Sonntag, Oktober 12, 2008

Die Nobelpreise 2008 für Life Sciences

Mit dem Preis für Physiologie oder Medizin am Montag und dem für Chemie am Mittwoch sind die möglichen Kategorien für Biologen in der diesjährigen Nobelpreisrunde durch. Die Preisträger für Medizin hatte dieses Jahr niemand auf seiner Liste möglicher Kandidaten. Ausgezeichnet für ihre Leistungen wurden die beiden Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des HI-Virus und der Deutsche Harald zur Hausen für die Verbindungen von Infektionen mit Papillomaviren und der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs.

Bakterien, die die aktuell vorhandenen Farbvarianten von fluoreszenten Proteinen exprimieren.

Am Mittwoch wurde dann die Entwicklung einer mittlerweile zentralen Methode der biologischen Grundlagenforschung mit dem Chemie-Nobelpreis belohnt: fluoreszente Proteine. Bereits in den 1960ern und 70ern isolierte Osamu Shimomura das grünfluoreszierende Protein GFP aus der Qualle Aequorea victoria. Dann geschah lange Zeit nichts, bis Douglas Prasher (der hier leer ausging) Anfang der 1990er mit der Klonierung des GFP-Gens begann, die Martin Chalfie schließlich beendete. Er konnte das Gen in das Bakterium Escherichia coli und den Fadenwurm Caenorhabditis elegans einbringen und zeigte, dass die Zellen dieser Organismen, die GFP produzierten, grün fluoreszierten. Damit war der Grundstein gelegt für einen Siegeszug von GFP in fast jedem Gebiet der Life Sciences. Roger Y. Tsien vergrößerte das Potential um ein Vielfaches - ausgehend vom herkömmlichen GFP erzeugte er eine ganze Reihe von Farbvarianten durch künstliche Evolution im Labor. Die Anwendungsmöglichkeiten für fluoreszente Proteine sind fast unendlich, eine Auswahl der grundlegenden findet sich bei WeiterGen [1], dem Fischblog und Pharyngula und zahlreichen weiteren Blogs.
Ich möchte deshalb hier einige der abgeleiteten Methoden vorstellen, die aber alle auf den Grundeigenschaften von fluoreszenten Proteinen basieren.

FRET (Fluorescence Resonance Energy Transfer)
Um ein fluoreszentes Protein (FP) sichtbar zu machen, muss man es mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlen (das Anregungslicht). Das FP emittiert darauf ein Licht einer größeren (energieärmeren) Wellenlänge. Im Beispiel von GFP sind das 488 bzw. 509 nm. Bei FRET nutzt man nun das Wissen um Anregungs- und Emissionwellenlängen, um die Interaktion von Proteinen zu untersuchen. Will ich wissen, ob Protein A und Protein B miteinander interagieren, dann kann ich je ein FP mit einem der Zielproteine verknüpfen. Nur bei der Interaktion beider Proteine kommen die beiden FPs in eine räumliche Nähe zueinander. Das hat aber auf die Fluoreszenz einen nützlichen Effekt: Rege ich das erste FP mit seinem eigenen Anregungslicht an, dann erhalte ich nicht wie übliche dessen Emissionslicht zurück, sondern das des zweiten FPs, das ich überhaupt nicht angeregt habe! Wie geht das? Aufgrund der großen räumlichen Nähe der beiden FPs kann das erste FP seine Energie nach der Anregung auf das zweite FP übertragen, anstatt selbst Licht zu emittieren. Das heißt also: nur wenn die beiden Proteine A und B miteinander interagieren, kommt es zu FRET zwischen den beiden damit verknüpften FPs. Durch FRET kann man untersuchen, ob, wo und wann Proteine in der lebenden Zelle interagieren. Clever!

BiFC (Bimolecular Fluorescence Complementation)
FRET ist eine tolle Methode, um Proteininteraktionen zu untersuchen. Leider benötigt man dafür spezielle Geräte (Mikroskop, Laser, Detektion), man kann ein FRET-Experiment nicht mit einem normalen Fluoreszenzmikroskop durchführen. Das ist mit der etwas neueren Methode BiFC (oft auch split-YFP genannt, weil der Versuch klassischerweise mit dem Yellow Fluorescenz Protein YFP durchgeführt wird) aber gut möglich. Grundlage dieser Methode ist eine tolle Eigenschaft der fluoreszenten Proteine: man kann das Gen für ein FP in zwei Hälften teilen, die beiden Proteinhälften bilden in der Zelle dann ein funktionsfähiges, fluoreszierendes Protein! Praktisch an der Sache ist aber, dass sie das für sich alleine nicht machen, sondern nur wenn die FP-Hälften künstlich in enge räumliche Nähe in der Zelle gebracht werden. Zum Beispiel, indem man je eine Hälfte an eins von zwei Zielproteinen hängt, deren Interaktion man untersuchen möchte. So kommen die FP-Hälften nur zusammen, wenn die Zielproteine interagieren - man sieht die Fluoreszenz also nur dann und dort in der Zelle, wann und wo die Interaktion stattfindet. [2]

