Dienstag, Juni 24, 2008

Wie der hehre Ritter Lenski auszog, die Dummheit zu bezwingen

Heute gehts ja rund, so viele Posts an einem Tag hatte ich noch nie...;-) Aber ich wollte euch sowieso nur schnell ne Leseempfehlung verlinken. Dabei geht es um ein Paper [PDF] aus der Gruppe von Richard Lenski aus PNAS, das vor kurzem veröffentlicht wurde. Weil die Leute zeigen konnten, dass E. colis durch Mutationen neue Eigenschaften erworben haben (hier speziell die Fähigkeit, Citrat aus dem Medium aufzunehmen und zu verwerten), sind jetzt andere Leute sauer. Kann ja auch nicht angehen, dass jemand solche Lügen verbreitet und damit ein so angesehenes Journal wie PNAS beschmutzt. Weiß doch schließlich jeder, dass das mit der Evolution nicht stimmen kann. Ja ne, is klar. Jedenfalls haben die Leute Lenski Briefe geschrieben, die samt dessen Antworten für jeden online nachzulesen sind. Und dabei werden ein paar Punkte klar: (1) Man sollte ein Paper zumindest lesen, bevor man sich darüber beim Autor beschwert. (2) Richard Lenski ist mein neuer Held. Denn die Art, wie er mit den IDioten umgegangen ist, war immer fachlich und höflich. Nie ist er in deren Niederungen hinuntergestiegen. Trotzdem (oder gerade deswegen?) hat er jeden seiner Punkte perfekt dargelegt. Das war kein Punktsieg - das war ein KO in der ersten Runde!

Auf dem Bad Science Blog hat Ben Goldacre den Austausch in einen Post zusammengefasst, so dass man sich zum Lesen noch nicht mal auf Conservapedia die Augen schädigen muss. Lest es durch, auch wenn die Antworten von Lenski lang sind. Sie sind es wert, jeder einzelne Satz.

Die Konkurrenz wächst!

Wir haben nämlich einen neuen deutschsprachigen Biologenblogger™. Ele wird auf Selective Sweep hauptsächlich über die Themen schreiben, die ihm während seiner vor kurzem begonnenen Doktorarbeit unterkommen, also - soweit die Grundzüge, die ich von seiner Arbeit kenne [1] - Parasiten, Genome und Populationsgenetik. In seinem zweiten Post hat er auch schon ein Paper besprochen, in dem ein wichtiges Problem untersucht wurde: Nimmt man orthologe Gene von Primaten und Nagern, dann sind oft unterschiedliche Funktionen bei ihnen festzustellen. Das hat leider zur Folge, dass Ergebnisse, die z.B. im Modellorganismus Maus gewonnen wurden, nicht direkt auf Erkrankungen beim Menschen übertragbar sind (und umgekehrt).

Ich bin jedenfalls gespannt was in nächster Zeit noch alles kommt und empfehle euch natürlich allen, mal bei Ele auf Selective Sweep vorbeizuschauen!

[1] Ele ist ein ehemaliger Kommilitone und jetzt Mitdoktorand in Karlsruhe. Ich hab also ein wenig Einblick in seine Arbeit und freue mich deshalb noch mehr auf seine Posts.

JoVE - Journal of Visualized Experiments

Ich muss jetzt doch mal ein wenig Werbung für JoVE machen. Denn der Journal of Visualized Experiments ist keine YouTube-artige Sammlung von wissenschaftlichen Videos (das trifft eher auf SciVee und Bioscreencast zu, die aber auch zu empfehlen sind), sondern ein "echter" wissenschaftlicher Journal, nur eben mit Video zum Paper.

JoVE: What is it?

Journal of Visualized Experiments (JoVE) is a peer reviewed, open access, online journal devoted to the publication of biological research in a video format.

Ja, ihr habt richtig gelesen: peer reviewed und open access! Der Schwerpunkt liegt bei JoVE auf der Beschreibung von wissenschaftlichen Methoden. Ist ja auch leicht nachvollziehbar - anstatt eine bestimmte Technik aus dem Methodenteil eines Papers zu lernen ist es leichter, sie einem Profi abzuschauen. Gerade in den Life Sciences (den Begriff kann ich übrigens nicht leider, aber er ist zumindest kürzer als medizinische/biochemische/molekularbiologische/... Forschung) gibt es eine Unzahl von spezialisierten Methoden, und ihre Anzahl wächst beständig. Das hat zur Folge, dass man schon nach relativ kurzer Zeit eigentlich nur noch die Methoden aus dem eigenen Fachgebiet anwenden kann. JoVE möchte diese Situation verbessern, und auch quasi einen Standard für eine Methode setzen, so dass auch die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen verbessert wird. Alles große Ziele, es bleibt abzuwarten wie weit sich JoVE durchsetzen kann.

