Mittwoch, Dezember 31, 2008

Frohes Neues mit Sachen zum Lachen (und Mitsingen)!

Was gibt es besseres, als das neue Jahr mit einer super lustigen, eindeutig nicht jugendfreien Definition von "Wissenschaft" zu beginnen? Eben. Deshalb dieser Kommentar des Kriminaltechnikers Vince Masuka aus der dritten Staffel von Dexter:
That's not opinion, that's science. And science is one cold-harded bitch with a fourteen inch strap-on.
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Die Szene startet um 3:49, der zitierte Satz um ca. 5:40. Einfach großartig!

Ich hab noch ein zweites Video für euch. Und das kommt auch von einer Serie - es ist der Titelsong der Sitcom The Big Bang Theory. Das Lied heißt "History of Everything" und ist von den Barenaked Ladies, die ich vor ca. 10 Jahren auch mal live gesehen hab. Viel Spaß beim Mitsingen!
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Mittwoch, Dezember 24, 2008

Weihnachtspaper!

Die Firma DNA 2.0 hat nach dem Weihnachtspaper von 2006 (Santa Claes, Rudolph Reindeer, Saint Nicolas, Ness E. Tomte, Dasher Sridhar, Jeremy Elf (2006): Heterologous expression and functional characterization of the Santa Hoho2 gene. Proc Natl Acad Sci, North Pole 12:25-31. [PDF]) dieses Jahr endlich ein neues weihnachtlich angehauchtes Paper veröffentlicht!

Santa Claes, Feliz Navidad, Tomte Ness E., Ten N. Baum, Hanukkah Harry, Bada Din Sridhar, Jeremy Elf (2008): Metabolic engineering of Picea abies for receptor mediated induction of fluorescence and olfactory signaling. Proc Natl Acad Sci, North Pole 12:25-31. [PDF]

Abstract
Reoccurring seasonal harvesting of Picea abies (Norwegian spruce) and the subsequent attachment of light fixtures to the tree followed by composting after only 3 weeks of minimal use is not only a waste but also leads to diminishing spruce forests, release of carbon dioxide, global warming, increased energy consumption and a political burden to the ongoing diplomatic efforts of Santa Claus. We here present a synthetic biology solution to address this key concerns for winter celebrations – A song induced Christmas tree with endogenous light and odor emission. Advances in synthetic biology, tissue engineering and metabolic engineering have now provided new insights and techniques for controlling whole organism signaling and bio-compound production in situ, and recent efforts in synthetic biology have demonstrated that complex regulatory and metabolic networks can be designed and engineered in microorganisms and simple eukaryotes. Leading researchers at the NorthPole Bioscience Engineering Council here disclose how sonic-induced signals received through tissue engineered tympanal organs are incorporated into regulating the metabolic distribution of fluorescent and olfactory signals in Picea abies. Upon induction, the cellular nodality of the tree branches emit light at predefined wavelength due to engineered luciferases mTwinkie (yellow), mWonderbread (white) and mSnoBalls (pink). The synthetic induction system also triggers the production and emission of seasonal olfactory signals including trans-cinnamaldehyde (cinnamon), 6-gingerol (ginger), and methyl salicylate (mint). The synthetic pathway is hereby denoted xmas1.
In diesem Sinne - ich wünsche euch allen Frohe Weihnachten! Und versucht mal, euren Baum anzusingen, vielleicht habt ihr ja eins dieser transgenen Exemplare bei euch stehen!

Ein nettes vorgezogenes Weihnachtsgeschenk

Nach Monaten von Warten kam letzten Freitag endlich das neueste Paper unseres Instituts raus - und ich bin einer der Mitautoren (Wenn auch nicht der Erstautor, was ich auf jeden Fall betonen will.)! Das ist zwar nicht mein erstes Paper [1], aber an dieser Arbeit war ich während meiner Diplomarbeit beteiligt und bin es auch aktuell während meiner Doktorarbeit.
Da der Artikel bei PLoS Genetics erschienen ist, kann ihn jeder kostenlos lesen, also super für Open Access! Spannend an der Geschichte ist auch, dass wir den Artikel back-to-back mit einem zweiten Paper der Gruppe von Mathilde Grelon aus Versailles veröffentlicht haben. Deren Ergebnisse ergänzen sich sehr gut mit unseren, so dass PLoS Genetics sogar noch nen Perspective-Artikel dazu hat schreiben lassen.
Ich bin jetzt gerade ein wenig unentschlossen, wie ich hier weitermachen soll. Einerseits halte ich das Thema für sehr interessant und spannend (natürlich!), andererseits kommt es mir aber extrem merkwürdig vor, über eigene Arbeiten zu schreiben. Wäre das nicht ein wenig wie Werbung? Haltet ihr mich für objektiv genug, oder sieht das dann so aus, als wollte ich unsere Daten in ein positiveres Licht rücken? Ich werd also eine kleine Umfrage in die Seitenleiste stellen, dann dürft ihr das entscheiden!

Hartung F, Suer S, Knoll A, Wurz-Wildersinn R, Puchta H (2008): Topoisomerase 3α and RMI1 Suppress Somatic Crossovers and Are Essential for Resolution of Meiotic Recombination Intermediates in Arabidopsis thaliana. PLoS Genet 4(12): e1000285.


[1] Darüber hatte ich vergessen zu berichten, das erste Paper bei dem ich Mitautor bin kam im Oktober raus. Mein Anteil an der Veröffentlichung geht noch auf ein längeres Praktikum während des Studiums zurück, am Institut für Rebenzüchung in Siebeldingen in der Südpfalz, einer Einrichtung des Julius-Kühn-Instituts (Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen).

Kortekamp A, Welter L, Vogt S, Knoll A, Schwander F, Töpfer R, Zyprian E (2008): Identification, isolation and characterization of a CC-NBS-LRR candidate disease resistance gene family in grapevine. Molecular Breeding 22(3):421-432.

Montag, Dezember 15, 2008

Zurück aus Wien

Seit ein paar Tagen bin ich wieder zurück von meinem 2wöchigen Trip nach Wien. Und neben vielen schönen Erinnerungen und Erfahrungen aus der Gruppe von Karel Riha am Gregor-Mendel-Institut, deren Mitglieder viel Zeit geopfert haben, um mir neue Methoden beizubringen (die sogar gleich in ein paar sehr interessanten Daten resultierten!), habe ich die Zeit genutzt und so viel wie möglich von der Stadt angesehen. Ein paar der Bilder habe ich zu Picasa hochgeladen, sie sind hier zu finden [1]:
Wien 081123-081208

Wenn ich nun schon in Wien war, wollte ich natürlich auch mal die Science Busters sehen. Da gab es nur ein Problem: die waren für mehr Vorstellungen ausverkauft, als ich in Wien sein würde! Glücklicherweise hatten die Kollegen vom GMI (liebe Grüße, falls das jemand von euch liest!) schon vorbestellt, und eine Karte wurde frei. So saß ich dann doch noch zum Thema "Geheimnisvolles Universum Reloaded: Vom Urknall bis zum Multiversum" in der zweiten Reihe und genoss die Show - extrem empfehlenswert!

Hin und zurück war ich übrigens auch per Zug unterwegs. Nicht, weil es günstiger gewesen wäre. Mit dem Flugzeug hätte die Reise nicht mal halb so lange gedauert, und wäre auch nur ungefähr halb so teuer gewesen. Was macht man aber nicht alles für die Wissenschaft - ich hatte auf dem Hinweg jede Menge DNA dabei, und auf dem Rückweg zusätzlich noch Membranen von Southern Blots. Die darf ich zwar problemlos und ganz legal transportieren, aber wer riskiert heutzutage denn die Arbeit von Monaten bis Jahren an einer Sicherheitskontrolle im Flughafen ("Sorry, aber das dürfen sie nicht mitnehmen. Werfen sie es bitte da hinten in die schwarze Tonne.") Gerade bei den Membranen hätte das heikel werden können. Die bestehen nämlich aus Nitrocellulose, und da springen wahrscheinlich die Sprengstoffdetektoren drauf an :D


[1] Als Biologe konnte ich natürlich nicht anders, es sind auch jede Menge Bilder von Tieren dabei.

Mittwoch, Dezember 10, 2008

Das gibt "Handystrahlung" ne ganz neue Bedeutung

Seit fast einem Jahr hat ein japanisches Pärchen Handyanhänger verkauft, die im Dunkeln leuchten. Jetzt wurden die beiden verhaftet, und das japanische Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Technologie hat alle Anhänger zurückgerufen.
Sie enthalten nämlich Tritium, ein radioaktives Isotop von Wasserstoff (3H)! Manche kennen das Prinzip vielleicht, weil so früher Zifferblätter von Uhren oder auch Kompasse (Kompässe?) zum Leuchten gebracht wurden. Tritium besitzt neben dem Proton des Wasserstoffs noch zwei Neutronen im Kern. Dieser ist aber instabil und zerfällt in Helium unter Emission eines Elektrons (Betastrahlung). Dieses Elektron trifft dann beispielsweise in Uhren auf eine Beschichtung mit einem Fluoreszenzmittel wie Phosphorverbindungen und regt sie zum Leuchten an. Problematisch besonders mit Tritium ist die geringe Größe des Atoms, es entweicht wie Wasserstoff gern aus allen möglichen Behältern.

Die Menge an Tritium in den Handyanhängern ist zwar wohl nicht gesundheitsgefährlich, überschreitet aber das in Japan erlaubte Level um das 26fache. Witzige Nebenbemerkung des Artikels: Da man in Japan eine Lizenz für das Arbeiten mit radioaktivem Material benötigt, haben wohl auch alle Käufer der Anhänger unwissend dieses Gesetz gebrochen.

Oh, und noch ein kleiner Punkt: Wieso wird in der Quelle ein Bild von transgenen Katzen gezeigt, die GFP bzw. RFP exprimieren? Mit Radioaktivität hat das jedenfalls nichts zu tun...

[via Greg Laden]

Autsch, MaxPlanckForschung!


Anscheinend hat man sich für die aktuelle Ausgabe des Magazins MaxPlanckForschung entschieden, passend zum Thema Forschung in China ein klassisches chinesisches Gedicht in chinesischen Schriftzeichen auf die Titelseite zu bringen. Laut dem Independent haben die es wohl aber fertig gebracht, stattdessen einen Werbetext eines Bordells aus Macau abzudrucken, der "heiße Hausfrauen" und "entzückende Darbietungen" anpreist. Auf der Titelseite. Gratulation!

Die Max-Planck-Gesellschaft hat sich mittlerweile zu dem Fauxpas geäußert, und die Schuld auf einen Sinologen geschoben, der gemeinerweise nicht auf die versteckte Bedeutung eines solchen Textes hingewiesen hat.
The Max Planck Institute was quick to acknowledge its error explaining that it had consulted a German sinologist prior to publication of the text. "To our sincere regret ... it has now emerged that the text contains deeper levels of meaning, which are not immediately accessible to a non-native speaker," the institute said in an apology. "By publishing this text we did in no way intend to cause any offence or embarrassment to our Chinese readers."
Außerdem wurde mittlerweile leider auch das Titelbild geändert [PDF].

[via BoingBoing]

Sonntag, November 30, 2008

Wiener G'schichten

Ich habe eine Entschuldigung, warum ich so lange nichts mehr geschrieben habe: Seit fast einer Woche bin ich in Wien am Gregor-Mendel-Institut! Und neben Museen und Christkindlmarkt lerne ich auch in der Gruppe von Karel Riha neue Methoden [1], die mich in meiner Arbeit voranbringen sollen.

Ansonsten wirds wohl noch eine weitere Woche nichts von mir geben, solange bin ich nämlich noch hier!


[1] Für die Interessierten.

Dienstag, November 18, 2008

Seeigelsex

Ich möchte euch heute ein wenig über ein kleines Projekt erzählen, das ich in meiner Studienzeit zusammen mit Ele von Selective Sweep durchführte.
Für eine meeresbiologische Exkursion war ne ganze Truppe Karlsruher Studenten zwei Wochen auf der italienischen Mittelmeerinsel Giglio [1]. Neben viel Schnorcheln samt Tiere sammeln und Bestimmen hatten Zweiergruppen auch eigene Themen zu bearbeiten - wir beide hatten Echinodermen, also Stachelhäuter, bekommen. Das hörte sich erst mal nicht sooo spannend an, muss ich zugeben. Und dann mussten wir uns auch noch Versuche zu dem Thema überlegen, die wir mit den begrenzten Mitteln auf Giglio durchführen konnten! Um es kurz zu machen, das Thema stellte sich natürlich als viel interessanter heraus als gedacht, und eines unserer Projekte war besonders spannend: Wir wollten Eizellen von Seeigeln künstlich befruchten und dann die Entwicklung der Larven über mehrere Tage mitverfolgen!

Das war in der Praxis dann gar nicht so einfach. Zunächst mussten natürlich Seeigel gesammelt werden. Also an nem felsigen Stück der Küste raus ins Wasser, und möglichst ohne große Verletzungen mehrere Vertreter einer Art einpacken. Ein Vorteil bei der Fortpflanzung von Seeigeln ist, dass sie im Meerwasser abläuft - Spermien und Eizellen werden in großen Wolken abgegeben, mischen und befruchten sich. Wir mussten unsere Igel aber dazu kriegen, auf Kommando abzulaichen. Das ist tatsächlich leichter als man vielleicht denkt: Durch Spritzen einer Lösung von Kaliumchlorid direkt in den Mundraum (ungefährlich für die Tiere) legen die sofort los. Wir mussten dann nur noch Spermien und Eizellen mischen, warten und in regelmäßigen Abständen Proben nehmen und am Mikroskop betrachten [2].
Das Tolle an der Geschichte: Der Versuch hat tatsächlich geklappt! Wir konnten Eizellen von Seeigeln künstlich befruchten, und konnten auch die Larvenentwicklung durch viele Stadien für mehrere Tage verfolgen. Etwas umständlich war es sogar möglich, durch das Okular des Mikroskops hindurch Bilder mit einer Digitalkamera zu machen. Davon will ich euch natürlich ein paar hier präsentieren [3]:

befruchtete Eizelle

Zweizellstadium, es schwimmen auch noch jede Menge Spermien rum

Vierzellstadium

Sechzehnzellstadium

Blastulastadium

Pluteuslarve

Warum habe ich eigentlich davon erzählt? Weil es ein tolles Video gibt, das genau so ein Projekt zeigt, nur mit eindrucksvolleren Bildern als unseren. Die haben eine besondere Art von Seeigel, den Sanddollar genommen, sonst lief das aber gleich ab, samt Ablaichen nach Spritzen von KCl. Wenn man die filigranen Larven der Seeigel sieht, die da im Wasser schwimmen, kann man fast nicht glauben, dass die erwachsenen Tiere für den Rest ihres Lebens auf dem Meeresboden rumliegen.


A Sea Biscuit's Life from Bruno Vellutini on Vimeo.



[1] Ich kann übrigens jedem Hobbytaucher nur empfehlen, mal dort einen Urlaub zu verbringen!
[2] So ganz einfach ist das auch nicht. Das größte Problem ist ein Verpilzen der Proben, da die Seeigel in Meerwasser ablaichen, und dieses Meerwasser dann natürlich auch nach der Befruchtung mehrere Tage lang unter optimalen Bedingungen für Pilze und Bakterien steht. Das Meerwasser für das Ablaichen musste also steril sein. Woher nehmen? Man(n) presst "einfach" mehrere Liter Meerwasser durch Filter mit feinsten Poren, die nur Wasser und gelöste Bestandteile durchlassen, alles über ein paar hundert Nanometer aber nicht.
[3] Um es nochmal zu betonen, die Bilder stammen nicht nur von mir, sondern auch von Ele. Genau genommen hat er sogar das Protokoll für diesen Versuch geschrieben. Also stattet ihm mal einen Besuch ab und grüßt ihn von mir!

Und als ob ich noch nicht genug Liebe von Google ergaunert hätte, hier noch einmal die Zusammenfassung dieses Posts: Ich zeige Fotos und sogar ein Video über den erzwungenen Sex von Seeigeln, die (und jetzt wirds abartig) durch Injektionen zum Ablaichen gezwungen wurden.

Arroganz als Vortragspersönlichkeit

Aus aktuellem Anlass folgt hier ein kurzer Aufreger über Unsitten beim Kolloquiumsvortrag.

Wenn Leute sich für einen Kolloquiumsvortrag treffen, dann hören sie meistens über ein Thema in dem sie sich nicht gut auskennen. Für den Vortrag unterbrechen sie ihre eigenen Arbeiten, um über die Fortschritte ihrer Kollegen in verwandten Disziplinen auf dem Laufenden zu bleiben. Mit diesem Hintergrund ist es mir total unverständlich, wie viele eingeladenen Gäste ihre Vorträge gestalten.
Wenn ich auf einen Vortrag eingeladen werde, um meine Ergebnisse zu präsentieren, dann sollte ich doch zumindest den Vortrag so anpassen, dass er wirkt, als wäre die Präsentation für den Anlass erstellt worden. Leider stimmt manchmal noch nicht mal der Ort auf der Titelseite. Das gibt den Zuhörern ein unheimlich tolles Gefühl gleich vom Start weg. In eine ähnliche Richtung geht auch ein zweiter Punkt - nicht jeder Vortrag dauert gleich lang, und wenn ich irgendwohin eingeladen werde und vorab gesagt bekomme, ich hätte etwa 45 Minuten Zeit, dann passe ich den Vortrag entsprechend an, oder? So selbstverständlich scheint das aber nicht zu sein. Über die Unart, dann während des Vortrags ein paar Folien zu überspringen kann ich ja noch hinwegsehen, auch wenn das schon unhöflich ist. Aber gestern abend bin ich einer Steigerung dieses Verhaltens begegnet: Wie bringt man in 45 Minuten ca. 70 bis 80 Folien mit Daten unter? Ganz einfach, man zeigt viele der Folien nur für ein paar Sekunden und erwartet von den Zuhörern, die essentiellen Daten selbst zu erkennen. Was soll das? Will uns der Vortragende damit zeigen, dass er ganz viele tolle Daten hat, dass wir nicht auf den Gedanken kommen er würde nichts arbeiten? Geht er davon aus, nur weil er diese Daten selbst schon zigmal gesehen hat können wir dem Allem mit einem Augenzwinkern folgen?
Letztlich bin ich recht verärgert aus dem Vortrag gegangen. Weil ich nicht wirklich viel von dem Vortrag mitgenommen habe, und das wenige bald vergessen werde. Das wenige was ich herauslesen konnte, sah recht interessant aus. Deshalb war ich umso enttäuschter, dass der Vortragende nicht einfach nur ein Drittel der Daten gezeigt hat, auf diese dafür aber ausführlicher einging. Die Stunde Kolloquium war jedenfalls verlorene Zeit für mich, die ich besser hätte nutzen können, beispielsweise indem ich meinen Schreibtisch aufgeräumt hätte.
Aber wieso machen die Leute so etwas? Wieso halten sie sich nicht an die einfachsten, eigentlich selbstverständlichen Regeln für einen Vortrag? Vielleicht auch wegen dem besonders schlimmen Vortrag von gestern abend bin ich mittlerweile der Meinung: manchmal einfach Arroganz. Warum sonst sollte jemand so offen zeigen, dass ihn weder die Umgebung interessiert, in der er seinen Vortrag hält, noch die kostbare Zeit der vielen Leute, für die er ihn hält?

Und dabei sollte jeder Wissenschaftler in dieser Situation doch eigentlich genau das Gegenteil zum Ziel haben: Ich möchte mit dem Vortrag möglichst viele Kollegen mit der Begeisterung anstecken, die ich selbst für mein Forschungsgebiet habe. Ich möchte, dass sie zumindest ein wenig von dem behalten, was ich erzählt habe. Letztlich möchte ich sogar, dass sie das nächste Mal, wenn sie ein Paper aus meinem Gebiet sehen, sich an den Vortrag erinnern und das Paper aus Interesse lesen, weil sie von mir eine theoretische Grundlage dazu bekommen haben. Leider sieht das wohl aber nicht jeder so.

Donnerstag, November 13, 2008

IBMP recap #1: DNA recombination

Mit mehr Verspätung als geplant fange ich also endlich mit der Zusammenfassung der Vorträge vom diesjährigen IBMP-Kolloquium "Integrative Plant Biology" an.

In der ersten Session ging es um DNA-Rekombination, also den Prozess, der Sequenzen zwischen zwei DNA-Molekülen austauscht. Einer der Sprecher war mein Chef, Holger Puchta, und über unsere Arbeiten werde ich demnächst sowieso noch schreiben, also spar ich mir das hier.

Der zweite Vortrag war von Barbara Hohn und befasste sich mit dem Einfluss der Umwelt auf die Genomdynamik, also all die vielen Prozesse, die den Zustand der DNA im Zellkern auf eine globale Weise regulieren. Klassischerweise sieht man den Einfluss der Umwelt auf die Evolution während der Selektion der Nachkommen. Nach den Ergebnissen von Barbara Hohn kann die Natur aber schon während dem Leben der Eltern auf vielfältige Weise die Rekombinationsrate beeinflussen, und dadurch eben auch neue Genkombinationen für die Evolution erzeugen.
Zur Messung der Rekombinationsrate wurden in ihrer Gruppe mehrere Reporterlinien erzeugt, die wir bei uns auch verwenden. Während aber wir mit diesen Reporterlinien die Rekombinationsrate zwischen Wildtyp und verschiedenen knockout-Mutanten vergleichen, um Gene finden zu können, die in die Rekombination involviert sind, will Barbara Hohn äußere Einflussfaktoren der Rekombination bestimmen.

Und davon gibt es jede Menge, die auch recht interessant sind: Ozon blockt UV-Strahlen, die in die Atmosphäre eindringen. Die Dosis UV-Strahlung, die ein Organismus abkriegt, hängt demnach von der Menge an Ozon in der Atmosphäre, und von dessen Höhe ab (mehr UV auf dem Berg als im Tal). Erhöhte UV-B Strahlung resultiert jedoch in einer erhöhten Rekombinationsrate.
Auch ein Pathogenbefall führt zu mehr Rekombination. Hier konnte außerdem gezeigt werden, dass es ein Signal geben muss, das die Rekombinationsrate hochreguliert. Wenn man beispielsweise ein Tabakblatt mit dem Tabakmosaikvirus infiziert, dann breitet dieses sich über Stunden bis Tage in der restlichen Pflanze aus, und man kann die Ausbreitung visuell mitverfolgen. Die Rekombinationsrate ist nicht nur im infizierten Gewebe erhöht, sondern immer auch in benachbarten Geweben, die nicht infiziert sind - es muss also ein Signal geben, das durch die Pflanze transportiert wird (schneller als das Virus), und die restlichen Zellen schon mal "vorwarnt".
Logisch erscheint eigentlich, dass ionisierende Strahlung, die Brüche in der DNA hervorruft, zu einer Erhöhung der Rekombinationsrate führt. Es ist jedoch richtig clever, wie dies mit den Reporterlinien von Barbara Hohn genutzt wird: Sie dienen nämlich in den Gebieten um Tschernobyl als Biomarker für die Strahlung aus der kontaminierten Erde. Die Reporterlinien sind nämlich so sensitiv, dass man sehr gut über die unterschiedlichen Rekombinationsraten an verschiedenen Orten auf die Hintergrundstrahlung vor Ort schließen kann.
Bis zum Schluss habe ich mir die meiner Meinung nach interessanteste Beobachtung von Barbara Hohns Forschung aufgehoben. Pflanzen haben eine "Erinnerung" an Stressfaktoren über mehrere Generationen hinweg! Dies wurde eher durch Zufall entdeckt. Bestrahlt man die Reporterlinien mit UV-B Strahlung, führt dies zu einer Erhöhung der Rekombinationsrate, wie ich oben ja schon beschrieben habe. Man findet jedoch auch eine erhöhte Rekombinationsrate in mehreren Generationen von Nachkommen dieser bestrahlten Pflanzen, die selbst nie bestrahlt wurden! Dieser Effekt ist auch mit anderen Induktoren der Rekombination reproduzierbar. Noch besser - auch wenn nur ein Elternteil mit UV-B bestrahlt wird, und nur ein Elternteil das Reporterkonstrukt trägt, haben die Nachkommen in allen möglichen Kombinationen dieser Zustände erhöhte Rekombinationsraten. Es ist bis jetzt noch nicht klar, was zu diesem Effekt führt. Die wahrscheinlichste Erklärung ist ein epigenetischer Effekt. Es handelt sich also nicht um Mutationen oder ähnliche Veränderungen der DNA-Sequenz, sondern Veränderungen der DNA-Struktur, die Bereiche zugänglicher oder weniger zugänglich für Prozesse wie die Rekombination machen. Ein ähnlicher Effekt konnte auch in Mäusen beschrieben werden, er scheint also auch in Tieren eine Rolle zu spielen.

Damit ist die erste Session abgeschlossen, im nächsten Teil geht es um Signalwege mit einer Rolle in Entwicklung und Pathogenabwehr.


Jean Molinier, Gerhard Ries, Cyril Zipfel, Barbara Hohn (2006). Transgeneration memory of stress in plants Nature, 442 (7106), 1046-1049 DOI: 10.1038/nature05022
R C Barber, P Hickenbotham, T Hatch, D Kelly, N Topchiy, G M Almeida, G D D Jones, G E Johnson, J M Parry, K Rothkamm, Y E Dubrova (2006). Radiation-induced transgenerational alterations in genome stability and DNA damage Oncogene, 25 (56), 7336-7342 DOI: 10.1038/sj.onc.1209723

Mittwoch, November 12, 2008

Von Bodensatz und Hochstaplern

Hier soll es um einen Ausdrucksfehler gehen, der mich in letzter Zeit immer öfter aufregt. Vor allem, weil er auch von einer ganzen Menge Leuten gemacht wird, die es eigentlich besser wissen sollten. Was ich meine? Die allseits verbreitete Unart, in biologischen Texten von "höheren" und "niederen" Organismen/Eukaryoten/Tieren/Pflanzen/etc. zu sprechen (entsprechend im Englischen "higher" und "lower"). Denn auch die ständige Verwendung dieser Begriffe ändert nichts daran, dass es diese zwei Gruppierungen schlicht nicht gibt, und dass sie schlimmer noch ein stark verzerrtes Bild der tatsächliches Verwandtschaft von Organismen zeichnen.

Ein Beispiel, wie ich es auch in Fachartikeln immer wieder lese, geht in etwa so: "Wir haben Gen/Protein X in der Maus untersucht und es hat Funktion Y. Da wir es über Sequenzvergleiche auch im Menschen, aber nicht in der Fruchtfliege Drosophila melanogaster finden, ist diese beschriebene Funktion den höheren Tieren vorbehalten, niedere Tiere müssen ohne Auskommen."
Hier wird willkürlich eine Grenze in den Tieren gezogen, die üblicherweise bei den Wirbeltieren liegt. Gehört der Organismus zur Gruppe der Wirbeltiere, ist es ein "höheres" Tier, wenn nicht, dann ist es ein "niederes" Tier. In diesem Fall ist die Unterscheidung zumindest noch soweit vertretbar, dass es innerhalb der Tiere wirklich ein Taxon "Wirbeltiere" (Vertebrata) gibt - aber wieso grenzen die Autoren dann die zwei Gruppen nicht mit dem etablierten Fachbegriff ab? Denn ein Problem mit der Verwendung von "höheren" und "niederen" Organismen wird schon in diesem einfachen Beispiel sichtbar: Die "höheren" Tiere stehen in einer angenommenen Rangfolge über den "niederen" Tieren. Dies geht auf eine veraltete und lange widerlegte Sicht der Verhältnisse der Organismen zurück, die beispielsweise auch Linné noch teilte: die scala naturae, die eine hierarchische Rangfolge aller Objekte im Universum postuliert. Demnach stehen ganz unten unbelebte Dinge wie Steine, darauf folgen Pflanzen, die ja schon leben. Wichtiger als Pflanzen sind Tiere, da sie sich auch bewegen können. Der Mensch bildet die Krone der Schöpfung, und ganz oben sitzt Gott. Demnach kann man verstehen, warum die Wirbeltiere höher als Invertebraten stehen sollen - der Mensch ist auch ein Wirbeltier. Das Problem daran: Wir wissen aus verschiedenen Quellen, dass alle heute lebenden Organismen auf einen einzigen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass alle dieser heute lebenden Organismen gleich "alt" sind und die Evolution gleich lange auf ihre Vorfahren gewirkt hat. Was ganz sicher nicht stimmt ist, dass die heute lebenden Organismen verschiedene Stufen auf einer Leiter sind, die zum Menschen hinführt. Auch das Argument der unterschiedlichen Komplexität der Organismen zieht nicht, weil alle Organismen prinzipiell bestangepasst für ihren aktuellen Lebensraum sind. Wenn dieser Lebensraum eine einzellige Lebensweise bevorzugt, dann sagt das verständlicherweise nichts über einen möglichen Stand es darin lebenden Organismus in der Rangfolge des Lebens aus.

Die Sichtweise der scala naturae für eine Unterscheidung in "höhere" und "niedere" Tiere ist also nicht haltbar. Warum es mit der inflationären Verwendung dieser Begriffe aber noch ein anderes Problem gibt, möchte ich auch kurz anreißen. Wenn wir den Blick nämlich ein wenig weiter als nur die Tiere schweifen lassen, wird offensichtlich, dass viele Autoren über die Verwandtschaftsverhältnisse der Organismengruppen hier auf der Erde nicht viel Ahnung haben, oder dass sie ihnen zumindest zum Zweck eines einfachen Arguments egal sind. Hin und wieder kommt es nämlich vor, dass in Fachartikeln auch Organismen außerhalb der Tiere in den Vergleich einbezogen werden. Meistens handelt es sich dabei um den klassischen eukaryotischen Modellorganismus, die einzellige Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae. Noch seltener werden auch Pflanzen mit untersucht. Wenn das passiert, dann ist der Grimassenfaktor bei der Diskussion von "höheren" und "niederen" Eukaryoten aber besonders hoch:
Sehr oft findet man im Vergleich von mehrzelligen Tieren und mehrzelligen Pflanzen genetische Gemeinsamkeiten, die in vielen einzelligen Eukaryoten, egal ob Tier, Pilz oder Pflanze, nicht zu finden sind. Darum sprechen diese Leute dann von "höheren" Eukaryoten und meinen Organismen wie den Menschen, die Maus, Reis, Mais und Arabidopsis, und von "niederen" Eukaryoten und meinen dann die einzellige Alge Chlamydomonas rheinhardtii, die Bäckerhefe, eine der Amöben mit durchsequenziertem Genom, etc. Hier tritt nun ein großes Problem auf, das in dem Beispiel oben mit der Unterscheidung von zwei großen Tiergruppen (Vertebraten - Invertebraten) noch nicht vorhanden war. Es werden Verwandtschaftsgruppen zwischen Organismen gebildet, die keineswegs so direkt miteinander verwandt sind.
Beispiel Maus und Arabidopsis. Um den gemeinsamen Vorfahren von der Maus und Arabidopsis zu finden, muss ich von beiden Organismen aus immer die nächstverwandten Arten zu Gruppen zusammenfassen, bis ich schließlich eine Organismenmenge habe, die sowohl Maus, als auch Arabidopsis beinhaltet. Dabei lande ich von der Maus aus (in großen Sprüngen) über Nagetiere, Wirbeltiere, Bilateria, Tiere (Metazoa), Tiere/Pilze bei einem ursprünglichen Eukaryoten, der mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einzellig war. Von Arabidopsis aus kommt man ebenfalls zu diesem ursprünglichen Organismus. Auf dem dorthin begegne ich aber jeder Menge "niederer" Eukaryoten! Wie gesagt, Wirbeltiere und Samenpflanzen sind nicht direkt miteinander verwandt...

Ich denke, das wird auch aus dieser Abbildung hier sehr deutlich. Die "höheren" Eukaryoten sollen jeweils ein Teil (!) der beiden rot eingekreisten Taxa sein, der Rest darf sich "niederer" Eukaryot schimpfen.
(aus Keeling PJ et al. 2005, Trends in Ecology & Evolution)
Also, um zusammenzufassen: Die Unterscheidung von "höheren" und "niederen" Organismen macht aus vielen Gründen keinen Sinn, sie ist sogar irreführend. Ich kann verstehen, dass ein Autor gerne seine Ergebnisse übersichtlich vergleichen möchte. Aber wieso werden dann nicht Bezeichnungen verwendet, die nicht so problematisch sind? Dazu muss man sich fragen: Was unterscheidet Samenpflanzen und Wirbeltiere von den meisten anderen Eukaryoten? Sie sind mehrzellige Organismen, während praktisch alle Gruppen in der Abbildung oben ohne roten Kreis Einzeller sind. Dieser Unterschied hat verständlicherweise einen großen Einfluss auf die Lebensweise des Organismus - es wundert also nicht, dass die "höheren" Eukaryoten zu ähnlichen Problemen - der mehrzelligen Lebensweise - ähnliche Lösungen gefunden haben. Um unser Problem zu lösen reicht meiner Meinung nach eben, wenn man jedes "höhere" und "niedere" durch einzellige und mehrzellige ersetzen würde.

Und es ist mittlerweile dringend nötig, nicht mehr von "höheren" und "niederen" Organismen zu sprechen. Wenn Studenten Vorträge halten oder Texte verfassen, verwenden sie diese Begriffe natürlich gern, weil sie so griffig sind. Als Betreuer darf man dann immer darauf hinweisen, dass diese Begriffe nicht korrekt sind. Was in großen, ungläubigen Augen seitens der Studenten resultiert, schließlich stand das ja so in zig Papern, die sie gelesen haben...Letzten Endes erziehen wir uns durch die falsche Verwendung dieser beiden Worte also eine Generation von Wissenschaftlern, die sie schon aus dem Studium kennen und darum noch unkritischer verwenden werden. Dem tatsächlichen Verständnis beispielsweise von Proteinfunktionen zwischen verschiedenen Organismen tut das aber sicher keinen Gefallen!

Samstag, November 08, 2008

Wenn die da oben sagen es macht nix, dann muss es ja schlecht sein

Weils so schön ist gleich noch was Witziges zum Ansehen. Gefunden bei boingboing gadgets. Ich kann mir richtig den reverse psychology Effekt von diesen Schildern vorstellen ;-)

Vor der Angst vor "Handystrahlen" kam also die Angst vor diesem neumodischen Kram namens Elektrizität. Können die nicht wie die Generationen vor ihnen einfach ne Kerze anmachen? Romantischer ists eh! Diese negative Einstellung dem Fortschritt gegenüber ist also wohl älter als man denkt. Ich stelle mir jetzt gerade vor, der fortschrittliche gegen den fortschrittsfeindlichen Ritter: "Mein Vater hat auch mit ner Lederrüstung in den Krieg ziehen können, wieso sollte ich jetzt anfangen mit diesem komischen Kettenhemd?"

Irgendwie ist dieser Post jetzt viel negativer rausgekommen als beabsichtigt. Liegt möglicherweise auch an den Schmierereien, die neuerdings um die Uni rum zunehmen. Naja, einfach ignorieren und lachen!

Laborjournal-E

Die Titelseite des aktuellen Laborjournal kam mir irgendwoher bekannt vor...hmmm...Zufall oder Absicht? Was meint ihr? Einen Zusammenhang mit dem Titelthema kann ich jedenfalls nicht erkennen. Trotzdem genial!

Montag, November 03, 2008

Cute und Ugly

Die meisten werden Cute Overload wohl kennen. Und um die tägliche Dosis Toyger, E.T.-Katze an Halloween, Hundewelpen oder Tiere im Ausschnitt (ja, dazu gibt es ne ganze Kategorie) zu bekommen, gibt es wohl keine bessere Seite. Interessante Informationen über die gezeigten Tiere sind neben den Würgereflex trainierenden übersüßen Kommentaren aber meistens nicht zu finden.

In die Bresche springt das noch recht neue Blog ZooBorns. Hier liegt der Schwerpunkt wie der Name schon verrät auf süßen, neugeborenen Tieren aus den Zoos dieser Welt. Anders als bei Cute Overload erhält man über die gezeigten Arten aber auch immer was spannendes zu lesen. Bestes Beispiel ist ein Artikel über einen neugeborenen Stummelaffen im Denver Zoo. So wird beispielsweise klar, woher die Stummelaffen eigentlich ihren Namen haben - ihr Daumen ist im Vergleich mit anderen Affen verkürzt.
Im Gegensatz zu den erwachsenen Tieren haben junge Stummelaffen ein weißes Fell, das später nur um das Gesicht, an einem seitlichen Streifen und am Schwanz hell bleibt.

Aber auch von der Pflanzenseite gibt es tolle Bilder, Botany Photo of the Day sei Dank! Diese vom Centre for Plant Research des UBC Botanical Garden in Vancouver, Kanada betriebene Seite liefert genau das, nämlich jeden Tag ein neues botanisches Bild.
Als Vorbereitung zu Halloween gab es vor ein paar Tagen diese Orchidee zu bewundern, Dracula simia. Den Text dazu möchte ich euch nicht vorenthalten:
"I want to suck your blood!" Although Ecuador and Transylvania are on separate continents, this gorgeously creepy orchid was named Dracula simia by the botanist Luer in 1978. Although this small orchid is not at all parasitic, one can see its resemblance to the "popped collar" cape of the popular representation of Dracula. Also, the spurs on the ends of the three petals somewhat resemble the fictional Dracula's fangs. The name Dracula literally translates to "little dragon", whereas the specific epithet simia translates to "monkey". The genus Dracula contains 120+ known species. Dracula simia is from the cloud forests of southeast Ecuador, where it grows at elevations between 1000-2000 meters (3250-6500 feet). In general, species of Dracula enjoy cooler temperatures -- do not let their environments exceed 27 degrees C (80 degrees F). They also enjoy a humid environment (80-90%) with a slight breeze.
Bis zum Schluss dieses Posts habe ich mein liebstes Blog mit biologischen Bildern aufgehoben, Ugly Overload. Ursprünglich als Gegengewicht zu Cute Overload gestartet, hat diese Seite einen viel höheren Stellenwert in meinem Feedreader eingenommen. Viele Posts zeichnen sich durch den Humor des Betreibers aus, wie etwa hier über Schnecken und Insekten:
I've looked into the eyes of an elephant and sworn I saw an intelligent mind looking back at me. I've looked into the eyes of a puma that was being walked past me within a couple of feet and sworn I saw unmitigated malevolence. But I've had zero reaction when looking a slug in the eyes.

I believe you are now looking a black slug (Arion ater) in the face. Also known as the black menace, this slug is an unwelcome addition to any lawn or garden. Their nasty-tasting slime is a deterrent to most would-be hunters, but some animals still hunt them (can you really hunt a slug? at least, with any pride in calling it hunting?). Just keep some hedgehogs or badgers in your garden, and voila, no slugs. But then you're stuck with pesky hedgehogs and badgers.

