Mittwoch, Dezember 19, 2007

"Mit Gott gegen Darwin" - mal wieder alles falsch gemacht

Gestern abend lief auf Phoenix eine Reportage mit dem Titel "Mit Gott gegen Darwin", direkt nach der Doku "Jesus Camp" und vor "Satan lebt". Ein religionskritischer Abend also, sollte man meinen. "Mit Gott gegen Darwin" hat leider so ziemlich jeden Fehler wiederholt, der den Medien schon seit Jahren bei der Präsentation von Wissenschaft gegen Kreationismus und Pseudowissenschaft vorgeworfen wird.
In typisch deutscher Neutralität ließ man die beiden Seiten für sich sprechen, ohne das Gesagte in einen Bezug zu setzen. Das hatte zur Folge, dass z.B. zig Kreationisten die alte Leier von "Evolution ist nur eine Theorie, also nicht bewiesen" anstimmen konnten. Selbst wenn die Journalisten den Sachverhalt nicht selbst darstellen wollten, dann hätte doch wenigstens ein Wissenschaftler (und es hätte irgendein Wissenschaftler sein können) zu Wort kommen sollen, der die Bedeutung des Wortes Theorie im wissenschaftlichen Sprachgebrauch erklärt. Theorien sind in der Wissenschaft nämlich keineswegs irgendwelche Einfälle, die einfach so in den Raum geworfen werden (die umgangssprachliche Bedeutung von Theorie), sondern Erklärungen für natürliche Phänomene, die von einer enorm großen Menge von Daten gestützt werden. Theorien sind in der Wissenschaft die sicherste Erklärung für ein Phänomen; der Begriff Fakt wird dagegen ungern verwendet, wiel in der Wissenschaft zumindest im Prinzip alles widerlegbar ist. Doch diese Richtigstellung erfolgte nicht, der falsche Eindruck blieb leider bestehen.
Auffällig war auch die unausgewogene Präsentation des Materials. Wissenschaftler, oder allgemein Personen pro Evolution, kamen nur sehr selten zu Wort. Der einzige interviewte Wissenschaftler war zudem Kenneth Miller, der als Autor von "Finding Darwin's God: A Scientist's Search for Common Ground Between God and Evolution" nicht gerade der ideale Gegenpart zu den religiösen Fanatikern darstellt.
Die zwanghafte Gegenüberstellung von zwei Positionen zieht sich leider wie ein roter Faden durch die gesamte Sendung. So wurde zwar über das (damals laufende) Dover-Gerichtsverfahren berichtet (das mittlerweile, nach der Produktion der Reportage, mit einem eindeutigen Sieg des Evolutionsunterrichts beendet ist), sofort musste dann aber über ein weiteres Gerichtsverfahren berichtet werden: Das berühmte Scopes-Verfahren in Dayton, Tennessee, in dem der Lehrer John Thomas Scopes 1925 (!) für das Unterrichten der Evolution im Biologieunterricht verurteilt wurde.
Nach all diesen Kritikpunkten bleibt von der Reportage leider nicht mehr viel Substanz übrig. Der traurige Rest ist dafür dann aber umso erschreckender. Er zeigt die Kinder, die in fundamentalistisch-christlichen Schulen, oder sogar zuhause von den Eltern, "unterrichtet" werden. Grundlage für alle Fächer ist die Bibel, die wörtlich ausgelegt wird. Die Erde ist demnach wenige tausend Jahre alt, Menschen und Dinosaurier lebten gemeinsam (die Dinos starben aus, weil für sie kein Platz mehr auf der Arche war und sie ertrinken mussten), alle Tiere wurde an einem Tag erschaffen - da ist kein Platz für die Evolution, und für andere Wissenschaften auch nicht. So sieht man gleich zu Beginn der Reportage die Kreationisten-Version des Chemie- und Biologieunterrichts. Da wird dann die Landoltsche Zeitreaktion als Gottesbeweis gezeigt. Und zur Veranschaulichung der Energiegewinnung auf zellulärer Ebene nimmt man einfach ein Geldstück und einen Gasbrenner: Haben wir doch ein Glück, dass uns Gott erschaffen hat, sonst würden unsere Zellen ständig rotglühend in Flammen stehen! Bei solchermaßen "gebildeten" Kindern sehe ich sehr schwarz für den Wissenschaftsstandort USA...

Keine Kommentare: