppelstrangbrüche (DSBs) sind eine Art von Schaden, die für die betroffene Zelle nur sehr schwer zu reparieren sind. BRCA1 ist an einem Weg zur Reparatur von DSBs beteiligt, der keine Mutationen erzeugt - der homologen Rekombination (HR). Es nimmt in diesem komplexen Durcheinander von Subwegen eine interessante Stellung ein, weil man es gleich in mehreren davon finden kann. Die Aufgabe von BRCA1 ist dabei wie es aussieht die eines Signalgebers: Es kann an verschiedene andere Proteine ein Signalmolekül anhängen, das kleine Protein Ubiquitin. Welche Proteine genau das Ziel von BRCA1 sind ist noch nicht geklärt, und auch nicht was die Folgen des Anfügens von Ubiquitin sind [2].
Soviel zu BRCA1, obwohl ich doch eigentlich über ein ganz anderes Protein schreiben will, BARD1. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn BRCA1 und BARD1 (breast cancer associated RING domain) arbeiten zusammen in der Funktion, Ubituitine auf andere Proteine zu übertragen. Und weil man über BRCA1 mehr weiß und es bekannter ist, hab ich einfach damit angefangen.

Nachdem also geklärt ist, was über BRCA1 und BARD1 als Brustkrebsgen im Menschen so bekannt ist, springen wir in die Organismen, mit denen ich arbeite, den Pflanzen. Und die Frage, warum ein Brustkrebsgen in Pflanzen zu finden ist, kann nun auch leicht beantwortet werden: Auch wenn Pflanzen keinen Krebs bekommen können, müssen sie sich trotzdem vor Schäden an ihrer DNA schützen. Und die DNA-Reparatur ist so grundlegend, dass man fast alle der zentralen Proteine in den bisher untersuchten Organismen findet, auch in Pflanzen. So gibt es eben auch BRCA1 in Pflanzen [3]. Kollegen von unserem Institut konnten vor zwei Jahren zeigen, dass auch BARD1 in Pflanzen vorkommt, dass es zusammen mit BRCA1 arbeitet und dass es Regulationsfunktionen bei der DNA-Reparatur wahrnimmt (Reidt et al., 2006).

Machen wir nun mal einen kleinen Ausflug in Aufbau und Entwicklung von Pflanzen. Wie in Tieren findet man auch in Pflanzen Stammzellen, also undifferenzierte Zellen, aus denen verschiedenste Zelltypen hervorgehen. Sie sitzen in spezialisiertem Gewebe, von dem das Wachstum der Pflanze ausgeht, dem sog. Meristem. Meristeme gibt es demnach beispielsweise in der Wurzel- und Sprossspitze oder den Blüten. Das Sprossspitzenmeristem (shoot apical meristem, SAM) ist schon im Embryo der Pflanze zwischen den Keimblättern angelegt; aus ihm gehen alle pflanzlichen Organe über dem Boden hervor, also Sprossachse, Blätter, Blüten etc. Das SAM ist in mehreren Zonen organisiert, ganz im Zentrum davon liegen die undifferenzierten Stammzellen. Die Identität dieser Zonen wird durch komplexe Signalwege aufrechterhalten. So regulieren die 3 CLAVATA (CLV) Gene die Größe der Stammzellzone. CLV1 und 2 sind Rezeptoren, und CLV3 ein Ligand dieser Rezeptoren. Durch Bindung von CLV3 an CLV1/CLV2 wird eine Signalkette ausgelöst, die die Zellen außerhalb der Stammzellzone zur Differenzierung anregt. Dies geschieht indirekt über das Gen WUSCHEL (WUS). Das verhindert nämlich erst mal im ganzen Meristem die Differenzierung der Stammzellen. Da die CLV Gene aber die Aktivität von WUS außerhalb der Stammzellzone stören, kommt es dort dann zur Ausdifferenzierung der Zellen.

Und nach dieser doch recht langen Einleitung will ich dann doch auch endlich zu dem im ersten Satz angesprochenen Paper kommen. Pei Han und Kollegen haben nämlich bemerkt, dass in Arabidopsis-Pflanzen, in denen BARD1 ausgeschaltet wurde, Defekte im SAM auftreten - weil die WUS-Aktivität nicht mehr auf die Stammzellzone beschränkt ist. Und da sitzt man als Mensch der DNA-Reparatur und -Rekombination erst mal baff da. Nach allem, was wir bisher von BRCA1/BARD1 wussten (und zwar auch im Menschen), hat es eben damit zu tun: Schaden an der DNA, BRCA1/BARD1 werden aktiv und helfen bei der Reparatur, und dann ist wieder Ruhe. Dass jetzt eine grundlegende Funktion in der Entwicklung von Pflanzen dazu kommt ist dann doch etwas überraschend [4].

Wachstum von Arabidopsis-Pflanzen, Wildtyp (links) und bard1-Mutante (rechts).
obere Zeile: 3 Wochen alte Pflanzen im Vergleich, Wildtyp links (I) und bard1-Mutante rechts (K)
untere Zeile: Dünnschnitte durch das SAM drei Wochen alter Pflanzen, ebenfalls wieder Wildtyp links (J) und bard1-Mutante rechts (L)
Die Bilder stammen aus Abbildung 1 von Han et al. (2008).
In der Abbildung oben kann man gut sehen, dass die Mutantenlinie, in der BARD1 ausgeschaltet wurde, ein ziemliches Problem im Wachstum hat. Und auch das SAM ist nicht so ausgebildet, wie man es aus dem Wildtyp gewohnt ist. Die Forscher konnten auch zeigen, dass die Expression von WUS, das normalerweise auf die Stammzellzone beschränkt ist, in der bard1-Mutante nur noch in den äußersten Zellschichten des SAM zu finden ist.
Lokalisation der WUS mRNA im SAM. In Wildtyp-Pflanzen ist WUS nur im Zentrum des SAM, in der Stammzellzone, zu finden (B), in der bard1-Mutante jedoch ausschließlich in den äußeren Bereichen und nicht mehr in der Stammzellzone (D).
Die Bilder stammen aus Abbildung 1 von Han et al. (2008).
Durch weitere Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass BARD1 an einer bestimmten Stelle im Promotor von WUS bindet. Im Promotor von Genen befinden sich regulatorische Sequenzen, an die Proteine wie Transkriptionsfaktoren binden und die Aktivität des Gens (also die Menge an hergestellter mRNA) regulieren. Das erwartet man aber nicht von einem Protein wie BARD1, das Ubiquitine auf andere Proteine überträgt.
Die Gruppe hat natürlich auch mehrere Kontrollexperimente durchgeführt, um diese Beobachtungen abzusichern. So ergab auch die Verwendung von RNAi gegen BARD1 als alternativer Methode zum Ausschalten eines Gens ähnliche Ergebnisse. Kreuzten sie wus-Mutanten mit der bard1-Mutante, so traten Defekte wie in der ersten Abbildung gezeigt nicht mehr auf. Und, je mehr BARD1-Protein in der Zelle vorhanden ist, desto weniger des WUS-Gens findet sich. Es kann also als gesichert gelten, dass der beobachtete Effekt wirklich auf BARD1 und WUS zurückzuführen ist.
Aber wie, und warum? Dazu können die Autoren bisher erst Vermutungen liefern. Leider haben sie nicht überprüft, ob BARD1 am WUS-Promotor tatsächlich wie ein Transkriptionsfaktor wirkt und direkt die Herstellung der mRNA reguliert. Sie vermuten eher, dass der Teil des Chromosoms, auf dem das WUS-Gen liegt, eine sehr komprimierte Form einnimmt, was die Transkription hindert. Da ein Protein namens SYD, das den Komprimierungsgrad von DNA reguliert, sowohl an der gleichen Stelle wie BARD1 an den WUS-Promotor bindet, als auch direkt mit BARD1 interagiert, scheint BARD1 wohl auch mit der Regulation der Chromosomenstruktur zu tun zu haben.