Last we have a gray bug from Pennsylvania. I think it's some variant of a squash bug. But there are roughly 1,800 species in the Coreidae family, so I can't get more specific. Suffice it to say that this bug probably just dined on *gasp* a squash or other food plant of some sort. Again, no emotional reaction from looking it in the eye. Maybe that's just my 'higher order animal' bias. I'm such a bigot.
Jede Menge andere Posts sind aber sehr informativ, ohne diesen Witz aufzugeben. Ein sehr gutes Beispiel ist der Beitrag über die Vampirmotte von heute, den ich komplett zitieren möchte weil er so gut ist:
What better way to bring in November (and mark the day after Halloween) than with the vampire moth? I know, at first mention the vampire moth may not instill any dread in you. But, please, read on.

The vampire moth was recently discovered in Russia, in two separate populations. This moth has forsaken the traditional fruit in favor of the forbidden fruit: human blood. What's amazing about this moth is it is virtually indistinguishable from its fruit-eating cousins of the same species (Calyptra thalictri).

See that moth perched on that finger? See its tongue, how it has a nice red tint to it? That's because this researcher offered up his finger, and the moth obliged him by drilling into his finger with its hook-and-barb-lined tongue and tapping it for blood.

The vampire is virtually indistinguishable from the fruit-eating variety. Only minor variations in the wing pattern would give you any warning that the moth fluttering about the lamp post is sniffing you out for blood.

Some researchers see this adaptation as a means of getting greater insight into how insects move from eating nectar to eating blood. Here's one possible progression: lapping at nectar to behaviors that result in drilling into fruit to eating tears and dung and pus-filled wounds to using that same drilling technique to dine on blood.

Not the most wholesome progression, but progress none the less. I can imagine grandpa moth saying, "Ah, back in my day we didn't eat puss and blood like the rascals these days. We ate fruit! That's the way it was, and that's the way we liked it!"

On the positive side, though you may not be able to distinguish the vampire from its benign form, you can protect yourself. They can't enter your home without your permission, they're allergic to sunlight and garlic, and they can't cross running water. It's unknown if they have any other forms (gaseous, wolf, bat, etc.), though the moth below does have a bat-like quality to it.
Oh, und für die ganz hartgesottenen gibt es natürlich noch Catalogue of Organisms. Der Untertitel "An inordinate fondness for systematics" fasst es eigentlich sehr gut zusammen. Das soll nicht heißen, dass CoO schlecht wäre, dort geht es nur im Vergleich mit den anderen hier vorgestellten Blogs sehr detailreich zu. Ich ziehe den Hut vor dem Autor Christopher Taylor, der als Doktorand mit einer Spezialisierung auf die Systematik von Weberknechten solch umfassende Posts über praktisch jede Tier- und Pflanzengruppe schreiben kann, egal ob heute lebend oder ausgestorben. Bestes Beispiel: seine aktuelle Reihe über prähistorische Kopffüßer.

Viel Spaß beim Lesen und Bilder betrachten!

Samstag, November 01, 2008

Wissenschaftliche Berater des zukünftigen US-Präsidenten

Beim IBMP-Meeting in Strasbourg kam ein interessanter Punkt auf, der mit dieser bereits recht berühmten Nature Ausgabe zu tun hat:
[via Not Exactly Rocket Science]

In dem NewsFeature Artikel "US election: The home stretch" von Alexandra Witze in dieser Ausgabe von Nature (der wahrscheinlich wie fast alles von Nature nicht frei zugänglich ist) geht es unter anderem auch um die wissenschaftlichen Berater der beiden Präsidentschaftskandidaten. Und ohne Namen zu nennen kriegt man von dieser Liste einen recht guten Eindruck, wie Obama und McCain zu Wissenschaft stehen beziehungsweise was sie sich unter Wissenschaft vorstellen.

Kurz zusammengefasst sieht das Ganze nämlich so aus:


Wissenschaftsberater von Obama
  • ein Nobelpreisträger, Leiter des Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York und früherer Leiter der National Institutes of Health
  • ein Astrophysiker
  • der Präsident der Federation of American Scientists (früherer Assistant Director of Technology von Präsident Bill Clinton)
  • ein Professor für Medizin und Humangenetik
  • eine Biologin von Stanford
  • locker angebunden sind 3 weitere Nobelpreisträger vom MIT, dem Johns Hopkins Malaria Research Institute und dem Stanford Linear Accelerator Center
Wissenschaftsberater von McCain
  • ein Mitglied des Senatskommitees für "Commerce, Science and Transportation"
  • ein früherer CEO von HP
  • ein früherer CEO von eBay
  • der CIA-Direktor unter Clinton
  • Reagans Berater für nationale Sicherheit
  • der Verteidigungsminister und Nixon und Ford und Energieminister unter Carter
  • der Berater von Karl Rove und Dick Cheney
Fällt jemandem was auf? In ein paar Tagen werden wir wissen, ob der Wind der Wissenschaftlern entgegenweht eher angenehm oder eisig sein wird.

Mittwoch, Oktober 29, 2008

Meta: es bleibt hier eher ruhig

Eigentlich will ich ja noch über das IBMP-Meeting berichten. Außerdem sollte endlich mal wieder ein Beitrag für die DNA-Struktur Serie geschrieben werden. Ein paar Paper sind mir auch wieder untergekommen, über die ich was erzählen möchte. Nur leider momentan nicht - die Arbeit geht vor, und davon hab ich gerade mehr als genug.
Arbeit zu unsäglichen Zeiten hat aber zumindest bei mir den Nebeneffekt, dass ich mir Heimspiele des KSC nicht im Radio anhören muss, ich kann einfach das Fenster im Labor aufmachen. So wie gestern abend beispielsweise...

Freitag, Oktober 24, 2008

Für die Zahlensüchtigen: BioNumbers

Ich weiß nicht ganz warum, aber das Stöbern in großen Ansammlungen von aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen übt einen gewissen Reiz auf mich aus. Es sollte darum auch niemanden wundern, dass ich sowohl Rainer Flindts "Biologie in Zahlen. Eine Datensammlung in Tabellen mit über 10.000 Einzelwerten" (amzn), als auch Stewart Scherers "A short guide to the human genome" (amzn) immer wieder gerne zur Hand nehme und darin stöbere.

Jetzt bin ich dank dem Evolutionsbiologen Prof. Axel Meyer von der Uni Konstanz auf die nächste logische Stufe der Zahlensammelei aufmerksam geworden: BioNumbers, the database of useful biological numbers. Dort kann man dann beispielsweise innerhalb von wenigen Minuten lernen, dass 25-60% (!) der Gesamtmenge von löslichem Protein in C3-Pflanzen das für die Photosynthese wichtige Protein Rubisco stellt. Die Fläche der menschlichen Haut beträgt 1,6-1,8 m2. Die Ribosomen von E. coli hängen während der Translation pro Sekunde 12-21 Aminosäuren an die wachsende Proteinkette und haben ein Volumen von 4200 nm3 (1396 nm3 ohne das Volumen des Lösungsmittels).
Die Zahlen werden in BioNumbers natürlich nicht einfach so hingeklatscht, sondern mit jeder Menge von Metadaten untermauert. So muss für jeden Eintrag ein Verweis zu einer Veröffentlichung vorhanden sein, in der der Wert genannt wurde. Oft werden ausführliche Kommentare zugefügt, die Aufschluss über Besonderheiten bei der Messung des Wertes oder über Einschränkungen seiner Anwendbarkeit geben.

Ich bezweifle, dass man als Wissenschaftler sehr großen Nutzen aus diesen Zahlen gewinnen kann. Vielleicht könnten sie helfen, bestimmte Themen in einer Vorlesung zu untermauern. Aber andererseits will man die Studenten heutzutage nicht mehr stur Daten auswendig lernen lassen, sie sollen doch verstehen. Es wäre also eher die unnütze, aber witzige Info am Rande. Trotzdem habe ich mich ertappt, wie ich viel zu lange in den Einträgen stöbere statt zu arbeiten...

[via Brightsblog]

Mittwoch, Oktober 15, 2008

Kolloquium "Integrative Plant Biology"

Donnerstag und Freitag werde ich mich auf dem Kolloquium "Integrative Plant Biology" des Institut de Biologie Moléculaire des Plantes (IBMP) in Straßburg befinden.
Dieses findet im Rahmen des 20jährigen Jubiläums des IBMP statt, und führt einen mittlerweile sehr starken Verbund von Forschungseinrichtungen und Universitäten im Grenzbereich der drei Länder Deutschland, Frankreich und Schweiz zusammen. Da dies kein Meeting zu einem bestimmten Thema ist, freue ich mich auch schon auf die Vielzahl unterschiedlicher Vorträge an beiden Tagen - neben DNA Reparatur und Rekombination, mit der ich vertraut bin, geht es auch um Signalwege und Pathogenabwehr, Entwicklungsgenetik, gene silencing und Epigenetik, und schließlich Biotechnologie. Damit wird also ein sehr breites Spektrum abgedeckt! Ich glaube nicht, dass ich gleich morgen und übermorgen über die Vorträge berichten kann, aber ich will auf jeden Fall in den nächsten Tagen kurz vorstellen, was ich alles gehört habe.

Ich werde außerdem gleich morgen ein Poster präsentieren, das die neuesten Ergebnisse unserer Arbeitsgruppe zeigt. Sobald die Ergebnisse daraus publiziert sind (wir warten jeden Tag auf die Annahme) werde ich das Poster auch hier reinstellen.

Dienstag, Oktober 14, 2008

Weise Worte

"The scientist does not study nature because it is useful; he studies it because he delights in it, and he delights in it because it is beautiful."

