Eigentlich will ich ja noch über das IBMP-Meeting berichten. Außerdem sollte endlich mal wieder ein Beitrag für die DNA-Struktur Serie geschrieben werden. Ein paar Paper sind mir auch wieder untergekommen, über die ich was erzählen möchte. Nur leider momentan nicht - die Arbeit geht vor, und davon hab ich gerade mehr als genug.
Arbeit zu unsäglichen Zeiten hat aber zumindest bei mir den Nebeneffekt, dass ich mir Heimspiele des KSC nicht im Radio anhören muss, ich kann einfach das Fenster im Labor aufmachen. So wie gestern abend beispielsweise...
Mittwoch, Oktober 29, 2008
Freitag, Oktober 24, 2008
Für die Zahlensüchtigen: BioNumbers
Ich weiß nicht ganz warum, aber das Stöbern in großen Ansammlungen von aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen übt einen gewissen Reiz auf mich aus. Es sollte darum auch niemanden wundern, dass ich sowohl Rainer Flindts "Biologie in Zahlen. Eine Datensammlung in Tabellen mit über 10.000 Einzelwerten" (amzn), als auch Stewart Scherers "A short guide to the human genome" (amzn) immer wieder gerne zur Hand nehme und darin stöbere.
Jetzt bin ich dank dem Evolutionsbiologen Prof. Axel Meyer von der Uni Konstanz auf die nächste logische Stufe der Zahlensammelei aufmerksam geworden: BioNumbers, the database of useful biological numbers. Dort kann man dann beispielsweise innerhalb von wenigen Minuten lernen, dass 25-60% (!) der Gesamtmenge von löslichem Protein in C3-Pflanzen das für die Photosynthese wichtige Protein Rubisco stellt. Die Fläche der menschlichen Haut beträgt 1,6-1,8 m2. Die Ribosomen von E. coli hängen während der Translation pro Sekunde 12-21 Aminosäuren an die wachsende Proteinkette und haben ein Volumen von 4200 nm3 (1396 nm3 ohne das Volumen des Lösungsmittels).
Die Zahlen werden in BioNumbers natürlich nicht einfach so hingeklatscht, sondern mit jeder Menge von Metadaten untermauert. So muss für jeden Eintrag ein Verweis zu einer Veröffentlichung vorhanden sein, in der der Wert genannt wurde. Oft werden ausführliche Kommentare zugefügt, die Aufschluss über Besonderheiten bei der Messung des Wertes oder über Einschränkungen seiner Anwendbarkeit geben.
Ich bezweifle, dass man als Wissenschaftler sehr großen Nutzen aus diesen Zahlen gewinnen kann. Vielleicht könnten sie helfen, bestimmte Themen in einer Vorlesung zu untermauern. Aber andererseits will man die Studenten heutzutage nicht mehr stur Daten auswendig lernen lassen, sie sollen doch verstehen. Es wäre also eher die unnütze, aber witzige Info am Rande. Trotzdem habe ich mich ertappt, wie ich viel zu lange in den Einträgen stöbere statt zu arbeiten...
[via Brightsblog]
Jetzt bin ich dank dem Evolutionsbiologen Prof. Axel Meyer von der Uni Konstanz auf die nächste logische Stufe der Zahlensammelei aufmerksam geworden: BioNumbers, the database of useful biological numbers. Dort kann man dann beispielsweise innerhalb von wenigen Minuten lernen, dass 25-60% (!) der Gesamtmenge von löslichem Protein in C3-Pflanzen das für die Photosynthese wichtige Protein Rubisco stellt. Die Fläche der menschlichen Haut beträgt 1,6-1,8 m2. Die Ribosomen von E. coli hängen während der Translation pro Sekunde 12-21 Aminosäuren an die wachsende Proteinkette und haben ein Volumen von 4200 nm3 (1396 nm3 ohne das Volumen des Lösungsmittels).
Die Zahlen werden in BioNumbers natürlich nicht einfach so hingeklatscht, sondern mit jeder Menge von Metadaten untermauert. So muss für jeden Eintrag ein Verweis zu einer Veröffentlichung vorhanden sein, in der der Wert genannt wurde. Oft werden ausführliche Kommentare zugefügt, die Aufschluss über Besonderheiten bei der Messung des Wertes oder über Einschränkungen seiner Anwendbarkeit geben.
Ich bezweifle, dass man als Wissenschaftler sehr großen Nutzen aus diesen Zahlen gewinnen kann. Vielleicht könnten sie helfen, bestimmte Themen in einer Vorlesung zu untermauern. Aber andererseits will man die Studenten heutzutage nicht mehr stur Daten auswendig lernen lassen, sie sollen doch verstehen. Es wäre also eher die unnütze, aber witzige Info am Rande. Trotzdem habe ich mich ertappt, wie ich viel zu lange in den Einträgen stöbere statt zu arbeiten...
[via Brightsblog]
Sonntag, Oktober 19, 2008
Mittwoch, Oktober 15, 2008
Kolloquium "Integrative Plant Biology"
Donnerstag und Freitag werde ich mich auf dem Kolloquium "Integrative Plant Biology" des Institut de Biologie Moléculaire des Plantes (IBMP) in Straßburg befinden.
