Wollte ein Wissenschaftler bisher seine Sammlung an Literatur verwalten, hatte er recht wenige Möglichkeiten, das mit Software zu tun. Klar, man kann das per Hand erledigen, indem man z.B. Ordner mit den PDFs auf dem Rechner anlegt, und dann Listen z.B. in Excel hat, wo welches Paper liegt. Das ist aber nicht sehr praktisch und erfordert jede Menge Tipperei. Also nimmt man besser eine Software dafür, die die Literaturdaten über Onlinedatenbanken herunterlädt und eine übersichtliche Organisation bietet. Da hat man als Wissenschaftler aber leider eine sehr kleine Auswahl. Im Grunde bleiben da nur kommerzielle Programme wie EndNote (die aber sehr teuer sind), oder Zotero, das als Firefox-Erweiterung kostenlos arbeitet, dafür aber ziemlich unkomfortabel ist.
Die Mac-Gemeinde hat seit ein paar Monaten nun mit Papers eine sehr gute Software zur Hand, wie man so hört. Ich hab keinen Mac und kann deshalb nur die überschäumenden Blogposts lesen und neidisch sein.
Seit ein paar Tagen gibt es nun aber mit Mendeley Konkurrenz zu Papers, die dazu noch auf allen Plattformen läuft. Und Mendeley kann sogar als public beta noch einiges mehr: Die eigentliche Paperverwaltung ist sehr einfach und intuitiv gestaltet. Man kann neue Einträge von Hand anlegen oder aus anderen Programmen wie EndNote importieren. Hat man einen DOI zum Paper, dann kann man die Informationen auch über CrossRef vervollständigen lassen. Neu gegenüber Programmen wie EndNote und Zotero ist die Integration der PDFs in der Datenbank: Zu jedem Eintrag kann man eine Verknüpfung zur PDF Datei des Papers auf der Platte anlegen, und ein integrierter PDF-Viewer zeigt das Paper dann auch in Mendeley an. Außerdem hat man auch die Möglichkeit, seine Literatur in Dokumentengruppen zu ordnen und einzelnen Papern Tags und Notizen anzuheften.
Die Integration der PDFs geht aber noch weiter! Bei Text-PDFs (und in Zukunft dann auch bei eingescannten PDFs durch OCR) versucht Mendeley die Metainformationen auszulesen. Auch hier ist es natürlich am besten, wenn der Journal DOIs abdruckt. Im Prinzip hat man so eine einfache Variante, eine bestehende Sammlung in Mendeley einzupflegen - man wirft einfach per drag and drop seinen Literaturordner rein, und Mendeley liest alle PDFs aus und stellt Verknüfungen zu den Dateien her. Sehr praktisch! Der Nachteil dieser Methode ist zur Zeit noch, dass der Algorithmus zum Auslesen von Metainformationen in Mendeley alles andere als perfekt ist. Man muss eigentlich jeden Eintrag nachbessern. Doch die Mendeley-Macher versprechen, dass der Algorithmus mit der Zeit immer besser werden wird. Die automatischen Auswertungen werden samt den manuellen Verbesserungen anonymisiert zum Hersteller übertragen, so dass Anpassungen vorgenommen werden können. Noch eine Funktion mit der Auswertung von Metadaten aus PDFs: Die Literaturliste am Ende von Papern wird ebenfalls extrahiert und kann gesondert eingesehen werden.