So, langer Post (ich glaube mein bisher längster) über ein für mich sehr überraschendes Paper. Auch wenn es für euch wahrscheinlich nicht so überraschend war, habe ich auf diese Weise aber auch gleich über das wichtige Thema BRCA1/BARD1 schreiben können, was ich sowieso demnächst gemacht hätte. Und über das SAM und wie es reguliert ist habe ich nebenbei auch noch etwas gelernt!

[1] Das Risiko für Frauen, die erblich bedingt Mutationen in BRCA1 besitzen, während ihrer Lebenszeit an Brustkrebs zu erkranken, liegt je nach Quelle (OMIM, DKFZ) bei 80-92%.
[2] Normalerweise ist das Anfügen von langen Ketten von Ubiquitin an Proteine ein Abbausignal für die Zelle. Die so markierten Proteine werden in einem großen Proteinkomplex, dem Proteasom, zu kleinen Fetzen geshreddert. Gerade im Bereich der DNA-Reparatur wurden aber schon ein paar Proteine gefunden, die nur einige wenige Ubiquitine angehängt bekommen statt einer langen Kette. In dem Fall verändern sich die Eigenschaften des Proteins, und es wird nicht abgebaut.
[3] Wenn ich hier von Pflanzen spreche, dann meine ich eigentlich den Modellorganismus für Pflanzen, die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Wie es bei den restlichen Pflanzen mit BRCA1 aussieht weiß ich nicht, die sinnvollste Vermutung ist aber erst mal, dass es bei denen auch vorkommt.
[4] Natürlich gibt es auch Mutanten der DNA-Reparatur, die Wachstumsstörungen des Organismus zur Folge haben. Das hängt aber damit zusammen, dass während der Zellteilung Probleme auftreten können die repariert werden müssen. Das ist aber hier nicht der Fall, es geht um die Aktivität eines anderen Gens!

P. Han, Q. Li, Y.-X. Zhu (2008). Mutation of Arabidopsis BARD1 Causes Meristem Defects by Failing to Confine WUSCHEL Expression to the Organizing Center THE PLANT CELL ONLINE, 20 (6), 1482-1493 DOI: 10.1105/tpc.108.058867
Wim Reidt, Rebecca Wurz, Kristina Wanieck, Hoang Ha Chu, Holger Puchta (2006). A homologue of the breast cancer-associated gene BARD1 is involved in DNA repair in plants The EMBO Journal, 25 (18), 4326-4337 DOI: 10.1038/sj.emboj.7601313
Übrigens: beide Paper sind frei erhältlich - Hurra für Open Access!

Montag, August 11, 2008

Paperverwaltung mit Mendeley

Wollte ein Wissenschaftler bisher seine Sammlung an Literatur verwalten, hatte er recht wenige Möglichkeiten, das mit Software zu tun. Klar, man kann das per Hand erledigen, indem man z.B. Ordner mit den PDFs auf dem Rechner anlegt, und dann Listen z.B. in Excel hat, wo welches Paper liegt. Das ist aber nicht sehr praktisch und erfordert jede Menge Tipperei. Also nimmt man besser eine Software dafür, die die Literaturdaten über Onlinedatenbanken herunterlädt und eine übersichtliche Organisation bietet. Da hat man als Wissenschaftler aber leider eine sehr kleine Auswahl. Im Grunde bleiben da nur kommerzielle Programme wie EndNote (die aber sehr teuer sind), oder Zotero, das als Firefox-Erweiterung kostenlos arbeitet, dafür aber ziemlich unkomfortabel ist.
Die Mac-Gemeinde hat seit ein paar Monaten nun mit Papers eine sehr gute Software zur Hand, wie man so hört. Ich hab keinen Mac und kann deshalb nur die überschäumenden Blogposts lesen und neidisch sein.