Dieses findet im Rahmen des 20jährigen Jubiläums des IBMP statt, und führt einen mittlerweile sehr starken Verbund von Forschungseinrichtungen und Universitäten im Grenzbereich der drei Länder Deutschland, Frankreich und Schweiz zusammen. Da dies kein Meeting zu einem bestimmten Thema ist, freue ich mich auch schon auf die Vielzahl unterschiedlicher Vorträge an beiden Tagen - neben DNA Reparatur und Rekombination, mit der ich vertraut bin, geht es auch um Signalwege und Pathogenabwehr, Entwicklungsgenetik, gene silencing und Epigenetik, und schließlich Biotechnologie. Damit wird also ein sehr breites Spektrum abgedeckt! Ich glaube nicht, dass ich gleich morgen und übermorgen über die Vorträge berichten kann, aber ich will auf jeden Fall in den nächsten Tagen kurz vorstellen, was ich alles gehört habe.
Ich werde außerdem gleich morgen ein Poster präsentieren, das die neuesten Ergebnisse unserer Arbeitsgruppe zeigt. Sobald die Ergebnisse daraus publiziert sind (wir warten jeden Tag auf die Annahme) werde ich das Poster auch hier reinstellen.
Dieses findet im Rahmen des 20jährigen Jubiläums des IBMP statt, und führt einen mittlerweile sehr starken Verbund von Forschungseinrichtungen und Universitäten im Grenzbereich der drei Länder Deutschland, Frankreich und Schweiz zusammen. Da dies kein Meeting zu einem bestimmten Thema ist, freue ich mich auch schon auf die Vielzahl unterschiedlicher Vorträge an beiden Tagen - neben DNA Reparatur und Rekombination, mit der ich vertraut bin, geht es auch um Signalwege und Pathogenabwehr, Entwicklungsgenetik, gene silencing und Epigenetik, und schließlich Biotechnologie. Damit wird also ein sehr breites Spektrum abgedeckt! Ich glaube nicht, dass ich gleich morgen und übermorgen über die Vorträge berichten kann, aber ich will auf jeden Fall in den nächsten Tagen kurz vorstellen, was ich alles gehört habe.
Ich werde außerdem gleich morgen ein Poster präsentieren, das die neuesten Ergebnisse unserer Arbeitsgruppe zeigt. Sobald die Ergebnisse daraus publiziert sind (wir warten jeden Tag auf die Annahme) werde ich das Poster auch hier reinstellen.
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Dienstag, Oktober 14, 2008
Weise Worte
"The scientist does not study nature because it is useful; he studies it because he delights in it, and he delights in it because it is beautiful."
- Henri Poincaré
Soviel zu all den Sprüchen, Wissenschaft würde den Sinn des Wunderbaren aus der Welt auslöschen. Und auch wenn ich das Gedicht hier schon mal gepostet habe, es bleibt einfach genial:
Organic life beneath the shoreless waves
Was born and nurs'd in ocean's pearly caves;
First forms minute, unseen by spheric glass,
Move on the mud, or pierce the watery mass;
These, as successive generations bloom,
New powers acquire and larger limbs assume;
Whence countless groups of vegetation spring,
And breathing realms of fin and feet and wing.
- Erasmus Darwin. The Temple of Nature. 1802.
Außerdem hat mich beides an diesen einen Cectic Comic erinnert.
Sonntag, Oktober 12, 2008
Was uns Forschung an Pflanzen über Parasiten sagt
Ich bin vor ein paar Tagen über ein Paper gestolpert, eher durch Zufall. Es ist auch schon ein paar Monate alt. Als ich dann aber so da lag und mein Knie rieb (OK, der war flach...), kam mir der Inhalt des Artikels immer interessanter vor. Denn es verbindet tatsächlich auf seinen wenigen Seiten so grundverschiedene Themen wie Pflanzenphysiologie, Parasitologie, Evolution und (Tropen)medizin [1]. Ich denke ich werde den Hintergrund auch mal in der Reihenfolge angehen.
Was hat das mit Pflanzenphysiologie zu tun?
Phytohormone sind sind pflanzliche Botenstoffe, die Wachstum und Entwicklung des Organismus regulieren. Sie wirken also ähnlich wie tierische Hormone, Endokrinologen kriegen bei der Bezeichnung trotzdem ne Gänsehaut vor Ekel. Die klassischen Phytohormone sind, mit sehr unterschiedlichen und teils gegensätzlichen Wirkungen, Auxine, Cytokinine, Gibberelline, Ethylen und die Abscisinsäure [2]. Wichtig für das Paper ist die letztgenannte Abscisinsäure (ABA, vom englischen abscisic acid).
Ihrer Biosynthese nach ist die ABA ein Sesquiterpen (woher dieser komische Name kommt ist noch wichtig, wird gleich erklärt, versprochen!). Eine ihrer wichtigsten Eigenschaften versteckt sich schon in ihrem Namen, sie ist nämlich für die Abszission (also den Abwurf) der Blätter und Früchte verantwortlich. ABA ist ein inhibitorische Phytohormon, das die wachstumsfördernden Signale anderer Phytohormone unterdrückt. So werden neben Laubfall auch Prozesse wie Alterung, Blütenbildung, Samenruhe und viele weitere streng reguliert.