Als kleinen Vorgeschmack verweise ich euch zu einer Standardmethode, wenn man mit Zellkulturen arbeitet: Dem Zählen von Zellen und der Bestimmung der Lebensfähigkeit. (Man kann die Videos wohl irgendwie auch auf anderen Seiten einbinden, ich habe aber aber bisher noch nicht herausgefunden wie.)

Ricardo R., Phelan K. (2008): Counting and Determining the Viability of Cultured Cells. JoVE. 16. http://www.jove.com/index/Details.stp?ID=752, doi: 10.3791/752

Samstag, Juni 14, 2008

Von Giraffen und Archen

ResearchBlogging.orgEs ist ja schon witzig, wie sich manches fast von selbst zusammenfügt. Gerade diskutieren wir noch auf WeiterGen darüber, wie man in einen originalgroßen Nachbau der Arche (und natürlich in die "echte" auch) denn bitte alle Arten paarweise unterbringen soll. Und schon wird der Platz nochmal um einiges enger.
Wie ich gerade auf dem Barcode of Life Blog gelesen habe, könnte man nach neuesten DNA-Daten die Giraffe in sechs Arten aufteilen. Von den afrikanischen Giraffen sind schon seit längerem mehrere Unterarten bekannt, die sich in ihrem Verhalten, ihrem Fleckmuster des Fells, und ihrer geographischen Verteilung unterscheiden. David M. Brown und Kollegen haben sich nun mit Hilfe von zwei etablierten molekularbiologischen Methoden (mitochondriale DNA, mtDNA und Mikrosatelliten) der Populationsgenetik der Giraffen angenommen. Und dabei stellte sich heraus, dass sich die getesteten Giraffen in sechs monophyletische Gruppen aufteilen lassen. Diese Gruppen stimmen sehr gut mit dem Fleckmuster und der geographischen Verteilung überein.

Abb. 1 aus Brown et al. zeigt die geographische Verteilung und das Fleckmuster neben dem phylogenetischen Baum der untersuchten Giraffen.

Die Autoren konnten berechnen, dass diese Gruppen 0,13 bis 1,6 Millionen Jahre in ihrer Reproduktion isoliert waren. Außerdem scheint es sogar in Gebieten, wo mehrere dieser Gruppen zusammen vorkommen, keine Hybriden zwischen den Gruppen zu geben. Dies könnte an dem unterschiedlichen Fleckmuster oder dem unterschiedlichen Verhalten (oder beidem) liegen. Die Autoren argumentieren nun, und ich meine nicht grundlos, dass man vielleicht nicht mehr von Unterarten, sondern von mehreren verschiedenen Giraffenarten ausgehen sollte. Wie ich ja selbst erst vor kurzem berichtet habe (siehe auch den Post von JLT auf Evil under the Sun zu dem Thema), ist der Begriff der Art nicht wirklich gut definiert. Bei den Giraffen hier treffen aber sogar mehrere der Definitionen zu: Die Giraffengruppen bilden Reproduktionseinheiten, die voneinander isoliert sind (und das wohl seit mindestens 130000 Jahren). Es sind morphologische und Verhaltensunterschiede zwischen den Gruppen festzustellen. Die Gruppen stellen Populationen dar, deren Evolution getrennt voneinander verläuft (gezeigt auf molekularer Ebene).

Auf dem Barcode of Life Blog wird nun diskutiert, wie das bei den anderen Arten von Säugern aussehen könnte. Wenn man aus Giraffen, die sich schon äußerlich so stark unterscheiden, mit Hilfe von molekularen Nachweisen sechs Arten machen kann, wie sähe das dann bei anderen Arten aus, die vielleicht nicht so einfach äußerlich zu unterscheiden sind? Und das bringt uns zurück zum Anfang dieses Posts. Wenn es schon eng gewesen wäre auf der Arche mit nur einem Giraffenpaar, wie hätte es dann mit insgesamt 12 Giraffen ausgesehen (zwei pro Art)? Jetzt muss man das nur noch hochrechnen auf die ganzen anderen Arten, die bisher noch nicht erkannt sind, und es wird ziemlich kuschlig.


David M Brown, Rick A Brenneman, Klaus-Peter Koepfli, John P Pollinger, Borja Milá, Nicholas J Georgiadis, Edward E Louis, Gregory F Grether, David K Jacobs, Robert K Wayne (2007). Extensive population genetic structure in the giraffe BMC Biology, 5 (1) DOI: 10.1186/1741-7007-5-57

Mittwoch, Juni 11, 2008

Meta

Sorry, ich bin immer noch begraben unter einem Berg von Arbeit, und das wird sich sicher noch bis in die nächste Woche ziehen (Wochenende? Was war das nochmal?). Deshalb wird es hier eher still bleiben. Aber, und das kann ich euch schon versprechen, sobald ich wieder mehr Zeit habe wirds auch wissenschaftlich, und so wie es aussieht mein erster Zweiteiler!