Seit ein paar Tagen gibt es nun aber mit Mendeley Konkurrenz zu Papers, die dazu noch auf allen Plattformen läuft. Und Mendeley kann sogar als public beta noch einiges mehr: Die eigentliche Paperverwaltung ist sehr einfach und intuitiv gestaltet. Man kann neue Einträge von Hand anlegen oder aus anderen Programmen wie EndNote importieren. Hat man einen DOI zum Paper, dann kann man die Informationen auch über CrossRef vervollständigen lassen. Neu gegenüber Programmen wie EndNote und Zotero ist die Integration der PDFs in der Datenbank: Zu jedem Eintrag kann man eine Verknüpfung zur PDF Datei des Papers auf der Platte anlegen, und ein integrierter PDF-Viewer zeigt das Paper dann auch in Mendeley an. Außerdem hat man auch die Möglichkeit, seine Literatur in Dokumentengruppen zu ordnen und einzelnen Papern Tags und Notizen anzuheften.
Die Integration der PDFs geht aber noch weiter! Bei Text-PDFs (und in Zukunft dann auch bei eingescannten PDFs durch OCR) versucht Mendeley die Metainformationen auszulesen. Auch hier ist es natürlich am besten, wenn der Journal DOIs abdruckt. Im Prinzip hat man so eine einfache Variante, eine bestehende Sammlung in Mendeley einzupflegen - man wirft einfach per drag and drop seinen Literaturordner rein, und Mendeley liest alle PDFs aus und stellt Verknüfungen zu den Dateien her. Sehr praktisch! Der Nachteil dieser Methode ist zur Zeit noch, dass der Algorithmus zum Auslesen von Metainformationen in Mendeley alles andere als perfekt ist. Man muss eigentlich jeden Eintrag nachbessern. Doch die Mendeley-Macher versprechen, dass der Algorithmus mit der Zeit immer besser werden wird. Die automatischen Auswertungen werden samt den manuellen Verbesserungen anonymisiert zum Hersteller übertragen, so dass Anpassungen vorgenommen werden können. Noch eine Funktion mit der Auswertung von Metadaten aus PDFs: Die Literaturliste am Ende von Papern wird ebenfalls extrahiert und kann gesondert eingesehen werden.
Jetzt haben wir also eine schöne Sammlung unserer Literatur, die alles übertrifft, was ich bisher kannte. Es gibt neben der Desktopkomponente aber auch noch weitere Funktionen online. Man kann sich bei Mendeley eine Profilseite anlegen, die ähnlich gestaltet ist wie die von Sozialnetzwerken [1]. Aus Mendeley Desktop kann man nun seine Literaturlisten hochladen, so dass man von überall darauf Zugriff hat. Besser noch, man kann die verknüpften PDFs mit hochladen, und kann dadurch auch von zuhause mal einen Blick in ein Paper werfen, das hinter Zugriffsbeschränkungen von Journals liegt [2]. Und ich konnte noch keine Platzbeschränkung für die PDFs finden...ob die Macher sich das genau überlegt haben? [3]
Und schließlich kann man sich mit anderen Mendeley-Nutzern auch in Gruppen zusammenschließen und innerhalb der Gruppen Literatur austauschen. Das hab ich aber noch nicht ausprobiert und kann deshalb nichts dazu sagen.