Und jetzt Parasiten?
Der Stamm der Apicomplexa umfasst viele einzellige Eukaryoten, die alle (!) als tierische Parasiten leben. Bekannte Vertreter dieses Stammes sind Plasmodium-Arten, die Malaria hervorrufen, Toxoplasma gondii (Toxoplasmose), Babesia sp. (Babesiose) oder Cryptosporidium sp. (Kryptosporidiose). Üblicherweise haben Apicomplexa einen komplexen Lebenszyklus, der sowohl sexuelle als auch asexuelle Reproduktion in verschiedenen Wirten umfasst. Zudem findet normalerweise zumindest ein Stadium der Entwicklung innerhalb der Zellen des Wirtes statt (etwa in roten Blutkörperchen bei den Malaria-Erregern Plasmodium).
Alleine mit Malaria werden jährlich weltweit etwa 300 - 500 Millionen Menschen neu infiziert, 1,5 - 2,7 Millionen Menschen sterben an der Infektion.
OK, jetzt zur Evolution!
Das hat mit der Endosymbiontentheorie von Lynn Margulis zu tun. Es geht dabei um die Frage, wie aus den Zellkern-losen Bakterien (Prokaryoten) die Organismen mit Zellkern (Eukaryoten, also Pflanzen, Pilze und Tiere) entstanden. Die Endosymbiontentheorie besagt, dass ein Bakterium oder ein früher Eukaryot ein anderes Bakterium (wahrscheinlich ein α-Proteobakterium) in seine Zelle aufnahm. Doch anstatt es wie üblich zu verdauen gingen beide eine Symbiose ein. Aus diesem Endosymbionten wurde schließlich das Organell der Eukaryoten, das oft auch als das "Kraftwerk der Zelle" bezeichnet wird, das Mitochondrion. Bei der Entwicklung der Pflanzen kam es zu einer weiteren Endosymbiose. Ein früher Eukaryot, der bereits Mitochondrien besaß, nahm ein anderes Bakterium in die Zelle auf, ein zur Photosynthese fähiges Cyanobakterium. Daraus entstanden die Plastiden, also Zellorganelle der Pflanzen, die sich beispielsweise zu Chloroplasten entwickeln und den Pflanzen ihre photosynthetischen Eigenschaften geben.
Diese Überlegungen sind mittlerweile auf zahlreichen Ebenen gut abgesichert. So besitzen sowohl Mitochondrien, als auch Plastiden in den Zellen eigene kleine Genome. Die Gene passen aber nicht zu eukaryotischen, sondern zu prokaryotischen Genen! Außerdem ist das komplette System um die DNA herum (Replikation, Transkription und Translation) nach bakteriellem Vorbild aufgebaut.
Zurück zu unseren Parasiten
Was ich eben beschrieben habe, nennt man primäre Endosymbiose, also die Aufnahme eines Bakteriums in die Zelle, aus der sich ein symbiotisches Zellorganell entwickelt. Verschiedene Arten sind aber noch einen Schritt weitergegangen, darunter auch die Apicomplexa: Bei einer sekundären Endosymbiose wird ein Eukaryot in die Zelle aufgenommen, der bereits einen primären Endosymbionten enthält! Der Name der Apicomplexa kommt von einem solchen sekundären Endosymbionten, denn sie besitzen an der Spitze (api-) der Zelle ein Organell namens Apicoplast, das auf eine einzellige Alge zurückzuführen ist. Das bedeutet letztlich, dass diese Tiergruppe eine einzellige Pflanze in ihre Zellen aufgenommen hat! Sehr deutlich wird das, wenn man sich das Genom des Apicoplasten ansieht - es enthält pflanzliche photosynthetische Gene [3].
Ebenfalls enthalten im Genom des Apicoplasten ist ein kompletter Syntheseweg, den man nur in Pflanzen findet: Der alternative Weg zur Synthese von Isoprenioden (alternativ auch als Terpenoide bezeichnet), oder DOXP/MEP-Weg [4]. Über diesen Weg werden jede Menge wichtige Stoffe hergestellt, beispielsweise Carotinoide , Steroide, Gibberelline, und eben auch die Abscisinsäure. Da Apicomplexa die einzigen Tiere sind, die diesen eigentlich pflanzenspezifischen Weg besitzen, wurde er schnell als ein gutes Ziel zur Bekämpfung dieser Parasiten erkannt. Malaria wird bespielsweise mit Fosmidomycin bekämpft, das ein zentrales Enzym des DOXP/MEP-Weges hemmt.
Jetzt endlich zum Paper
Nachdem nun also alle nötigen Vorkenntnisse da sind will ich wenigstens kurz was zu dem Paper selbst sagen ;-). Kisaburo Nagamune und Kollegen untersuchten aufgrund dieses Wissens den Parasiten Toxoplasma gondii auf mögliche molekulare Mechanismen in Verbindung mit ABA.
