Montag, Januar 26, 2009

Projekt Paperübersicht #2: Der RTR-Komplex in Pflanzen?

Und weiter gehts mit der Besprechung unseres aktuellen Papers! Während es in Teil 1 noch um ein wenig Hintergrund für die beteiligten Gene/Proteine ging, gehts heute ins Pflanzengenom und die Frage, ob es diesen RTR-Komplex auch in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana gibt.


Den Großteil unserer Arbeit machen wir mit Insertionsmutanten. Das sind Pflanzen, bei denen mit Hilfe des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens relativ große DNA-Fragmente in die Sequenz eines Gens eingeführt wurden. Dies führt im Endeffekt dazu, dass das Proteinprodukt dieses Gens nicht mehr hergestellt werden kann, die Pflanzenlinie unterscheidet sich also von Wildtyppflanzen nur darin, dass ein bestimmtes Gen ausgeschaltet wurde. Der Sinn hinter der Untersuchung von diesen Knockouts ist schnell einleuchtend: Vergleicht man Wildtyp und Knockoutlinie, dann ist sehr wahrscheinlich, dass jeder zusätzliche Defekt in der Knockoutlinie auf dem Ausfall des Gens beruht. Jetzt muss man nur noch umdenken - der Ausfall eines Gens führt zu bestimmtem Defekt, dann erfüllt dieses Gen normalerweise diese bestimmte Funktion, die ein Entstehen des Defekts verhindert.

Zunächst muss man sich natürlich fragen: Gibt es die Gene des RTR-Komplexes überhaupt in Arabidopsis? Hier kann man sich heutzutage sehr viel Arbeit sparen, dank sehr guter Bioinformatik und den frei zugänglichen Genomdatenbanken vieler Organismen. Was wir fanden, passt sehr gut den bereits beschriebenen Genen, vor allem aus der Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae und dem Menschen.
Für das Gen RMI1 (bzw. BLAP75) gibt es im Arabidopsisgenom zwei mögliche Kandidaten. Einer davon (das Gen At5g19950) scheint nicht exprimiert zu werden, und auch von uns untersuchte Insertionsmutanten waren völlig unauffällig. Hierbei könnte es sich also um ein Pseudogen handeln. Der zweite Kandidat (At5g63540) war dafür umso interessanter, wie ich heute und in den folgenden Posts zu unserem Paper zeigen will. Dieses Gen wurde von uns darum AtRMI1 getauft [1].
Auf zum T aus RTR - der Topoisomerase. Hier war es leichter, weil als Homolog zu TOP3 bzw. TOPO3α nur ein mögliches Gen in Frage kam, At5g63920 oder AtTOP3α.
Ein wenig komplizierter wird es bei der RecQ Helikase. Bei dieser Familie wissen wir schon länger, dass es in Arabidopsis sieben Mitglieder gibt. Welche von diesen sieben ist nun aber das funktionelle Homolog zu der einzigen RecQ Helikase in Hefe, SGS1? Im Menschen ist dies unter fünf Familienmitgliedern das Gen BLM, und mit dem Aufbau dieser beiden Gene bewaffnet fallen schon ein paar der Arabdopsis RecQ Helikasen raus. Von den restlichen bleibt dann nur noch RECQ4A (At1g10930) übrig, wenn man bereits bekannte Eigenschaften der Mitglieder der RecQ Familie in Arabidopsis mit einbezieht (Hartung et al., 2007).

Glücklicherweise waren für diese Gene dann auch Insertionsmutanten verfügbar, mit denen wir arbeiten konnten.

Zum Abschluss jetzt noch ein paar "richtige" Daten. Die Beschreibung, wie und warum man bestimmte Gene überhaupt gefunden und benutzt hat, und wie die Mutanten aufgebaut sind, ist zwar ein wichtiger Teil eines Papers - es ist aber eher langweilig.
Es gibt eine relativ einfache Methode, die Beteiligung eines Gens bzw. dessen Proteinprodukts an der DNA Reparatur zu untersuchen: Schädigt man die DNA absichtlich, dann müssen diese Schäden repariert werden. Ist nun aber ein Gen ausgeschaltet, das in die Reparatur der DNA involviert ist, dann funktioniert die Reparatur logischerweise nicht mehr so gut. Das kann man auf verschiedene Weisen messen, wir bestimmen das relative Frischgewicht von behandelten Keimlingen verglichen mit gleich alten unbehandelten Keimlingen. Denn Probleme bei der DNA-Reparatur resultieren beispielsweise im Absterben der betroffenen Zellen, die sich dann auch nicht mehr Teilen oder Wachsen können. Die Folge: Kleinere, leichtere Keimlinge.
Die Bandbreite an möglichen Schäden an der DNA ist unheimlich groß, entsprechend gibt es auch jede Menge von Reparaturwegen. Indem man die Organismen verschiedenen Stoffen mit bekannten Schadeffekten an der DNA aussetzt, kann man mit diesem Versuch auch eine erste Einordnung der untersuchten Gene in diese Reparaturwege vornehmen. Eine Knockoutmutante wird nämlich nur dann sensitiver als der Wildtyp auf einen Stoff reagieren, wenn es in dem betroffenen Reparaturweg aktiv ist.