Jetzt haben wir also eine schöne Sammlung unserer Literatur, die alles übertrifft, was ich bisher kannte. Es gibt neben der Desktopkomponente aber auch noch weitere Funktionen online. Man kann sich bei Mendeley eine Profilseite anlegen, die ähnlich gestaltet ist wie die von Sozialnetzwerken [1]. Aus Mendeley Desktop kann man nun seine Literaturlisten hochladen, so dass man von überall darauf Zugriff hat. Besser noch, man kann die verknüpften PDFs mit hochladen, und kann dadurch auch von zuhause mal einen Blick in ein Paper werfen, das hinter Zugriffsbeschränkungen von Journals liegt [2]. Und ich konnte noch keine Platzbeschränkung für die PDFs finden...ob die Macher sich das genau überlegt haben? [3]
Und schließlich kann man sich mit anderen Mendeley-Nutzern auch in Gruppen zusammenschließen und innerhalb der Gruppen Literatur austauschen. Das hab ich aber noch nicht ausprobiert und kann deshalb nichts dazu sagen.
Nach diesem überschwenglichen Lob sind jetzt aber auch noch einige Kritikpunkte fällig. Größter darunter: Nachdem ich meine Literaturliste mit über 1000 Einträgen importiert hatte, wurde Mendeley sehr langsam. Wirklich sehr sehr langsam. Ich hoffe, dass die Performance mit den kommenden Updates verbessert wird! Will man einen PDF-Link anlegen, dann startet man zur Zeit jedes mal im Installationsverzeichnis von Mendeley und muss zu den PDFs navigieren. Ziemlich lästig, und das werde ich mit meinen vielen Papern sicher nicht machen. Aber ein feature request ist schon abgeschickt, dass man sich mit einer kommenden Version dann ein anderes Verzeichnis wählen kann. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Mendeley bei einigen wenigen Einträgen die Reihenfolge der Autoren umstellt. Bisher konnte ich keinen Zusammenhang zwischen den betroffenen Papern feststellen, und die neue Reihenfolge ist auch nicht alphabetisch oder so. Ändert man die Reihenfolge, dann stellt sie Mendeley gleich wieder um. Aber auch hier ist ein Bugreport schon abgeschickt. Schließlich fehlt mir noch eine Funktion, die wohl nicht so schnell eingebaut werden wird: Man kann die Literaturliste leider nicht beim Schreiben von Texten verwenden, wie es professionelle Programme erlauben. Solange ich auf EndNote angewiesen bin, um Literaturverweise in eigenen Texten einzufügen und zu formatieren brauche ich Mendeley eigentlich nicht doppelt einsetzen.
Zusammenfassend halte ich Mendeley für ein äußert vielversprechendes Programm, und es lohnt sich wirklich für jeden Wissenschaftler, mal reinzuschauen. Doch solange noch grundlegende Probleme das Benutzen des Programms erschweren werde ich nicht komplett darauf umsteigen. Mal sehen was sich noch alles tut, bis Mendeley aus dem Betastatus herauswächst!
[1] Ich mache hier noch einmal Werbung für das Wissenschaftlernetz SciLink, das ist echt klasse!
[2] Und das ist nicht öffentlich, was aus Copyrightgründen sicher sinnvoll ist...
[3] Nicht dass mich das stören würde. Meine Paper belegen jedenfalls schon über 1 GB auf der Platte.
Montag, August 11, 2008
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13 Kommentare:
"Neu gegenüber Programmen wie EndNote und Zotero ist die Integration der PDFs in der Datenbank"
stimmt nicht! Zotero kann pdfs archivieren. Es läd sogar sobald man etwas direkt von der Seite des publishers (mit einem Mausklick) in zotero einliest das pdf automatisch als Attachment zu dem Eintrag herunter... Ich hab bisher zwar noch kein anderes Literaturverwaltungsprogramm genutzt, kann also nicht vergleichen, aber bin absolut von Zotero überzeugt! Ich hoffe mit v1.5 wird Serversynchronisation noch komfortabler (als in der jetzigen betaversion), dann ist es unschlagbar!
OK, das wusste ich nicht. Ich hab mit Zotero mal vor ein paar Monaten rumgespielt, fand es aber zu unübersichtlich und auch zu langsam. Da ist mir mein EndNote dann doch lieber. Das macht sich natürlich auch im Preis bemerkbar...