Calcium ist ein wichtiges zelluläres Signal in Tieren und Pflanzen, über das verschiedenste Signalwege reguliert werden. Im Artikel konnte gezeigt werden, dass T. gondii in seinem Apicoplasten ABA produziert, und dass deren Menge die Calcium-Konzentration in der Zelle reguliert. Die außerliche Gabe von ABA führte ebenfalls zu einer konzentrationsabhängigen Zunahme der Calciumkonzentration, und hatte außerdem die üblichen Folgen von Calciumsignalen in dem Parasiten, unter anderem das Verlassen der Wirtszelle (wie gesagt, Apicomplexa leben in einem ihrer Stadien innerhalb der Zellen des Wirtes).
Ein gut bekanntes Herbizid ist Fluridon, das über die Hemmung der ABA-Synthese zum Absterben von Pflanzen führt. Dies haben die Autoren auch auf T. gondii getestet, und konnten ein entsprechendes Verhalten des Parasiten zeigen: Weniger Calcium, darum auch keine der davon abhängigen Signale, und letztendlich auch kein Verlassen der befallenen Zelle durch den Parasiten. Dies hat eine sehr wichtige Folge, da sich der Parasit dadurch nicht mehr im Wirtsorganismus selbst ausbreiten kann, und auch keine Nachkommen etwa über den Kot des Wirts in die nächste Runde des Fortpflanzungsmechanismus schicken kann! Dies zeigte sich gut im Tierversuch: Bereits nach 13 Tagen waren ca. 80% der mit T. gondii infizierten Mäuse gestorben, während fast alle der zusätzlich mit Fluridon behandelten Mäuse überlebten. Da Fluridon wie gesagt ein bereits als Herbizid eingesetzter Stoff ist, sind Daten zur Gefährlichkeit gegenüber Tieren vorhanden. Da der gesamte Stoffwechselweg in Tieren (außer Apicomplexa natürlich) nicht vorhanden ist, ist auch Fluridon nur wenig toxisch in Säugern. Dies zeigt also zu einem sehr vielversprechenden Kandidaten, mit dem sich Infektionen von Toxoplasma, aber sehr wahrscheinlich auch anderen Apicomplexa wie Plasmodium, bekämpfen ließen. Bedenkt man das enorme Ausmaß an jährlichen Neuinfektionen und Todesfällen, die auf die Apicomplexa zurückzuführen sind, stellt diese Entdeckung einen neuen Hoffnungsschimmer dar.
Toxoplasma tötet nicht direkt, aber!
Abschließend will ich noch auf interessante Beobachtungen im Zusammenhang mit Toxoplasma eingehen. Über die Malariaerreger Plasmodium sp. ist bereits viel bekannt. Das ist für T. gondii nicht der Fall, weil infizierte Menschen oft symptomlos sind, oder nur leichte grippeähnliche Symptome zeigen. Eigentlich sind Katzen der Endwirt von Toxoplasma. Nur in ihren Körpern kann er sich sexuell fortpflanzen und somit den komplexen Reproduktionskreislauf schließen. Als Zwischenwirt dienen Nager, Katzen infizieren sich mit Toxoplasma, indem sie infizierte Nager erlegen. Anders als Plasmodium lebt T. gondii aber nicht in roten Blutkörperchen, sondern im Zwischenwirt (und im Fehlwirt Mensch) in Muskeln und Gehirn. Und gerade im Gehirn beeinflusst der Parasit seine Chancen, vom Endwirt Katze aufgenommen zu werden. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Nager normalerweise eine Angstreaktion zeigen, wenn sie Katzenurin riechen, und flüchten. Diese Reaktion wird von Toxoplasma unterdrückt, so dass die Wahrscheinlichkeit eines infizierten Nagers viel größer wird, von einer Katze gefressen zu werden.
Diese Beobachtung ist die Basis für die Vermutung von Forschern wie Kevin Lafferty in einem Artikel von 2006, dass Toxoplasma auch das Verhalten von infizierten Menschen beeinflussen könnte. Und es sind gar nicht so wenige Menschen mit dem Parasiten infiziert als man vielleicht denkt: In Deutschland besitzen etwa 60% der Bevölkerung Antikörper gegen Toxoplasma, waren also in ihrem Leben schon mindestens einmal damit infiziert. Die akute Infektionsrate ist zwischen den Ländern unterschiedlich. In Großbritannien sind ca. 7% der Bevölkerung akut infiziert, während es in dem wärmeren und feuchteren Klima Brasiliens fast 70% sind! Eine Beeinflussung des Verhaltens durch den Parasiten bei einer so hohen Infektionsrate wäre wirklich enorm.
Womit wir in das Reich der nicht unumstrittenen Beobachtungen kommen. Aufgrund von Korrelationsstudien zwischen Ländern konnte Lafferty zeigen, dass das Vorkommen von Neurotizismus in vielen Ländern mit dem Level an Toxoplasma-Infektionen korreliert. In Ländern mit einer hohen Infektionsrate war auch eher eine männliche Orientierung der Gesellschaft auf Arbeit, und Geld statt Menschen und Beziehungen festzustellen.
Wie gesagt, hierbei handelt es sich nur um Korrelationen, und es steht keinesfalls fest, dass eine Infektion eines Menschen direkt dessen Verhalten beeinflusst. Schließlich könnte es sich hier auch einfach um einen Zufall handeln, bei dem die äußeren Bedingungen wie das Klima, die eine Infektion mit Toxoplasma fördern, auch bestimmtes menschliches Verhalten bevorzugen. Trotzdem ist das ein sehr spannender Gedanke, dass ein einfacher Parasit, der eigentlich gar nicht in den Menschen will, ganze Gesellschaften beeinflussen könnte!
[1] Demnächst vielleicht dann auch Medizin der mittleren Breiten. Die Tigermücke Aedes albopictus, Vektor von Viruserkrankungen wie Chikungunya und dem Gelbfieber, hat es schon über die Alpen geschafft.
[2] Mittlerweile ebenfalls etabliert sind Brassinosteroide und Jasmonate.
[3] Diese Gene sind aber in den Apicomplexa inaktiv. Dort wo die sich aufhalten (im Körper anderer Tiere) kommt eh nicht so viel Licht an.
[4] in lang wäre das 1-Deoxy-D-Xylulose-5-Phosphat/2C-Methyl-D-Erythritol-4-Phosphat-Weg. Darum lieber die Abkürzung...
Kisaburo Nagamune, Leslie M. Hicks, Blima Fux, Fabien Brossier, Eduardo N. Chini, L. David Sibley (2008). Abscisic acid controls calcium-dependent egress and development in Toxoplasma gondii Nature, 451 (7175), 207-210 DOI: 10.1038/nature06478
Kevin D. Lafferty (2006). Can the common brain parasite, Toxoplasma gondii, influence human culture? Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 273 (1602), 2749-2755 DOI: 10.1098/rspb.2006.3641
Was hat das mit Pflanzenphysiologie zu tun?
Phytohormone sind sind pflanzliche Botenstoffe, die Wachstum und Entwicklung des Organismus regulieren. Sie wirken also ähnlich wie tierische Hormone, Endokrinologen kriegen bei der Bezeichnung trotzdem ne Gänsehaut vor Ekel. Die klassischen Phytohormone sind, mit sehr unterschiedlichen und teils gegensätzlichen Wirkungen, Auxine, Cytokinine, Gibberelline, Ethylen und die Abscisinsäure [2]. Wichtig für das Paper ist die letztgenannte Abscisinsäure (ABA, vom englischen abscisic acid).
Ihrer Biosynthese nach ist die ABA ein Sesquiterpen (woher dieser komische Name kommt ist noch wichtig, wird gleich erklärt, versprochen!). Eine ihrer wichtigsten Eigenschaften versteckt sich schon in ihrem Namen, sie ist nämlich für die Abszission (also den Abwurf) der Blätter und Früchte verantwortlich. ABA ist ein inhibitorische Phytohormon, das die wachstumsfördernden Signale anderer Phytohormone unterdrückt. So werden neben Laubfall auch Prozesse wie Alterung, Blütenbildung, Samenruhe und viele weitere streng reguliert.
Und jetzt Parasiten?
Der Stamm der Apicomplexa umfasst viele einzellige Eukaryoten, die alle (!) als tierische Parasiten leben. Bekannte Vertreter dieses Stammes sind Plasmodium-Arten, die Malaria hervorrufen, Toxoplasma gondii (Toxoplasmose), Babesia sp. (Babesiose) oder Cryptosporidium sp. (Kryptosporidiose). Üblicherweise haben Apicomplexa einen komplexen Lebenszyklus, der sowohl sexuelle als auch asexuelle Reproduktion in verschiedenen Wirten umfasst. Zudem findet normalerweise zumindest ein Stadium der Entwicklung innerhalb der Zellen des Wirtes statt (etwa in roten Blutkörperchen bei den Malaria-Erregern Plasmodium).
Alleine mit Malaria werden jährlich weltweit etwa 300 - 500 Millionen Menschen neu infiziert, 1,5 - 2,7 Millionen Menschen sterben an der Infektion.
OK, jetzt zur Evolution!
Das hat mit der Endosymbiontentheorie von Lynn Margulis zu tun. Es geht dabei um die Frage, wie aus den Zellkern-losen Bakterien (Prokaryoten) die Organismen mit Zellkern (Eukaryoten, also Pflanzen, Pilze und Tiere) entstanden. Die Endosymbiontentheorie besagt, dass ein Bakterium oder ein früher Eukaryot ein anderes Bakterium (wahrscheinlich ein α-Proteobakterium) in seine Zelle aufnahm. Doch anstatt es wie üblich zu verdauen gingen beide eine Symbiose ein. Aus diesem Endosymbionten wurde schließlich das Organell der Eukaryoten, das oft auch als das "Kraftwerk der Zelle" bezeichnet wird, das Mitochondrion. Bei der Entwicklung der Pflanzen kam es zu einer weiteren Endosymbiose. Ein früher Eukaryot, der bereits Mitochondrien besaß, nahm ein anderes Bakterium in die Zelle auf, ein zur Photosynthese fähiges Cyanobakterium. Daraus entstanden die Plastiden, also Zellorganelle der Pflanzen, die sich beispielsweise zu Chloroplasten entwickeln und den Pflanzen ihre photosynthetischen Eigenschaften geben.