Nach diesem überschwenglichen Lob sind jetzt aber auch noch einige Kritikpunkte fällig. Größter darunter: Nachdem ich meine Literaturliste mit über 1000 Einträgen importiert hatte, wurde Mendeley sehr langsam. Wirklich sehr sehr langsam. Ich hoffe, dass die Performance mit den kommenden Updates verbessert wird! Will man einen PDF-Link anlegen, dann startet man zur Zeit jedes mal im Installationsverzeichnis von Mendeley und muss zu den PDFs navigieren. Ziemlich lästig, und das werde ich mit meinen vielen Papern sicher nicht machen. Aber ein feature request ist schon abgeschickt, dass man sich mit einer kommenden Version dann ein anderes Verzeichnis wählen kann. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Mendeley bei einigen wenigen Einträgen die Reihenfolge der Autoren umstellt. Bisher konnte ich keinen Zusammenhang zwischen den betroffenen Papern feststellen, und die neue Reihenfolge ist auch nicht alphabetisch oder so. Ändert man die Reihenfolge, dann stellt sie Mendeley gleich wieder um. Aber auch hier ist ein Bugreport schon abgeschickt. Schließlich fehlt mir noch eine Funktion, die wohl nicht so schnell eingebaut werden wird: Man kann die Literaturliste leider nicht beim Schreiben von Texten verwenden, wie es professionelle Programme erlauben. Solange ich auf EndNote angewiesen bin, um Literaturverweise in eigenen Texten einzufügen und zu formatieren brauche ich Mendeley eigentlich nicht doppelt einsetzen.

Zusammenfassend halte ich Mendeley für ein äußert vielversprechendes Programm, und es lohnt sich wirklich für jeden Wissenschaftler, mal reinzuschauen. Doch solange noch grundlegende Probleme das Benutzen des Programms erschweren werde ich nicht komplett darauf umsteigen. Mal sehen was sich noch alles tut, bis Mendeley aus dem Betastatus herauswächst!

[1] Ich mache hier noch einmal Werbung für das Wissenschaftlernetz SciLink, das ist echt klasse!
[2] Und das ist nicht öffentlich, was aus Copyrightgründen sicher sinnvoll ist...
[3] Nicht dass mich das stören würde. Meine Paper belegen jedenfalls schon über 1 GB auf der Platte.

Sonntag, August 10, 2008

DNA-Strukturen II: Haarnadeln

Die Idee, diesen Post mit einem Frisurenwitz zu beginnen, hab ich dann doch sein gelassen. Aber es stimmt wirklich: DNA kann Strukturen ausbilden, die wie Haarnadeln (oder halt auf engl. hairpins) aussehen. Der Grund dafür ist eigentlich ein simpler. Die Grundregeln der Paarung von Nukleotiden, also die Watson-Crick Basenpaarung (A-T und C-G), gilt nicht nur dann, wenn sich zwei Stränge von DNA aneinander lagern. Das klappt problemlos auch innerhalb eines Strangs, sofern es die Nukleotidsequenz zulässt.

Ein klassisches Beispiel sind hier die direct repeats. Eigentlich kann sich jeder gut vorstellen, wie so etwas aussehen muss. Wir nehmen eine bestimmte DNA-Sequenz (z.B. ACGT) und wiederholen sie ein- bis mehrmals, auch mit ein wenig Abstand dazwischen. In dem Fall ist es für die DNA möglich, Basenpaarungen innerhalb eines Strangs auszubilden.
Abbildung aus Dhar und Lahue, 2008

Die daraus entstehende Struktur sieht wie eine Haarnadel aus: Die beiden gepaarten Teile eines DNA-Strangs stehen aus der Ebene des Doppelstrangs heraus; liegt zwischen den wiederholten Sequenzen noch ein nicht wiederholter Bereich DNA, so bildet der eine Schleife (loop) aus ungepaarten Nukleotiden.