Abbildung 3 aus Hartung et al (2008)

In dieser Abbildung sind Sensitivitäten von Knockoutmutanten der Gene RECQ4A, TOP3α und RMI1 gegenüber verschiedenen Mutagenen gezeigt. Gegen Methylmethansulfonat (MMS, A in der Abbildung) sind viele Gene der homologen Rekombination sensitiv, so auch unsere drei Gene. MMS erzeugt Addukte an der DNA, indem es eine Methylgruppe an Stickstoffatome in den Basen der DNA hängt. Dies hat zu Folge, dass die normale Doppelhelix verzerrt wird, und elementare Vorgänge wie die Transkription und Replikation nicht mehr stattfinden können. Dies ist wahrscheinlich auch die Verbindung mit der homologen Rekombination, da sie mithilft Probleme direkt an der Replikationsgabel zu beheben. Davon abgesehen können Schäden durch eine Alkylierung aber auch durch die Reparaturwege der Basenexzisionsreparatur und der Nukleotidexzisionsreparatur behoben werden [2]. Die Ungenauigkeit dieser beiden Wege führt übrigens über den Umweg von Mutationen zu einer krebsfördernden Wirkung von MMS.
Cisplatin (genauer cis-Diamindichlorplatin, B in der Abbildung) ist ein interessanter Stoff. Über die eher zufällige Entdeckung dieses kleinen Moleküls habe ich schon mal geschrieben. Heute ist es einerseits eines der am häufigsten eingesetzten Chemotherapeutika, andererseits aber auch eines der bestuntersuchten Stoffe, was die Mechanismen der DNA-Schädigung angeht. Was passiert, wenn Cisplatin in die Zelle kommt? Das zentrale Platinatom reagiert freudig mit so ziemlich jedem Molekül, das es in die Finger kriegt. Deshalb findet man dann Platinaddukte an Zuckern, Fetten, Proteinen, aber eben auch der DNA. Blöd an der Sache ist aber, dass Cisplatin über seine beiden Chloridgruppen auch zweimal reagieren kann, und damit zwei vorher unverbundene Moleküle kovalent verknüpft. So werden dann schon mal Proteine an die DNA gebunden, oder noch schlimmer, zwei Basen der DNA kovalent verbunden. Dies nennt man Crosslinking, und davon gibt es zwei Möglichkeiten: entweder werden zwei Basen aus unterschiedlichen DNA-Strängen verknüpft (=Interstrang-Crosslink), oder es werden zwei Basen innerhalb eines Stranges verknüpft (=Intrastrang-Crosslink). Letzteres ist bei Cisplatin das häufigere Produkt, und auch hier liegen die Reparaturaufgaben bei der Nukleotidexzisionsreparatur und der homologen Rekombination (die besonders während der Replikation).
Zuletzt noch Camptothecin (CPT, C in der Abbildung). Das ist ein Alkaloid, das beispielsweise von der Pflanze Camptotheca acuminata zur Schädlingsabwehr gebildet wird. Und die Schädlinge, die an der Pflanze knabbern tun mir wirklich leid: Im vorigen Teil habe ich knapp beschrieben, was eine Topoisomerase mit der DNA macht. Camptothecin behindert diesen Vorgang der Topoisomerase 1. Genau in dem Zustand, wenn TOP1 kovalent mit der DNA verbunden ist und ein Einzelstrangbruch in der DNA vorliegt, bindet CPT daran und verhindert, dass die Topoisomerase die Lücke schließt und sich von der DNA löst. Dies hat zur Folge, dass bei der Replikation einerseits ein Protein kovalent verbunden auf der DNA sitzt und die Replikationsproteine behindert, und dass außerdem durch das Entwinden des Doppelstrangs aus dieser Lücke in der DNA plötzlich ein Doppelstrangbruch wird. Großes Problem, und sehr wahrscheinlich der Tod des hungrigen Schädlings [3].

Wie man sehen kann, sind alle Mutanten sensitiver als der Wildtyp (Col-0 in der Abbildung) gegenüber MMS und Cisplatin. Gegen CPT ist dagegen nur die Knockoutmutante von TOP3α sensitiv, die beiden anderen nicht. top3A-2 reagiert genau genommen auch auf MMS und Cisplatin sensitiver als recq4A-4 und rmi1-2. Während nun diese gemeinsamen Sensitivitäten eines der Indizien sind, dass die drei Proteine ihre Aufgaben gemeinsam erfüllen (also möglicherweise in einem RTR-Komplex), deuten die Resultate auch auf eine Sonderrolle für TOP3α hin. Auf die will ich aber erst im nächsten oder übernächsten Post eingehen - mit nem Cliffhanger müsst ihr einfach wiederkommen, oder?


[1] So wirklich neue und kreative Namen gibts bei Genen eher selten, aber es kommt vor. Siehe etwa das Gen SUPERMAN und sein Antagonist KRYPTONITE...
[2] Wenn ich jetzt noch anfange, jeden Reparaturweg ausführlich zu beschreiben werde ich gar nicht mehr fertig mit dem Post. Ich hab da aber eine nette Idee: Ich könnte den Mutagenen eigene Posts widmen, und dabei dann auch auf die relevanten Reparaturwege eingehen.
[3] Die Camptothecin-produzierenden Pflanzen besitzen übrigens TOP1-Gene mit leicht veränderten Sequenzen, so dass sie selbst nicht anfällig gegenüber CPT sind (Sirikantaramas et al, 2008).

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