Diese Überlegungen sind mittlerweile auf zahlreichen Ebenen gut abgesichert. So besitzen sowohl Mitochondrien, als auch Plastiden in den Zellen eigene kleine Genome. Die Gene passen aber nicht zu eukaryotischen, sondern zu prokaryotischen Genen! Außerdem ist das komplette System um die DNA herum (Replikation, Transkription und Translation) nach bakteriellem Vorbild aufgebaut.
Zurück zu unseren Parasiten
Was ich eben beschrieben habe, nennt man primäre Endosymbiose, also die Aufnahme eines Bakteriums in die Zelle, aus der sich ein symbiotisches Zellorganell entwickelt. Verschiedene Arten sind aber noch einen Schritt weitergegangen, darunter auch die Apicomplexa: Bei einer sekundären Endosymbiose wird ein Eukaryot in die Zelle aufgenommen, der bereits einen primären Endosymbionten enthält! Der Name der Apicomplexa kommt von einem solchen sekundären Endosymbionten, denn sie besitzen an der Spitze (api-) der Zelle ein Organell namens Apicoplast, das auf eine einzellige Alge zurückzuführen ist. Das bedeutet letztlich, dass diese Tiergruppe eine einzellige Pflanze in ihre Zellen aufgenommen hat! Sehr deutlich wird das, wenn man sich das Genom des Apicoplasten ansieht - es enthält pflanzliche photosynthetische Gene [3].
Ebenfalls enthalten im Genom des Apicoplasten ist ein kompletter Syntheseweg, den man nur in Pflanzen findet: Der alternative Weg zur Synthese von Isoprenioden (alternativ auch als Terpenoide bezeichnet), oder DOXP/MEP-Weg [4]. Über diesen Weg werden jede Menge wichtige Stoffe hergestellt, beispielsweise Carotinoide , Steroide, Gibberelline, und eben auch die Abscisinsäure. Da Apicomplexa die einzigen Tiere sind, die diesen eigentlich pflanzenspezifischen Weg besitzen, wurde er schnell als ein gutes Ziel zur Bekämpfung dieser Parasiten erkannt. Malaria wird bespielsweise mit Fosmidomycin bekämpft, das ein zentrales Enzym des DOXP/MEP-Weges hemmt.
Jetzt endlich zum Paper
Nachdem nun also alle nötigen Vorkenntnisse da sind will ich wenigstens kurz was zu dem Paper selbst sagen ;-). Kisaburo Nagamune und Kollegen untersuchten aufgrund dieses Wissens den Parasiten Toxoplasma gondii auf mögliche molekulare Mechanismen in Verbindung mit ABA.
Calcium ist ein wichtiges zelluläres Signal in Tieren und Pflanzen, über das verschiedenste Signalwege reguliert werden. Im Artikel konnte gezeigt werden, dass T. gondii in seinem Apicoplasten ABA produziert, und dass deren Menge die Calcium-Konzentration in der Zelle reguliert. Die außerliche Gabe von ABA führte ebenfalls zu einer konzentrationsabhängigen Zunahme der Calciumkonzentration, und hatte außerdem die üblichen Folgen von Calciumsignalen in dem Parasiten, unter anderem das Verlassen der Wirtszelle (wie gesagt, Apicomplexa leben in einem ihrer Stadien innerhalb der Zellen des Wirtes).
Ein gut bekanntes Herbizid ist Fluridon, das über die Hemmung der ABA-Synthese zum Absterben von Pflanzen führt. Dies haben die Autoren auch auf T. gondii getestet, und konnten ein entsprechendes Verhalten des Parasiten zeigen: Weniger Calcium, darum auch keine der davon abhängigen Signale, und letztendlich auch kein Verlassen der befallenen Zelle durch den Parasiten. Dies hat eine sehr wichtige Folge, da sich der Parasit dadurch nicht mehr im Wirtsorganismus selbst ausbreiten kann, und auch keine Nachkommen etwa über den Kot des Wirts in die nächste Runde des Fortpflanzungsmechanismus schicken kann! Dies zeigte sich gut im Tierversuch: Bereits nach 13 Tagen waren ca. 80% der mit T. gondii infizierten Mäuse gestorben, während fast alle der zusätzlich mit Fluridon behandelten Mäuse überlebten. Da Fluridon wie gesagt ein bereits als Herbizid eingesetzter Stoff ist, sind Daten zur Gefährlichkeit gegenüber Tieren vorhanden. Da der gesamte Stoffwechselweg in Tieren (außer Apicomplexa natürlich) nicht vorhanden ist, ist auch Fluridon nur wenig toxisch in Säugern. Dies zeigt also zu einem sehr vielversprechenden Kandidaten, mit dem sich Infektionen von Toxoplasma, aber sehr wahrscheinlich auch anderen Apicomplexa wie Plasmodium, bekämpfen ließen. Bedenkt man das enorme Ausmaß an jährlichen Neuinfektionen und Todesfällen, die auf die Apicomplexa zurückzuführen sind, stellt diese Entdeckung einen neuen Hoffnungsschimmer dar.
Toxoplasma tötet nicht direkt, aber!