Solche Haarnadelstrukturen stellen für Zellen ein großes Problem dar. Weil die hairpins wie gesagt aus der Ebene des DNA-Doppelstrangs herausstehen, behindert dies viele DNA-bindende Proteine. Um mal mit etwas eher positivem anzufangen will ich erst ein Beispiel bringen, wie dieses Problem auch vorteilhaft ausgenutzt werden kann. Während der Transkription bildet die Zelle eine Abschrift eines Gens in Form von mRNA. Dazu muss aber der Komplex aus Proteinen, der die Transkription bewerkstelligt, genau wissen wo auf der DNA er anzufangen und aufzuhören hat. Und beim Beenden der Translation kommen zumindest in einigen Fällen die repeats ins Spiel: Im Modellbakterium E. coli besitzen manche Gene an ihrem Ende Terminatorsequenzen, in denen Sequenzen wiederholt werden. Erreicht die Transkriptionsmaschinerie diesen Terminator, dann bildet die neu hergestellte mRNA einen hairpin aus, der die Proteine von der DNA abfallen lässt - die Transkription ist beendet.

Im Allgemeinen sieht es aber nicht so rosig für die Zelle aus, was Haarnadelstrukturen angeht. Die Probleme beginnen schon viel früher als in der Transkription, wo die hairpins selbstverständlich stören, wenn sie nicht zufällig im Terminator liegen. Es ist nämlich schon schwer für die Zelle, die DNA während der Replikation über solche Bereiche hinweg zu kopieren. Deshalb gibt es auch einige Proteine, die spezifisch Haarnadelstrukturen erkennen und auflösen können.
Ein sehr berühmter (berüchtigter?) Fall ist die Krankheit Chorea Huntington (oder Huntington's Disease), eine erst spät im Leben einsetzende neurodegenerative Erbkrankheit. Da Nervenzellen im Gehirn ihre Funktion verlieren und absterben, leiden Erkrankte sowohl unter psychischen und kognitiven Beschwerden, als auch immer stärker eingeschränkter Bewegungsfähigkeit, bis sie nach mehreren Jahren sterben. Bisher ist keine Möglichkeit bekannt, die Krankheit aufzuhalten oder zu heilen.
Nach langem Suchen wurde die Ursache für diese Krankheit im Gen Huntigtin in einer Abfolge von von CAGs gefunden. In gesunden Menschen wird das CAG nicht mehr als 35 mal wiederholt. Sieht man sich diesen Bereich jedoch in Erkrankten an, dann findet man bis zu 250 CAG-Wiederholungen! Mehr noch, diese Krankheit kann vererbt werden, und in der Regel verlängert sich die CAG-Kette mit den Generationen. Wie kommt diese Verlängerung zustande? Die DNA-Polymerase, die während der Replikation die DNA-Stränge kopiert, verliert bei so langen Wiederholungen immer gleicher Basen irgendwann die Übersicht, wie viel sie denn eigentlich schon produziert hat. Schuld daran ist wahrscheinlich, dass sie auf dem CAG-Bereich hin- und herrutscht (replication slippage), und dass währenddessen die DNA hairpins ausbilden kann. So kann mit jeder Zellteilung die CAG-Kette länger werden. Wieso kann eine Verlängerung der CAG-Folge eine solche Krankheit auslösen? Dazu muss man wissen, dass die Information, in welcher Abfolge Aminosäuren zu Proteinen zusammengebaut werden, in der DNA als Nukleotidtripletts kodiert sind. Bei der Herstellung von Proteinen wird immer drei Nukleotide abgelesen und in eine Aminosäure "übersetzt", die dann mit der vorigen verknüpft wird (Translation). Aha! Drei Nukleotide gleich eine Aminosäure, und Schuld ist eine Wiederholung der drei Nukleotide CAG! Genau, die CAG-Wiederholungen auf DNA-Ebene entsprechen Wiederholungen der Aminosäure Glutamin. Es ist noch nicht genau geklärt, wieso genau eine lange Glutaminkette im Huntingtin-Protein zu all den beschriebenen Problemen führt, aber mögliche Schuldige sind ein schlechterer Abbau des Proteins, die Bildung von großen Proteinklumpen durch Zusammenlagerung über die Glutamine, oder toxische Eigenschaften des veränderten Proteins.
Neben Chorea Huntington sind noch weitere Krankheiten bekannt, die alle auf die Verlängerung von Wiederholungen von drei Nukleotiden zurückzuführen sind.