Hallo - einer der Mitgründer von Mendeley hier!
Vielen Dank für den ausführlichen Review. Dein Lob ist wirklich ermutigend, zumal wir ja gerade erst gestartet sind und es definitiv noch viel Verbesserungspotential gibt.
Zu den (absolut berechtigten) Kritikpunkten:
- An der Performance bei großen lokalen Literaturdatenbanken arbeiten wir gerade mit Hochdruck. Momentan fängt es bei 500 Artikeln an, zäh zu werden; in einigen Wochen sollten aber auch mehrere tausend Artikel in der Datenbank kein Problem darstellen.
- Der Bug mit der Autorenreihenfolge ist im aktuellen Release (0.5.8) behoben.
- Am von Dir gewünschten Word-Plugin arbeiten wir ebenfalls bereits; in ca. 4-6 Wochen sollte es soweit sein!
Ebenfalls in den nächsten Wochen geplant ist ein Browser-Bookmarklet für "one-click import" von Metadaten/PDfs von Webseiten in die Mendeley Online Library. Diese wird ja automatisch mit Mendeley Desktop synchronisiert, so dass sich Mendeley bald sehr viel besser in den Workflow (sowohl beim schreiben als auch beim recherchieren von Artikeln) einfügen wird.
Beste Grüße aus London,
Victor
Hey, das ist ja klasse - soviel Aufmerksamkeit bin ich hier gar nicht gewohnt!
Das mit der Autorenreihenfolge hab ich ja wie gesagt als Bugreport eingereicht, und es funktioniert schon seit der 0.5.7er wieder. Das hat mir schon gefallen, dass der Fehler innerhalb weniger Tage behoben war.
Wenn ihr die Features alle einbaut, die du hier genannt hast, dann werd ich mich wahrscheinlich wirklich von EndNote verabschieden. Auf das Bookmarklet freue ich mich jedenfalls schon, das wird hilfreich sein. Zuhause abends noch Literatur finden, und am nächsten Tag hab ichs dann auf dem Rechner im Institut in Mendeley Desktop - super!
Viele Grüße ans Hauptquartier!
Da fällt mir noch eine Frage ein, wenn ich schon nen direkten Draht zu den Mendeley Machern hab: Wie ist das denn mit dem Speicherplatz? Gibt es ne Obergrenze an PDFs, die ich hochladen kann, oder kann ich tatsächlich meine 1000+ Paper zu euch hochladen?
Da hast Du uns kalt erwischt! Eigentlich hätte es bereits von Anfang an eine Speicherplatzbeschränkung geben sollen, aber die ist in der Hektik vor dem Beta-Release unter den Tisch gefallen.
Wir werden die Beschränkungen demnächst nachholen müssen (zu Beginn vermutlich irgendwo zwischen 250MB-500MB), was i.d.R. für knapp 1.000 PDFs reichen sollte, wenn es nicht zuviele gescannte PDFs sind. Die genaue Grenze weiss ich selber noch nicht, das hängt davon ab, wie schnell wir unsere Serverkapazitäten ausbauen können...
Beste Grüße,
Victor
Ich mach jetzt auch gerade die ersten Versuche mit Mendeley...
Synchronisation und Browser-Bookmarklet für "one-click import" sind mir im Moment am wichtigsten. Außerdem würde ich gerne einige (viele) vor meiner Zotero-Zeit "von Hand" gesammelt pdfs automatisch einlesen (Aus dem Grund spiele ich jetzt überhaupt mit Mendeley).
Problem: Weder als RIS noch als BibTeX habe ich es bisher geschafft, meine Zotero-Library ohne Fehler zu importieren (einmal fehlen die Autorennamen bei 2/3 der Paper, einmal gibt es keine Umlaute mehr in den Autorennamen und die Hälfte fehlt). Die angehängten pdfs werden auch nicht mit importiert - das war mir aber fast klar...