Abschließend will ich noch auf interessante Beobachtungen im Zusammenhang mit Toxoplasma eingehen. Über die Malariaerreger Plasmodium sp. ist bereits viel bekannt. Das ist für T. gondii nicht der Fall, weil infizierte Menschen oft symptomlos sind, oder nur leichte grippeähnliche Symptome zeigen. Eigentlich sind Katzen der Endwirt von Toxoplasma. Nur in ihren Körpern kann er sich sexuell fortpflanzen und somit den komplexen Reproduktionskreislauf schließen. Als Zwischenwirt dienen Nager, Katzen infizieren sich mit Toxoplasma, indem sie infizierte Nager erlegen. Anders als Plasmodium lebt T. gondii aber nicht in roten Blutkörperchen, sondern im Zwischenwirt (und im Fehlwirt Mensch) in Muskeln und Gehirn. Und gerade im Gehirn beeinflusst der Parasit seine Chancen, vom Endwirt Katze aufgenommen zu werden. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Nager normalerweise eine Angstreaktion zeigen, wenn sie Katzenurin riechen, und flüchten. Diese Reaktion wird von Toxoplasma unterdrückt, so dass die Wahrscheinlichkeit eines infizierten Nagers viel größer wird, von einer Katze gefressen zu werden.
Diese Beobachtung ist die Basis für die Vermutung von Forschern wie Kevin Lafferty in einem Artikel von 2006, dass Toxoplasma auch das Verhalten von infizierten Menschen beeinflussen könnte. Und es sind gar nicht so wenige Menschen mit dem Parasiten infiziert als man vielleicht denkt: In Deutschland besitzen etwa 60% der Bevölkerung Antikörper gegen Toxoplasma, waren also in ihrem Leben schon mindestens einmal damit infiziert. Die akute Infektionsrate ist zwischen den Ländern unterschiedlich. In Großbritannien sind ca. 7% der Bevölkerung akut infiziert, während es in dem wärmeren und feuchteren Klima Brasiliens fast 70% sind! Eine Beeinflussung des Verhaltens durch den Parasiten bei einer so hohen Infektionsrate wäre wirklich enorm.
Womit wir in das Reich der nicht unumstrittenen Beobachtungen kommen. Aufgrund von Korrelationsstudien zwischen Ländern konnte Lafferty zeigen, dass das Vorkommen von Neurotizismus in vielen Ländern mit dem Level an Toxoplasma-Infektionen korreliert. In Ländern mit einer hohen Infektionsrate war auch eher eine männliche Orientierung der Gesellschaft auf Arbeit, und Geld statt Menschen und Beziehungen festzustellen.
Wie gesagt, hierbei handelt es sich nur um Korrelationen, und es steht keinesfalls fest, dass eine Infektion eines Menschen direkt dessen Verhalten beeinflusst. Schließlich könnte es sich hier auch einfach um einen Zufall handeln, bei dem die äußeren Bedingungen wie das Klima, die eine Infektion mit Toxoplasma fördern, auch bestimmtes menschliches Verhalten bevorzugen. Trotzdem ist das ein sehr spannender Gedanke, dass ein einfacher Parasit, der eigentlich gar nicht in den Menschen will, ganze Gesellschaften beeinflussen könnte!
[1] Demnächst vielleicht dann auch Medizin der mittleren Breiten. Die Tigermücke Aedes albopictus, Vektor von Viruserkrankungen wie Chikungunya und dem Gelbfieber, hat es schon über die Alpen geschafft.
[2] Mittlerweile ebenfalls etabliert sind Brassinosteroide und Jasmonate.
[3] Diese Gene sind aber in den Apicomplexa inaktiv. Dort wo die sich aufhalten (im Körper anderer Tiere) kommt eh nicht so viel Licht an.
[4] in lang wäre das 1-Deoxy-D-Xylulose-5-Phosphat/2C-Methyl-D-Erythritol-4-Phosphat-Weg. Darum lieber die Abkürzung...
Kisaburo Nagamune, Leslie M. Hicks, Blima Fux, Fabien Brossier, Eduardo N. Chini, L. David Sibley (2008). Abscisic acid controls calcium-dependent egress and development in Toxoplasma gondii Nature, 451 (7175), 207-210 DOI: 10.1038/nature06478
Kevin D. Lafferty (2006). Can the common brain parasite, Toxoplasma gondii, influence human culture? Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 273 (1602), 2749-2755 DOI: 10.1098/rspb.2006.3641
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Die Nobelpreise 2008 für Life Sciences
Mit dem Preis für Physiologie oder Medizin am Montag und dem für Chemie am Mittwoch sind die möglichen Kategorien für Biologen in der diesjährigen Nobelpreisrunde durch. Die Preisträger für Medizin hatte dieses Jahr niemand auf seiner Liste möglicher Kandidaten. Ausgezeichnet für ihre Leistungen wurden die beiden Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des HI-Virus und der Deutsche Harald zur Hausen für die Verbindungen von Infektionen mit Papillomaviren und der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs.