- Henri Poincaré

Soviel zu all den Sprüchen, Wissenschaft würde den Sinn des Wunderbaren aus der Welt auslöschen. Und auch wenn ich das Gedicht hier schon mal gepostet habe, es bleibt einfach genial:
Organic life beneath the shoreless waves
Was born and nurs'd in ocean's pearly caves;
First forms minute, unseen by spheric glass,
Move on the mud, or pierce the watery mass;
These, as successive generations bloom,
New powers acquire and larger limbs assume;
Whence countless groups of vegetation spring,
And breathing realms of fin and feet and wing.

- Erasmus Darwin. The Temple of Nature. 1802.

Außerdem hat mich beides an diesen einen Cectic Comic erinnert.

Sonntag, Oktober 12, 2008

Was uns Forschung an Pflanzen über Parasiten sagt

ResearchBlogging.orgIch bin vor ein paar Tagen über ein Paper gestolpert, eher durch Zufall. Es ist auch schon ein paar Monate alt. Als ich dann aber so da lag und mein Knie rieb (OK, der war flach...), kam mir der Inhalt des Artikels immer interessanter vor. Denn es verbindet tatsächlich auf seinen wenigen Seiten so grundverschiedene Themen wie Pflanzenphysiologie, Parasitologie, Evolution und (Tropen)medizin [1]. Ich denke ich werde den Hintergrund auch mal in der Reihenfolge angehen.

Was hat das mit Pflanzenphysiologie zu tun?
Phytohormone sind sind pflanzliche Botenstoffe, die Wachstum und Entwicklung des Organismus regulieren. Sie wirken also ähnlich wie tierische Hormone, Endokrinologen kriegen bei der Bezeichnung trotzdem ne Gänsehaut vor Ekel. Die klassischen Phytohormone sind, mit sehr unterschiedlichen und teils gegensätzlichen Wirkungen, Auxine, Cytokinine, Gibberelline, Ethylen und die Abscisinsäure [2]. Wichtig für das Paper ist die letztgenannte Abscisinsäure (ABA, vom englischen abscisic acid).
Ihrer Biosynthese nach ist die ABA ein Sesquiterpen (woher dieser komische Name kommt ist noch wichtig, wird gleich erklärt, versprochen!). Eine ihrer wichtigsten Eigenschaften versteckt sich schon in ihrem Namen, sie ist nämlich für die Abszission (also den Abwurf) der Blätter und Früchte verantwortlich. ABA ist ein inhibitorische Phytohormon, das die wachstumsfördernden Signale anderer Phytohormone unterdrückt. So werden neben Laubfall auch Prozesse wie Alterung, Blütenbildung, Samenruhe und viele weitere streng reguliert.

Und jetzt Parasiten?
Der Stamm der Apicomplexa umfasst viele einzellige Eukaryoten, die alle (!) als tierische Parasiten leben. Bekannte Vertreter dieses Stammes sind Plasmodium-Arten, die Malaria hervorrufen, Toxoplasma gondii (Toxoplasmose), Babesia sp. (Babesiose) oder Cryptosporidium sp. (Kryptosporidiose). Üblicherweise haben Apicomplexa einen komplexen Lebenszyklus, der sowohl sexuelle als auch asexuelle Reproduktion in verschiedenen Wirten umfasst. Zudem findet normalerweise zumindest ein Stadium der Entwicklung innerhalb der Zellen des Wirtes statt (etwa in roten Blutkörperchen bei den Malaria-Erregern Plasmodium).
Alleine mit Malaria werden jährlich weltweit etwa 300 - 500 Millionen Menschen neu infiziert, 1,5 - 2,7 Millionen Menschen sterben an der Infektion.

OK, jetzt zur Evolution!
Das hat mit der Endosymbiontentheorie von Lynn Margulis zu tun. Es geht dabei um die Frage, wie aus den Zellkern-losen Bakterien (Prokaryoten) die Organismen mit Zellkern (Eukaryoten, also Pflanzen, Pilze und Tiere) entstanden. Die Endosymbiontentheorie besagt, dass ein Bakterium oder ein früher Eukaryot ein anderes Bakterium (wahrscheinlich ein α-Proteobakterium) in seine Zelle aufnahm. Doch anstatt es wie üblich zu verdauen gingen beide eine Symbiose ein. Aus diesem Endosymbionten wurde schließlich das Organell der Eukaryoten, das oft auch als das "Kraftwerk der Zelle" bezeichnet wird, das Mitochondrion. Bei der Entwicklung der Pflanzen kam es zu einer weiteren Endosymbiose. Ein früher Eukaryot, der bereits Mitochondrien besaß, nahm ein anderes Bakterium in die Zelle auf, ein zur Photosynthese fähiges Cyanobakterium. Daraus entstanden die Plastiden, also Zellorganelle der Pflanzen, die sich beispielsweise zu Chloroplasten entwickeln und den Pflanzen ihre photosynthetischen Eigenschaften geben.


Diese Überlegungen sind mittlerweile auf zahlreichen Ebenen gut abgesichert. So besitzen sowohl Mitochondrien, als auch Plastiden in den Zellen eigene kleine Genome. Die Gene passen aber nicht zu eukaryotischen, sondern zu prokaryotischen Genen! Außerdem ist das komplette System um die DNA herum (Replikation, Transkription und Translation) nach bakteriellem Vorbild aufgebaut.

Zurück zu unseren Parasiten
Was ich eben beschrieben habe, nennt man primäre Endosymbiose, also die Aufnahme eines Bakteriums in die Zelle, aus der sich ein symbiotisches Zellorganell entwickelt. Verschiedene Arten sind aber noch einen Schritt weitergegangen, darunter auch die Apicomplexa: Bei einer sekundären Endosymbiose wird ein Eukaryot in die Zelle aufgenommen, der bereits einen primären Endosymbionten enthält! Der Name der Apicomplexa kommt von einem solchen sekundären Endosymbionten, denn sie besitzen an der Spitze (api-) der Zelle ein Organell namens Apicoplast, das auf eine einzellige Alge zurückzuführen ist. Das bedeutet letztlich, dass diese Tiergruppe eine einzellige Pflanze in ihre Zellen aufgenommen hat! Sehr deutlich wird das, wenn man sich das Genom des Apicoplasten ansieht - es enthält pflanzliche photosynthetische Gene [3].
Ebenfalls enthalten im Genom des Apicoplasten ist ein kompletter Syntheseweg, den man nur in Pflanzen findet: Der alternative Weg zur Synthese von Isoprenioden (alternativ auch als Terpenoide bezeichnet), oder DOXP/MEP-Weg [4]. Über diesen Weg werden jede Menge wichtige Stoffe hergestellt, beispielsweise Carotinoide , Steroide, Gibberelline, und eben auch die Abscisinsäure. Da Apicomplexa die einzigen Tiere sind, die diesen eigentlich pflanzenspezifischen Weg besitzen, wurde er schnell als ein gutes Ziel zur Bekämpfung dieser Parasiten erkannt. Malaria wird bespielsweise mit Fosmidomycin bekämpft, das ein zentrales Enzym des DOXP/MEP-Weges hemmt.

Jetzt endlich zum Paper
Nachdem nun also alle nötigen Vorkenntnisse da sind will ich wenigstens kurz was zu dem Paper selbst sagen ;-). Kisaburo Nagamune und Kollegen untersuchten aufgrund dieses Wissens den Parasiten Toxoplasma gondii auf mögliche molekulare Mechanismen in Verbindung mit ABA.
Calcium ist ein wichtiges zelluläres Signal in Tieren und Pflanzen, über das verschiedenste Signalwege reguliert werden. Im Artikel konnte gezeigt werden, dass T. gondii in seinem Apicoplasten ABA produziert, und dass deren Menge die Calcium-Konzentration in der Zelle reguliert. Die außerliche Gabe von ABA führte ebenfalls zu einer konzentrationsabhängigen Zunahme der Calciumkonzentration, und hatte außerdem die üblichen Folgen von Calciumsignalen in dem Parasiten, unter anderem das Verlassen der Wirtszelle (wie gesagt, Apicomplexa leben in einem ihrer Stadien innerhalb der Zellen des Wirtes).
Ein gut bekanntes Herbizid ist Fluridon, das über die Hemmung der ABA-Synthese zum Absterben von Pflanzen führt. Dies haben die Autoren auch auf T. gondii getestet, und konnten ein entsprechendes Verhalten des Parasiten zeigen: Weniger Calcium, darum auch keine der davon abhängigen Signale, und letztendlich auch kein Verlassen der befallenen Zelle durch den Parasiten. Dies hat eine sehr wichtige Folge, da sich der Parasit dadurch nicht mehr im Wirtsorganismus selbst ausbreiten kann, und auch keine Nachkommen etwa über den Kot des Wirts in die nächste Runde des Fortpflanzungsmechanismus schicken kann! Dies zeigte sich gut im Tierversuch: Bereits nach 13 Tagen waren ca. 80% der mit T. gondii infizierten Mäuse gestorben, während fast alle der zusätzlich mit Fluridon behandelten Mäuse überlebten. Da Fluridon wie gesagt ein bereits als Herbizid eingesetzter Stoff ist, sind Daten zur Gefährlichkeit gegenüber Tieren vorhanden. Da der gesamte Stoffwechselweg in Tieren (außer Apicomplexa natürlich) nicht vorhanden ist, ist auch Fluridon nur wenig toxisch in Säugern. Dies zeigt also zu einem sehr vielversprechenden Kandidaten, mit dem sich Infektionen von Toxoplasma, aber sehr wahrscheinlich auch anderen Apicomplexa wie Plasmodium, bekämpfen ließen. Bedenkt man das enorme Ausmaß an jährlichen Neuinfektionen und Todesfällen, die auf die Apicomplexa zurückzuführen sind, stellt diese Entdeckung einen neuen Hoffnungsschimmer dar.