FRAP (Fluorescence Recovery After Photobleaching)
In der Zelle herrscht jede Menge Dynamik. Proteine werden in bestimmte Organelle transportiert, werden zu bestimmten Zeitpunkten oder äußeren Zuständen aktiv oder inaktiv, etc. Mit Hilfe von FPs hat man die Möglichkeit, die Wanderung von Proteinen in der Zelle zu beobachten. Ursprünglich fluoresziert jeder Bereich in der Zelle, in dem sich das mit dem FP verknüpfte Zielprotein befindet. Wenn ich nun wissen möchte, ob das Zielprotein in einen kleinen Bereich in der Zelle transportiert wird (und wie schnell das geht, wie es reguliert wird, wann es geschieht), kann ich eine normalerweise problematische Eigenschaft von FPs für meinen Vorteil nutzen. Die große Energiemenge, mit der FPs bombardiert werden, führt irgendwann zu ihrem Ausbleichen. Das heißt, dass sie letztlich zerstört werden. In normalen Experimenten stört dies natürlich ungemein, weil man nicht unbegrenzt Beobachtungen machen kann. Für diese eine Anwendung hilft das Ausbleichen aber: Mit sehr starkem Anregungslicht kann der Zielbereich in der Zelle künstlich ausgebleicht werden. Wird das Zielprotein in der Zelle dorthin transportiert, dann sollte die Fluoreszenz aber mit der Zeit wieder zunehmen. Jetzt kann man die Zeit bestimmen, bis die Fluoreszenz wieder den Ausgangswert erreicht hat, und dadurch auf die Transportrate schließen. Viele Proteine werden durch spezielle Transportproteine durch die Zelle befördert. Dies kann man testen, indem man ein FRAP-Experiment durchführt und dabei einzelne Transportproteine ausschaltet. Ist ein solches am Transport des Zielproteins beteiligt, dann sollte die Fluoreszenz nach dem Ausbleichen nicht mehr zurückkehren.

Brainbow
Diese Methode wurde von Jeff W. Lichtman und Joshua R. Sanes von Harvard entwickelt, um einzelne Nervenzellen individuell anzufärben. Im Grunde kombinierten sie die vorhandenen Farben der fluoreszenten Proteine miteinander, um so über 100 verschiedene Farben erzeugen. Dies ist möglich über ein spezielles genetisches System, das zufällig nur wenige FP-Gene in einer Zelle aktiviert. So sollten, bei einer so großen Bandbreite von möglichen Farben, benachbarte Zellen unterschiedlich gefärbt sein. Und genauso ist es auch, wie Bilder wie dieses hier zeigen.


Das ist nur eine kleine Auswahl von Methoden, die alle darauf beruhen, dass die Preisträger des dieshährigen Nobelpreises für Chemie das Potential von fluoreszenten Proteinen für die wissenschaftliche Gemeinschaft entwickelten. Weitere abgeleitete Methoden findet man in dieser Liste auf der Wikipedia.

Eine kurze Geschichte möchte ich noch erwähnen, die nach der Verkündung der Nobelpreisträger für Chemie am Mittwoch zutage kam. Douglas Prasher, der den Preis nicht erhielt, begann wie ich oben geschrieben habe mit der Klonierung von GFP. Nach ersten Erfolgen musste er aber das Projekt einstellen, weil seine Fördermittel eingestellt wurden [3]. Wie ich auf The Daily Transcript erfahren habe, führte NPR (das National Public Radio der USA) ein Interview mit Prasher über seinen Teil an der GFP-Forschung durch. Er versteht, warum er den Preis nicht erhalten hat, und gönnt ihn den Preisträgern, die durch Prashers Vorarbeit erst zu ihren Ergebnissen kamen.
One of the winners, Roger Tsien of the University of California, San Diego, says he was lucky. At just the right time, a researcher named Douglas Prasher at the Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts isolated the gene that Tsien wanted.

"So I found his phone number, called him up, and to my amazement he was willing to give out the gene," Tsien says.

Another of the Nobel laureates, Martin Chalfie of New York's Columbia University, also got the gene from Prasher.

Sehr traurig ist aber, dass Prasher nun überhaupt nicht mehr forscht, sondern Busfahrer ist, um seine Familie zu ernähren.
"I got a hard luck story," he says.
[...]
"At that time, I knew I was going to get out of it; my funding had already run out," Prasher says.

He went to work for a laboratory run by the U.S. Department of Agriculture, then took a job with a NASA contractor in Huntsville. But two-and-a-half years ago, NASA cut his project and Prasher lost his job.

He tried to find a job in science but failed. So he went to work at the car dealership.
[...]
But the job does not pay enough to support his family.

"Our savings is gone; just totally gone," he says.

Prasher is still looking for a research job, but he worries that after two-and-a-half years, his knowledge and skills may be out of date.

That's not what some of his former colleagues say. One called Prasher's current situation a "staggering waste of talent."




[1] Tobias von WeiterGen hatte übrigens vor der Vergabe der Nobelpreise einen kleinen Wettbewerb gestartet, in dem man die Gewinner für Medizin und Chemie tippen konnte. Ich lag zwar bei Medizin total daneben, aber den Chemie-Nobelpreis für GFP habe ich richtig getippt und habe dafür ein WeiterGen-Shirt gewonnen! Dass ich ein Bild von dem Tshirt poste, sobald es bei mir ankommt ist ja klar!
[2] Vor kurzem wurde eine Verbindung von FRET und BiFC beschrieben, um Interaktionen von trimeren Proteinkomplexen zu untersuchen. Durch splitten des Akzeptor-FPs eines klassischen FRET-Experiments in zwei BiFC-Hälften klappt der Resonanzenergietransfer nur, wenn zuerst die beiden FP-Hälften zu einem funktionellen FP zusammengebaut werden, und anschließend das Donor-FP in räumliche Nähe kommt.
[3] Was mal wieder zeigt, wie kurzsichtig die finanziellen Trägereinrichtungen sein können.

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