Dienstag, Januar 22, 2008

Kreationismus und die Meiose

Beim Schreiben meines letzten Posts ist mir ein gutes Argument eingefallen gegen die Ansicht der Kreationisten, Gott habe Mensch und Tiere so erschaffen, wie sie heute sind. Und das habe ich in der Form auch noch nicht gesehen. Diese Denkweise wurde eigentlich schon x-mal widerlegt, nämlich immer dann, wenn Wissenschaftler zeigen konnten, dass die Proteine A und B aus verschiedenen Organismen X und Y näher miteinander verwandt sind, als z.B. Protein A mit allen anderen Proteinen des Organismus X. Dies lässt sich nur dann erklären, wenn es einmal einen Organismus Z gab, von dem A und B abstammen und der einen Vorläufer der Proteine A und B besaß. Unveränderliche Schöpfung widerlegt, so schnell geht das. Ich möchte dazu jetzt ein Beispiel aus meinem Gebiet bringen, das die ganze Sache noch ein wenig würzt.
Wenn sich ein Organismus auf sexuelle Weise vermehrt, dann hat er zunächst mal ein Problem: er hat einen in der Regel diploiden (d.h. doppelten) Chromosomensatz, und sein Fortpflanzungspartner auch. Dass aber nicht in jeder Generation der Chromosomensatz verdoppelt wird, muss dieser vor der Erzeugung von Keimzellen auf einen einfachen haploiden Satz reduziert werden. Die geschieht in einem Prozess namens Meiose, in der auf eine Verdopplung der DNA (=4x) zwei Teilungen folgen (=1x).
Die Meiose ist auch der Prozess, während der das Genom durch die Rekombination "durchmischt" wird: Die homologen Chromosomen (die vom Vater und der Mutter stammen) tauschen Bereiche untereinander aus. Dies soll die genetische Vielfalt erhöhen. Glücklicherweise gibt es schon eine Menge Proteine, die für Rekombinationsprozesse zuständig ist. Denn die Rekombination ist, wie ich schon in anderen Posts erklärt habe, ein möglicher Reparaturweg für Schäden an der DNA, besonders von den sehr gefährlichen Doppelstrangbrüchen.
Warum hebe ich das besonders hervor? Weil die Voraussetzung zur Einleitung der Reparatur von Doppelstrangbrüchen natürlich das Vorhandensein von Doppelstrangbrüchen ist (duh...). Die Zelle kann sich aber nicht darauf verlassen, dass zufällig während der Meiose mehrere DSBs entstehen, dafür sind sie einfach zu selten. Sie muss darum selbst DSBs erzeugen! Das allein ist schon ein ziemlich gutes Argument gegen einen Designer, der nicht unbedingt absichtlich einen der gefährlichsten Schäden in sein System einführen würde, um ein Problem zu lösen.

Aber es geht noch weiter, und das hat damit zu tun, wie die Zelle genau DSBs erzeugt. Dafür müssen wir ein wenig über Proteine namens Topoisomerasen wissen. Das sind Enzyme, die Verdrillungen und Knoten in der DNA auflösen können. Wie entstehen überhaupt Verdrillungen in der DNA? Ein schönes Beispiel geht folgendermaßen: Man nehme zwei Schnüre und verknote zwei Enden miteinander. Dann befestigt man das verknotete Ende irgendwo. Jetzt noch die zwei Schnüre gegeneinander verdrehen, und man hat sich seine eigene Schnur-Doppelhelix gebastelt. Würde man nun die beiden Schnüre an ihren freien Enden auseinander ziehen, dann entstehen weiter vorne Verdrillungen.
Wie gesagt, um solche Strukturen der DNA aufzulösen gibt es Topoisomerasen. Und sie lösen Verdrillungen und Knoten auf, indem sie eine Bindung mit der DNA eingehen, kurz einen Bruch erzeugen, einen anderen Strang hindurchführen, und den Bruch wieder schließen. So einfach geht das mit den DSBs aber nicht, wie man jetzt vielleicht denken könnte! (Auch wenn es wirklich mit Topoisomerasen zu tun hat.)
In der Bakteriengruppe der Archaea gibt es nämlich eine bestimmte Topoisomerase (Topo VI), die genau das macht, was ich oben beschrieben habe. Es ist jedoch nur eine von zwei ihrer Untereinheiten, die von Eukaryoten (Organismen mit Zellkern in ihren Zellen, also Pilze, Pflanzen, Tiere) zum Erzeugen von DSBs während der Meiose eingesetzt wird. Der Grund ist ein ganz toller: Diese Untereinheit kann zwar noch Brüche in der DNA erzeugen, ist dann aber nicht mehr fähig sie wieder zu schließen - wir haben einen DSB. Und es kommt noch schlimmer für den Designer und zeigt, dass wir hier nur Behelfswerkzeug nach einem Unfall einsetzen: Diese Untereinheit, die übrigens SPO11 heißt, bleibt an den Endes des von ihr erzeugten DSBs an die DNA gebunden. Sie kann nur gelöst werden, indem andere Proteine ein kurzes Stück DNA abschneiden!

Würde so ein Designer vorgehen, der ein Lebewesen entwerfen will? Ganz sicher nicht. Es zeigt vielmehr, dass die während der Evolution der Arten wirkenden Kräfte einfach das genommen haben, was ihnen gerade zur Verfügung stand, und wenn es nur die Abfälle von anderen Projekten waren.

Über Meiose, und besonders die meiotische Rekombination samt Erzeugung von DSBs, werde ich sicher noch mehr zu sagen haben, das nächste Mal dann vielleicht sogar mit einem aktuellen Paper dazu.

Freitag, Januar 04, 2008

Hayflick über Aging

Wenn jemand wie Leonard Hayflick (der mit dem Hayflick-Limit) in PLoS Genetics ein Editorial über Aging schreibt, dann muss ich das einfach lesen. Und nicht nur, weil ich am Rande mit dem Thema zu tun hab (Telomere, Blattseneszenz). Er lässt sich darin über das Problem aus, dass das Thema Aging zwar gerade ziemlich in Mode ist, der Begriff aber für die verschiedensten Dinge verwendet wird. Er unterscheidet darum zwischen Alterung (Aging) als zufälligen, aber immer stattfindenden Prozess des Verlustes von normaler Zellfunktion, z. B. durch Fehlfaltungen von Proteinen, und Longevity als ein dem Aging entgegengesetztes zelluläres Programm, das dann beispielsweise die Fehlfaltung von Proteinen korrigiert. Erst wenn die Leistungsfähigkeit der Reparaturprozesse deutlich nachgelassen hat, treten die Effekte des Aging wirklich auf. Außerdem grenzt Hayflick davon noch altersbedingte Erkrankungen ab, die wohl auch gern mit dem geldbringenden (Fördermittel) Begriff Aging belegt werden.
Der größte Lacher des Artikels steckt aber in den Acknowledgments, dort findet sich unter Funding nämlich folgendes:
These studies were supported by Grant 200701 from the Center for Mediocrity in Biogerontology.