Toxoplasma tötet nicht direkt, aber!
Abschließend will ich noch auf interessante Beobachtungen im Zusammenhang mit Toxoplasma eingehen. Über die Malariaerreger Plasmodium sp. ist bereits viel bekannt. Das ist für T. gondii nicht der Fall, weil infizierte Menschen oft symptomlos sind, oder nur leichte grippeähnliche Symptome zeigen. Eigentlich sind Katzen der Endwirt von Toxoplasma. Nur in ihren Körpern kann er sich sexuell fortpflanzen und somit den komplexen Reproduktionskreislauf schließen. Als Zwischenwirt dienen Nager, Katzen infizieren sich mit Toxoplasma, indem sie infizierte Nager erlegen. Anders als Plasmodium lebt T. gondii aber nicht in roten Blutkörperchen, sondern im Zwischenwirt (und im Fehlwirt Mensch) in Muskeln und Gehirn. Und gerade im Gehirn beeinflusst der Parasit seine Chancen, vom Endwirt Katze aufgenommen zu werden. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Nager normalerweise eine Angstreaktion zeigen, wenn sie Katzenurin riechen, und flüchten. Diese Reaktion wird von Toxoplasma unterdrückt, so dass die Wahrscheinlichkeit eines infizierten Nagers viel größer wird, von einer Katze gefressen zu werden.
Diese Beobachtung ist die Basis für die Vermutung von Forschern wie Kevin Lafferty in einem Artikel von 2006, dass Toxoplasma auch das Verhalten von infizierten Menschen beeinflussen könnte. Und es sind gar nicht so wenige Menschen mit dem Parasiten infiziert als man vielleicht denkt: In Deutschland besitzen etwa 60% der Bevölkerung Antikörper gegen Toxoplasma, waren also in ihrem Leben schon mindestens einmal damit infiziert. Die akute Infektionsrate ist zwischen den Ländern unterschiedlich. In Großbritannien sind ca. 7% der Bevölkerung akut infiziert, während es in dem wärmeren und feuchteren Klima Brasiliens fast 70% sind! Eine Beeinflussung des Verhaltens durch den Parasiten bei einer so hohen Infektionsrate wäre wirklich enorm.
Womit wir in das Reich der nicht unumstrittenen Beobachtungen kommen. Aufgrund von Korrelationsstudien zwischen Ländern konnte Lafferty zeigen, dass das Vorkommen von Neurotizismus in vielen Ländern mit dem Level an Toxoplasma-Infektionen korreliert. In Ländern mit einer hohen Infektionsrate war auch eher eine männliche Orientierung der Gesellschaft auf Arbeit, und Geld statt Menschen und Beziehungen festzustellen.
Wie gesagt, hierbei handelt es sich nur um Korrelationen, und es steht keinesfalls fest, dass eine Infektion eines Menschen direkt dessen Verhalten beeinflusst. Schließlich könnte es sich hier auch einfach um einen Zufall handeln, bei dem die äußeren Bedingungen wie das Klima, die eine Infektion mit Toxoplasma fördern, auch bestimmtes menschliches Verhalten bevorzugen. Trotzdem ist das ein sehr spannender Gedanke, dass ein einfacher Parasit, der eigentlich gar nicht in den Menschen will, ganze Gesellschaften beeinflussen könnte!


[1] Demnächst vielleicht dann auch Medizin der mittleren Breiten. Die Tigermücke Aedes albopictus, Vektor von Viruserkrankungen wie Chikungunya und dem Gelbfieber, hat es schon über die Alpen geschafft.
[2] Mittlerweile ebenfalls etabliert sind Brassinosteroide und Jasmonate.
[3] Diese Gene sind aber in den Apicomplexa inaktiv. Dort wo die sich aufhalten (im Körper anderer Tiere) kommt eh nicht so viel Licht an.
[4] in lang wäre das 1-Deoxy-D-Xylulose-5-Phosphat/2C-Methyl-D-Erythritol-4-Phosphat-Weg. Darum lieber die Abkürzung...

Kisaburo Nagamune, Leslie M. Hicks, Blima Fux, Fabien Brossier, Eduardo N. Chini, L. David Sibley (2008). Abscisic acid controls calcium-dependent egress and development in Toxoplasma gondii Nature, 451 (7175), 207-210 DOI: 10.1038/nature06478
Kevin D. Lafferty (2006). Can the common brain parasite, Toxoplasma gondii, influence human culture? Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 273 (1602), 2749-2755 DOI: 10.1098/rspb.2006.3641

Die Nobelpreise 2008 für Life Sciences

Mit dem Preis für Physiologie oder Medizin am Montag und dem für Chemie am Mittwoch sind die möglichen Kategorien für Biologen in der diesjährigen Nobelpreisrunde durch. Die Preisträger für Medizin hatte dieses Jahr niemand auf seiner Liste möglicher Kandidaten. Ausgezeichnet für ihre Leistungen wurden die beiden Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des HI-Virus und der Deutsche Harald zur Hausen für die Verbindungen von Infektionen mit Papillomaviren und der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs.

Bakterien, die die aktuell vorhandenen Farbvarianten von fluoreszenten Proteinen exprimieren.

Am Mittwoch wurde dann die Entwicklung einer mittlerweile zentralen Methode der biologischen Grundlagenforschung mit dem Chemie-Nobelpreis belohnt: fluoreszente Proteine. Bereits in den 1960ern und 70ern isolierte Osamu Shimomura das grünfluoreszierende Protein GFP aus der Qualle Aequorea victoria. Dann geschah lange Zeit nichts, bis Douglas Prasher (der hier leer ausging) Anfang der 1990er mit der Klonierung des GFP-Gens begann, die Martin Chalfie schließlich beendete. Er konnte das Gen in das Bakterium Escherichia coli und den Fadenwurm Caenorhabditis elegans einbringen und zeigte, dass die Zellen dieser Organismen, die GFP produzierten, grün fluoreszierten. Damit war der Grundstein gelegt für einen Siegeszug von GFP in fast jedem Gebiet der Life Sciences. Roger Y. Tsien vergrößerte das Potential um ein Vielfaches - ausgehend vom herkömmlichen GFP erzeugte er eine ganze Reihe von Farbvarianten durch künstliche Evolution im Labor. Die Anwendungsmöglichkeiten für fluoreszente Proteine sind fast unendlich, eine Auswahl der grundlegenden findet sich bei WeiterGen [1], dem Fischblog und Pharyngula und zahlreichen weiteren Blogs.
Ich möchte deshalb hier einige der abgeleiteten Methoden vorstellen, die aber alle auf den Grundeigenschaften von fluoreszenten Proteinen basieren.

FRET (Fluorescence Resonance Energy Transfer)
Um ein fluoreszentes Protein (FP) sichtbar zu machen, muss man es mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlen (das Anregungslicht). Das FP emittiert darauf ein Licht einer größeren (energieärmeren) Wellenlänge. Im Beispiel von GFP sind das 488 bzw. 509 nm. Bei FRET nutzt man nun das Wissen um Anregungs- und Emissionwellenlängen, um die Interaktion von Proteinen zu untersuchen. Will ich wissen, ob Protein A und Protein B miteinander interagieren, dann kann ich je ein FP mit einem der Zielproteine verknüpfen. Nur bei der Interaktion beider Proteine kommen die beiden FPs in eine räumliche Nähe zueinander. Das hat aber auf die Fluoreszenz einen nützlichen Effekt: Rege ich das erste FP mit seinem eigenen Anregungslicht an, dann erhalte ich nicht wie übliche dessen Emissionslicht zurück, sondern das des zweiten FPs, das ich überhaupt nicht angeregt habe! Wie geht das? Aufgrund der großen räumlichen Nähe der beiden FPs kann das erste FP seine Energie nach der Anregung auf das zweite FP übertragen, anstatt selbst Licht zu emittieren. Das heißt also: nur wenn die beiden Proteine A und B miteinander interagieren, kommt es zu FRET zwischen den beiden damit verknüpften FPs. Durch FRET kann man untersuchen, ob, wo und wann Proteine in der lebenden Zelle interagieren. Clever!

BiFC (Bimolecular Fluorescence Complementation)
FRET ist eine tolle Methode, um Proteininteraktionen zu untersuchen. Leider benötigt man dafür spezielle Geräte (Mikroskop, Laser, Detektion), man kann ein FRET-Experiment nicht mit einem normalen Fluoreszenzmikroskop durchführen. Das ist mit der etwas neueren Methode BiFC (oft auch split-YFP genannt, weil der Versuch klassischerweise mit dem Yellow Fluorescenz Protein YFP durchgeführt wird) aber gut möglich. Grundlage dieser Methode ist eine tolle Eigenschaft der fluoreszenten Proteine: man kann das Gen für ein FP in zwei Hälften teilen, die beiden Proteinhälften bilden in der Zelle dann ein funktionsfähiges, fluoreszierendes Protein! Praktisch an der Sache ist aber, dass sie das für sich alleine nicht machen, sondern nur wenn die FP-Hälften künstlich in enge räumliche Nähe in der Zelle gebracht werden. Zum Beispiel, indem man je eine Hälfte an eins von zwei Zielproteinen hängt, deren Interaktion man untersuchen möchte. So kommen die FP-Hälften nur zusammen, wenn die Zielproteine interagieren - man sieht die Fluoreszenz also nur dann und dort in der Zelle, wann und wo die Interaktion stattfindet. [2]

FRAP (Fluorescence Recovery After Photobleaching)
In der Zelle herrscht jede Menge Dynamik. Proteine werden in bestimmte Organelle transportiert, werden zu bestimmten Zeitpunkten oder äußeren Zuständen aktiv oder inaktiv, etc. Mit Hilfe von FPs hat man die Möglichkeit, die Wanderung von Proteinen in der Zelle zu beobachten. Ursprünglich fluoresziert jeder Bereich in der Zelle, in dem sich das mit dem FP verknüpfte Zielprotein befindet. Wenn ich nun wissen möchte, ob das Zielprotein in einen kleinen Bereich in der Zelle transportiert wird (und wie schnell das geht, wie es reguliert wird, wann es geschieht), kann ich eine normalerweise problematische Eigenschaft von FPs für meinen Vorteil nutzen. Die große Energiemenge, mit der FPs bombardiert werden, führt irgendwann zu ihrem Ausbleichen. Das heißt, dass sie letztlich zerstört werden. In normalen Experimenten stört dies natürlich ungemein, weil man nicht unbegrenzt Beobachtungen machen kann. Für diese eine Anwendung hilft das Ausbleichen aber: Mit sehr starkem Anregungslicht kann der Zielbereich in der Zelle künstlich ausgebleicht werden. Wird das Zielprotein in der Zelle dorthin transportiert, dann sollte die Fluoreszenz aber mit der Zeit wieder zunehmen. Jetzt kann man die Zeit bestimmen, bis die Fluoreszenz wieder den Ausgangswert erreicht hat, und dadurch auf die Transportrate schließen. Viele Proteine werden durch spezielle Transportproteine durch die Zelle befördert. Dies kann man testen, indem man ein FRAP-Experiment durchführt und dabei einzelne Transportproteine ausschaltet. Ist ein solches am Transport des Zielproteins beteiligt, dann sollte die Fluoreszenz nach dem Ausbleichen nicht mehr zurückkehren.