Die Abstimmung zu WGSDLBB ist übrigens wieder online, und noch ist ein paar Tage Zeit zum Abstimmen.

Noch ein kurzer Punkt: Ich hab mittlerweile eine Account bei SciLink, so einer Art Facebook für Wissenschaftler. Der Vorteil für uns Wissenschaftler (und es sind schon über 40000 dabei) ist, dass wir die Kontakte nicht mehr selbst herstellen müssen. Durch Auswerten von Literatur (angeblich über 104 Mio. Publikationen) kann man so schon mit jeder Menge Kontakten starten, sofern man schon Mitautor auf nem Paper ist. Mein Profil ist leider nur rudimentär vorhanden (wie gesagt, die Zeit), aber wer will kann mich ja als Kontakt hinzufügen.

Freitag, Juni 06, 2008

Inspiration!

Gestern wars mal wieder soweit, ich durfte im Seminar bei uns am Institut über die Fortschritte in meinen Projekten berichten. Das ist nicht nur eine gute Übung und hält die Kollegen über die verschiedenen Arbeiten auf dem Laufenden. Mir ist aber auch aufgefallen, dass so ein Vortrag sich auch sehr positiv auf die eigene Arbeit auswirkt. Die Kollegen geben Rückmeldungen zu den Versuchen, und weißen auch auf Versuche und Forschungsrichtungen hin, die man selbst so nah am Projekt dran vielleicht gar nicht gesehen hätte. Aber zumindest bei mir gibt es immer auch noch einen weiteren Effekt: Allein der Vorgang, meine Daten in einen Vortrag zu verpacken, und das Ganze auch in einem größeren Kontext als dem unmittelbaren Forschungsalltag zu interpretieren, liefert mehr Ideen als ich in der nächsten Zeit abarbeiten könnte. Da zeigen sich, versteckt zwischen Säulendiagrammen und Schemazeichnungen, plötzlich ungeahnte Querverbindungen auf, die dem bisherigen Verständnis meiner (ganz ganz) kleinen Ecke der Wissenschaft eine neue Wendung verpassen könnten. Sofern diese Verbindungen überhaupt da sind, und ich sie mir nicht nur einbilde oder hineininterpretiere. Die Antwort darauf sollte ich aber in ein paar Monaten kennen, und egal wie das auch ausgeht - alles nahm erst seinen Anfang, weil ich mir länger als im Alltag üblich Zeit für die Daten genommen habe!

Der Kopf schwirrt vor neuen Ideen, ein gutes Gefühl!

Sonntag, Juni 01, 2008

Was ist eine Art? Eine Leseempfehlung

Das Konzept der Art als eine biologische Maßeinheit scheint klar und umunstößlich zu sein, schließlich bildet es die Grundlage der Biologie als Wissenschaft. So wie ein Physiker die Sekunde als Zeitmaß, und Chemiker die Stoffmenge als Maß für die Anzahl von Teilchen haben, kann man die Art als ein biologisches Maß betrachten. Problematisch wird es dann nur, wenn z.B. die Stoffmenge unterschiedlich groß wäre, je nachdem, wo man sich gerade auf der Erde aufhält. Doch genauso verhält es sich mit der Artdefinition - oder eher mit den Artdefinitionen, denn es gibt jede Menge davon, und keine passt auf alle beschriebenen Arten! Doch die Biologen stecken nicht den Kopf in den Sand und erklären Darwins Evolutionstheorie für Bankrott, wie JLT auf Evil under the Sun gerade einen "Naturalismuskritiker" zitiert und verbessert. Sie versuchen eher, eine Lösung für das Problem zu finden! Und genau über dieses Thema hat Carl Zimmer, meiner Meinung nach einer der besten Wissenschaftsjournalisten [1], für den Scientific American einen Artikel geschrieben, der auf seiner Seite auch frei zugänglich zu lesen ist. Zitiert wird darin auch ScienceBlogger John Wilkins, der das Thema in einem kleinen Post von der philosophischen Seite betrachtet [2].


[1] Er schreibt nicht nur Artikel, sondern auch sehr gute Bücher. Ich habe bisher erst Parasite Rex gelesen, doch man hört auch über seine anderen Bücher nur Lob, und zwar sowohl von Experten wie auch von Laien. Diese Brücke zu schlagen, zwischen Detailreichtum und Verständlichkeit, schaffen nur wenige. Sein neustes Buch, Microcosm: E. coli and the New Science of Life, werd ich mir demnächst auch zulegen.
[2] Von ihm hab ich mir das Bild von der Art als Maßeinheit ausgeliehen. Ich gebs demnächst wieder zurück, versprochen!