Umgekehrt klappt es besser (M nach Z; Aber natürlich auch nur ohne pdfs).
Ich denke ich werde jetzt erstmal drüber nachdenken ob mir beide Programme helfen können und noch etwas herumspielen...
Hallo - ich habe in letzter Zeit nach Möglichkeiten gesucht meine ganzen Papers, Dateien, Notizen und Literatur zu organisieren und bin dabei auf scholarz.net gestoßen. Ist wie mendeley, nur mit weitaus mehr Funktionen: Literaturorganisation, Notizen machen, mit Keywords verschlagworten, eigene Projekte einrichten, aber auch ein Netzwerk mit anderen Nutzern aufbauen und öffentliche Notizen, Papers, usw. einsehen. Konnte es super für meine Magisterarbeit nutzen...
...hab auch scholarz.net entdeckt und arbeite damit. Hier werden auch permanent neue Funktionen aufgebaut. Ist nicht unbedingt intuitiv, aber kann deutlich mehr, als mMendeley. Leider kenne ich nur wenige im Netzwerk ...
Na dann werd ich wohl auch mal einen Blick in scholarz.net werfen. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das aber rein online, richtig? Dann wäre es wohl eher mit Diensten wie Connotea vergleichbar als mit Mendeley, das mir beispielsweise auch die PDFs auf dem Rechner verwaltet (bsp. Dateinamen automatisch benennen).
Hallo,
ich bin gerade damit beschäftigt mich neu in Mendeley einzuarbeiten und hätte eine Frage zu dem Hochladen der pdfs auf meinen online account. Das funktioniert bei mir nämlich leider nicht, bzw. ich kann nicht heraus finden, wie genau das funktioniert. Vielleicht kann mir ja jemand den alles entscheidenden Tipp geben, dass wäre super.
Viele Grüße
Hallo Line,
als allgemeine Empfehlung schicke ich dich erstmal zum Feedback Forum von Mendeley. Das ist wirklich gut, und eventuell wurde dein Problem bereits gelöst.
Ein möglicher Grund könnte auch an deiner Mendeley-Version liegen. Mendeley ist schließlich noch in der Beta. Seit ein paar Tagen gibt es aber eine neuere Version - vielleicht ist in der dein Problem schon behoben!
Um das offensichtlichste Problem gleich aus der Welt zu schaffen: Du hast nur 500 MB Speicherplatz bei Mendeley, kannst also je nach dem, wie viele Paper du hast, nicht alle hochladen!
Hi zusammen,
insgesamt bin ich als alter Zotero-Fan ziemlich angetan von Mendeley und halte es für ein super Tool. Ich wollte gerade umstellen, bin aber dann über folgendes Problem gestolpert:
Wenn ich mehrere PDFs, die vom gleichen Autor etc. sind, mit dem Befehl "Merge Documents" zu einem Dokument zusammenfassen will, kann ich das zwar sehr komfortabel tun - allerdings ist im neuen zusammengefassten Dokument die Reihenfolge der einzelnen PDFs auf einmal total zerschossen.
Beispiel: Ich habe ein Buch, von dem jedes Kapitel eine eigene PDf-Datei ist. Die PDFs heißen also "Kapitel1", "Kapitel2", "Kapitel3"... Import funktioniert problemlos, alle Dateien erscheinen untereinander in der richtigen Reihenfolge. Nach "Merge Documents" erstellt Mendeley ein neues Dokument, das allerdings mit Kapitel 4 beginnt?!! dann kommt 3,1,2,5.. Total wirr..
Ist das ein bug? oder bin ich schuld? wenn man mit dem "Add files" befehl im neuen dokument nochmal alles richtig untereinander einsortiert, dann ist nach der Synchronisation wieder die Reihenfolge zerstört.
Bitte um Hilfe - das ist extrem nervig und hindert gerade meine ganze Abteilung, auf Mendeley umzusteigen.
VG
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