Brainbow
Diese Methode wurde von Jeff W. Lichtman und Joshua R. Sanes von Harvard entwickelt, um einzelne Nervenzellen individuell anzufärben. Im Grunde kombinierten sie die vorhandenen Farben der fluoreszenten Proteine miteinander, um so über 100 verschiedene Farben erzeugen. Dies ist möglich über ein spezielles genetisches System, das zufällig nur wenige FP-Gene in einer Zelle aktiviert. So sollten, bei einer so großen Bandbreite von möglichen Farben, benachbarte Zellen unterschiedlich gefärbt sein. Und genauso ist es auch, wie Bilder wie dieses hier zeigen.


Das ist nur eine kleine Auswahl von Methoden, die alle darauf beruhen, dass die Preisträger des dieshährigen Nobelpreises für Chemie das Potential von fluoreszenten Proteinen für die wissenschaftliche Gemeinschaft entwickelten. Weitere abgeleitete Methoden findet man in dieser Liste auf der Wikipedia.

Eine kurze Geschichte möchte ich noch erwähnen, die nach der Verkündung der Nobelpreisträger für Chemie am Mittwoch zutage kam. Douglas Prasher, der den Preis nicht erhielt, begann wie ich oben geschrieben habe mit der Klonierung von GFP. Nach ersten Erfolgen musste er aber das Projekt einstellen, weil seine Fördermittel eingestellt wurden [3]. Wie ich auf The Daily Transcript erfahren habe, führte NPR (das National Public Radio der USA) ein Interview mit Prasher über seinen Teil an der GFP-Forschung durch. Er versteht, warum er den Preis nicht erhalten hat, und gönnt ihn den Preisträgern, die durch Prashers Vorarbeit erst zu ihren Ergebnissen kamen.
One of the winners, Roger Tsien of the University of California, San Diego, says he was lucky. At just the right time, a researcher named Douglas Prasher at the Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts isolated the gene that Tsien wanted.

"So I found his phone number, called him up, and to my amazement he was willing to give out the gene," Tsien says.

Another of the Nobel laureates, Martin Chalfie of New York's Columbia University, also got the gene from Prasher.

Sehr traurig ist aber, dass Prasher nun überhaupt nicht mehr forscht, sondern Busfahrer ist, um seine Familie zu ernähren.
"I got a hard luck story," he says.
[...]
"At that time, I knew I was going to get out of it; my funding had already run out," Prasher says.

He went to work for a laboratory run by the U.S. Department of Agriculture, then took a job with a NASA contractor in Huntsville. But two-and-a-half years ago, NASA cut his project and Prasher lost his job.

He tried to find a job in science but failed. So he went to work at the car dealership.
[...]
But the job does not pay enough to support his family.

"Our savings is gone; just totally gone," he says.

Prasher is still looking for a research job, but he worries that after two-and-a-half years, his knowledge and skills may be out of date.

That's not what some of his former colleagues say. One called Prasher's current situation a "staggering waste of talent."




[1] Tobias von WeiterGen hatte übrigens vor der Vergabe der Nobelpreise einen kleinen Wettbewerb gestartet, in dem man die Gewinner für Medizin und Chemie tippen konnte. Ich lag zwar bei Medizin total daneben, aber den Chemie-Nobelpreis für GFP habe ich richtig getippt und habe dafür ein WeiterGen-Shirt gewonnen! Dass ich ein Bild von dem Tshirt poste, sobald es bei mir ankommt ist ja klar!
[2] Vor kurzem wurde eine Verbindung von FRET und BiFC beschrieben, um Interaktionen von trimeren Proteinkomplexen zu untersuchen. Durch splitten des Akzeptor-FPs eines klassischen FRET-Experiments in zwei BiFC-Hälften klappt der Resonanzenergietransfer nur, wenn zuerst die beiden FP-Hälften zu einem funktionellen FP zusammengebaut werden, und anschließend das Donor-FP in räumliche Nähe kommt.
[3] Was mal wieder zeigt, wie kurzsichtig die finanziellen Trägereinrichtungen sein können.

Samstag, Oktober 04, 2008

Für die Neil Gaiman-Fans hier

Neil Gaiman ist gerade auf großer Lesetour für sein neues Buch "The Graveyard Book". An jeder Station liest er ein Kapitel des Buches vor. Und jetzt das tolle daran: HarperCollins filmt jedesmal mit und stellt die Videos online. Kostenlos! Wenn dann am 9. Oktober das letzte Kapitel gelesen wurde, steht also das gesamte Buch, gelesen von Neil Gaiman selbst, frei zugänglich online. Super!
[via boingboing]

EndNote verklagt Zotero

Als ich vor kurzem über das Paperverwaltungstool Mendeley berichtete, habe ich auch die Alternative Zotero erwähnt. Das ist eine Firefox-Erweiterung, die nicht nur eine Literaturdatenbank beinhaltet, sondern auch vieles im Onlinebereich unterstützt, etwa die automatische Übernahme von Literaturdaten aus Webseiten. Was ich an Mendeley noch bemängelt habe, nämlich die fehlende Einbindung in Word und co., hat Zotero schon. Doch das ist Dr. Daniel J. Cohen und seinem Arbeitgeber, der George Mason University, schlecht bekommen. Literaturzitate in Texten müssen nach verschiedenen Stilen aufgebaut sein (welche Reihenfolge für Autoren, Jahr und Titel, was wird fett, was kursiv?...), und leider hat jeder Journal seinen eigenen Stil. Da ist es natürlich toll, wenn man sich einfach die fertigen Stilvorgaben des Journals, für den man einen Artikel schreibt, runterladen und dem Literaturprogramm geben kann. Für EndNote wurde damals ein Dateiformat entwickelt, das genau das macht.
Als Hilfe für die Zotero-Nutzer wurde dann ein Tool gebastelt, das die EndNote-Stildateien (.ens) in Zotero-Stildateien (.csl) umwandeln kann. Und das passt dem EndNote-Hersteller Thomson-Reuters (ja, das Reuters!) überhaupt nicht, denn der hat Zotero Entwickler auf über 10 Millionen Dollar verklagt:
The complaint states, “Dr. Daniel J. Cohen, Associate Professor, Department of History and Art History, and the director of GMU’s Center for History and New Media, developed Zotero, which is a freely distributable, open-source software based research tool that allows users to gather, organize and analyze sources, including citations, and freely share the results with others.” The Center for History and New Media release “a new beta version of Zotero to the general public” on July 8. Reuters adds, “A significant and highly touted feature of the new beta version of Zotero, however, is its ability to convert – in direct violation of the License Agreement – Thomson’s 3,500 plus proprietary .ens style files within the EndNote Software into free, open source, easily distributable Zotero .csl files.”
Ich bin kein Jurist, deshalb habe ich keine Ahnung welche Chancen diese Klage in den USA haben wird. Aber ich kann trotzdem mal ein wenig über Sinn und Unsinn derselben nachdenken.
Zunächst einmal ist nur das Dateiformat .ens von EndNote geschützt, und vielleicht noch ein paar der Stile die vom Hersteller erstellt wurden. Die allermeisten Stildateien wurden aber entweder von Journals erstellt, dass die Autoren sie sich herunterladen können, oder von vielen Nutzern [1]. Dass es EndNote also wohl seinen Kunden über das License Agreement verbietet, selbsterstellte Stildateien außerhalb von EndNote zu benutzen ist eine Frechheit.
Dann kommt mir diese Taktik irgendwie bekannt vor: Ein großer Konzern, der sein Marktsegment beherrscht, verklagt seine eigenen Kunden. Woher kenn ich das wieder? Achja, die Musikindustrie! Und wie gut das läuft, ist ja allgemein bekannt. Wieso verärgert jemand den eigenen Kundenstamm? Ich verstehe es auch nach Jahren nicht, das kann doch nicht gut für das Produkt sein.
Zusammengefasst hört sich das nämlich für mich so an: "Nachdem wir jahrelang unser etwas veraltetes Produkt konkurrenzfrei anbieten konnten, kommt jetzt so ein Kerl an und gibt seine Alternative kostenlos her. Und das noch mit mehr Features! Den klagen wir in Grund und Boden!"

Damit ist für mich die Entscheidung gefallen: Eine solche Firma möchte ich nicht unterstützen. Mit einem der nächsten Updates werde ich endgültig zu Mendeley wechseln. Ich werde auch den Kollegen raten, lieber freie Alternativen zu nutzen, wenn sie überlegen eine neue EndNote-Version zu kaufen. Und euch rate ich das gleiche. Werft einen Blick auf Zotero, Mendeley und Papers (für Macs), die werden eure Daten nicht in proprietären Zellen einsperren!
[via Crooked Timber]

[1] Wir haben beispielsweise eine Stildatei am Institut, die den Vorgaben für eine Diplomarbeit entspricht. Und die ist sicher nicht von EndNote.