Abbildung aus Daee et al., 2007
In der Abbildung sind Möglichkeiten gezeigt, wie Trinukleotidrepeats verlängert werden können. Beschrieben habe ich die in B gezeigte Variante, replication slippage. Speziell bei Trinukleotidrepeats scheint die Helikase SRS2 eine wichtige Rolle in der Längenregulation zu spielen, indem sie hairpins entwindet. [1]

Zum Abschluss will ich noch ein wenig Abstand von Krankheiten und Haarnadeln nehmen und einen globaleren Blick auf das Genom werfen. Wenn diese repeats so schlecht für die Zelle sind, wieso gibt es sie dann überhaupt? Interessanterweise sind Nukleotidwiederholungen im menschlichen Genom [2] nicht gleich of vorhanden. Wiederholungen einzelner Nukleotide beispielsweise unterscheiden sich um den Faktor 150 in ihrem Auftreten [4]! Ähnlich ist es auch bei Di- und Trinukleotidwiederholungen. Doch nicht nur der Anteil von repeats ist nicht-zufällig, auch die Position dieser repeats im Genom. Innerhalb der kodierenden Bereiche von Genen finden sich signifikant weniger repeats aller Arten als außerhalb davon. Interessanterweise finden sich (in Pflanzen, wie es in anderen Organismen aussieht weiß ich nicht) die repeats aber häufiger in nichtkodierenden Bereichen von Genen als im Rest des Genoms. Das heißt, dass die Wiederholungen vor allem in den regulatorischen Bereichen vor und hinter den proteinkodierenden Teilen eines Gens angereichert sind. Da ein Vergleich der Verteilung von repeats in verschiedenen Pflanzengenomen ein ähnliches Muster ergab, und speziell die Wiederholungen in den regulatorischen Regionen zwischen vielen Pflanzen über Millionen von Jahren unverändert blieben, scheinen sie wohl eine regulatorische Funktion zu besitzen. Wie die aussieht ist noch niemandem klar; es ist aber nicht dumm zu vermuten, dass die Ausbildung von Haarnadelstrukturen den Zugang von Proteinen zu den Genen beeinflussen kann.

Die Abbildungen konnte ich übrigens verwenden, weil die Arbeiten in Open Access Zeitschriften veröffentlicht wurden. Ich werde auch weiterhin keine Abbildungen verwenden, die nicht unter einer freien Lizenz stehen. Schade für die vielen geschlosenen Journals. Aber es bessert sich ja so langsam!

[1] über SRS2 sicher demnächst noch mehr, und nicht nur weil ich zufällig damit arbeite :-]
[2] in anderen Genomen auch, ich habe fürs menschliche aber gerade Zahlen [3]
[3] die Daten sind aus Stewart Scherers "A short guide to the Human Genome", über das ich in den nächsten Tagen auch noch schreiben will
[4] A oder T: 27369; C oder G: 187

Dhar A und Lahue RS (2008): Rapid unwinding of triplet repeat hairpins by Srs2 helicase of Saccharomyces cerevisiae. Nucleic Acids Research 36(10):3366-3373.
Daee DL et al. (2007): Postreplication Repair Inhibits CAG · CTG Repeat Expansions in
Saccharomyces cerevisiae. Molecular and Cellular Biology 27(1):102-110.
Morgante M et al. (2002): Microsatellites are preferentially associated with nonrepetitive DNA in plant genomes. Nature Genetics 30:194-200.
Zhang L et al. (2006): Conservation of noncoding microsatellites in plants: implications for gene regulation. BMC Genomics 7:323.

Dienstag, August 05, 2008

Was zum Ansehen, bis ich wieder Zeit für richtige Posts habe

Leider hab ich mal wieder nicht wirklich Zeit für längere Posts, deshalb müsst ihr euch erst mal mit Bildern und Videos die Zeit vertreiben.

Über JoVE hab ich ja schon mal berichtet, und heute kam wieder ein Video über den Ticker, bei dem es um eine grundlegende biologische Methode geht: Das Lichtmikroskop und wie man es bedient.

Mehr in Richtung Unterhaltung geht ein Artikel von National Geographic über Aquarius. Die Aquarius ist ein Unterwasserlabor (das weltweit einzige?) der amerikanischen NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) im Atlantik in ca. 30 m Tiefe. In diesem Unterwasserhabitat sind durchgängig Forscher stationiert, die das umliegende Ökosystem intensiv untersuchen. Der Vorteil eines solchen Habitats für Taucher liegt auf der Hand: Da das Habitat durchgängig in einem ähnlichen Druck wie das umgebende Wasser gehalten wird kann auf die langen Phasen des Ab- und Auftauchens verzichtet werden. So können Taucher statt vielleich 1-2 Stunden problemlos doppelt so lange arbeiten und auch mehrmals am Tag raus gehen. Davon abgesehen hat so ein Habitat natürlich auch einen Charme, der mit abgelegenen Stationen in den Polarregionen oder der ISS vergleichbar ist. Mehrere Forscher leben abgeschnitten vom Rest der Welt auf engstem Raum zusammen und sind von dem umgeben, das sie lieben: Ihrer Arbeit. Ich möchte trotzdem nicht im Versuchsgewächshaus schlafen müssen.
Die Aquarius wurde jedenfalls von einem Reporter der National Geographic besucht, und außer dem erwähnten Artikel finden sich auch mehrere kurze Videos über den Aufenthalt. Ich bin übrigens über den Wild Chronicles Videopodcast von National Geographic drauf gekommen, nur so als Tip am Rande.

Und zum Schluss noch was aus dem Failblog. Total offtopic, aber zu gut um es zu ignorieren.

Sonntag, August 03, 2008

Radio Lab: Tell Me A Story

Ich hab ja vor ein paar Monaten schon mal über die Radiosendung/den Podcast Radio Lab geschrieben. Zur Zeit laufen Kurzbeiträge, während die nächste Staffel von regulären Folgen produziert wird. Der neuste von diesen Kurzbeiträgen heißt Tell Me A Story. Darin enthalten ist die Rede des Radio Lab-Moderators Robert Krulwich zur Abschlussfeier von Caltech. In seiner Rede vermittelt er den frischgebackenen Absolventen der Uni, warum es so wichtig ist, die (eigene) Wissenschaft spannend und lebendig Nichtwissenschaftlern zu vermitteln. Das erklärt er unter anderem am Beispiel von Newton, der ein schlechter Vermittler von Wissenschaft war, und Galileo, der seine Erkenntnisse viel allgemeinverständlicher erklärte - dies jedoch nicht durch extreme Vereinfachung der Daten. Laut Krulwich ist das einer der Gründe, wieso Galileo dem Establishment ein so großer Dorn im Auge war: Jeder konnte seine Bücher lesen und nachvollziehen, und wer nicht lesen konnte, der konnte der Erzählung eines Buches von Galileo folgen.
Weitere Beispiele sind Heisenberg und Schrödinger, und auch die Kreationisten mit Adnan Oktar und seinem Buch. Aber was viel wichtiger ist, ganz egal welche Beispiele Robert Krulwich gewählt hätte, die Rede ist so packend und eloquent gehalten, es lohnt sich auf jeden Fall sich die ca. 30 Minuten anzuhören. Sie ist auf jeden Fall eine angenehme Bestätigung für uns Wissenschaftsblogger - wir sind, um im Bild zu bleiben, die Galileos und nicht die Newtons des Web 2.0 ;-)

WNYC Radio Lab - Tell Me A Story [MP3]