Am Mittwoch wurde dann die Entwicklung einer mittlerweile zentralen Methode der biologischen Grundlagenforschung mit dem Chemie-Nobelpreis belohnt: fluoreszente Proteine. Bereits in den 1960ern und 70ern isolierte Osamu Shimomura das grünfluoreszierende Protein GFP aus der Qualle Aequorea victoria. Dann geschah lange Zeit nichts, bis Douglas Prasher (der hier leer ausging) Anfang der 1990er mit der Klonierung des GFP-Gens begann, die Martin Chalfie schließlich beendete. Er konnte das Gen in das Bakterium Escherichia coli und den Fadenwurm Caenorhabditis elegans einbringen und zeigte, dass die Zellen dieser Organismen, die GFP produzierten, grün fluoreszierten. Damit war der Grundstein gelegt für einen Siegeszug von GFP in fast jedem Gebiet der Life Sciences. Roger Y. Tsien vergrößerte das Potential um ein Vielfaches - ausgehend vom herkömmlichen GFP erzeugte er eine ganze Reihe von Farbvarianten durch künstliche Evolution im Labor. Die Anwendungsmöglichkeiten für fluoreszente Proteine sind fast unendlich, eine Auswahl der grundlegenden findet sich bei WeiterGen [1], dem Fischblog und Pharyngula und zahlreichen weiteren Blogs.
Ich möchte deshalb hier einige der abgeleiteten Methoden vorstellen, die aber alle auf den Grundeigenschaften von fluoreszenten Proteinen basieren.
FRET (Fluorescence Resonance Energy Transfer)
Um ein fluoreszentes Protein (FP) sichtbar zu machen, muss man es mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlen (das Anregungslicht). Das FP emittiert darauf ein Licht einer größeren (energieärmeren) Wellenlänge. Im Beispiel von GFP sind das 488 bzw. 509 nm. Bei FRET nutzt man nun das Wissen um Anregungs- und Emissionwellenlängen, um die Interaktion von Proteinen zu untersuchen. Will ich wissen, ob Protein A und Protein B miteinander interagieren, dann kann ich je ein FP mit einem der Zielproteine verknüpfen. Nur bei der Interaktion beider Proteine kommen die beiden FPs in eine räumliche Nähe zueinander. Das hat aber auf die Fluoreszenz einen nützlichen Effekt: Rege ich das erste FP mit seinem eigenen Anregungslicht an, dann erhalte ich nicht wie übliche dessen Emissionslicht zurück, sondern das des zweiten FPs, das ich überhaupt nicht angeregt habe! Wie geht das? Aufgrund der großen räumlichen Nähe der beiden FPs kann das erste FP seine Energie nach der Anregung auf das zweite FP übertragen, anstatt selbst Licht zu emittieren. Das heißt also: nur wenn die beiden Proteine A und B miteinander interagieren, kommt es zu FRET zwischen den beiden damit verknüpften FPs. Durch FRET kann man untersuchen, ob, wo und wann Proteine in der lebenden Zelle interagieren. Clever!
BiFC (Bimolecular Fluorescence Complementation)
FRET ist eine tolle Methode, um Proteininteraktionen zu untersuchen. Leider benötigt man dafür spezielle Geräte (Mikroskop, Laser, Detektion), man kann ein FRET-Experiment nicht mit einem normalen Fluoreszenzmikroskop durchführen. Das ist mit der etwas neueren Methode BiFC (oft auch split-YFP genannt, weil der Versuch klassischerweise mit dem Yellow Fluorescenz Protein YFP durchgeführt wird) aber gut möglich. Grundlage dieser Methode ist eine tolle Eigenschaft der fluoreszenten Proteine: man kann das Gen für ein FP in zwei Hälften teilen, die beiden Proteinhälften bilden in der Zelle dann ein funktionsfähiges, fluoreszierendes Protein! Praktisch an der Sache ist aber, dass sie das für sich alleine nicht machen, sondern nur wenn die FP-Hälften künstlich in enge räumliche Nähe in der Zelle gebracht werden. Zum Beispiel, indem man je eine Hälfte an eins von zwei Zielproteinen hängt, deren Interaktion man untersuchen möchte. So kommen die FP-Hälften nur zusammen, wenn die Zielproteine interagieren - man sieht die Fluoreszenz also nur dann und dort in der Zelle, wann und wo die Interaktion stattfindet. [2]
FRAP (Fluorescence Recovery After Photobleaching)
In der Zelle herrscht jede Menge Dynamik. Proteine werden in bestimmte Organelle transportiert, werden zu bestimmten Zeitpunkten oder äußeren Zuständen aktiv oder inaktiv, etc. Mit Hilfe von FPs hat man die Möglichkeit, die Wanderung von Proteinen in der Zelle zu beobachten. Ursprünglich fluoresziert jeder Bereich in der Zelle, in dem sich das mit dem FP verknüpfte Zielprotein befindet. Wenn ich nun wissen möchte, ob das Zielprotein in einen kleinen Bereich in der Zelle transportiert wird (und wie schnell das geht, wie es reguliert wird, wann es geschieht), kann ich eine normalerweise problematische Eigenschaft von FPs für meinen Vorteil nutzen. Die große Energiemenge, mit der FPs bombardiert werden, führt irgendwann zu ihrem Ausbleichen. Das heißt, dass sie letztlich zerstört werden. In normalen Experimenten stört dies natürlich ungemein, weil man nicht unbegrenzt Beobachtungen machen kann. Für diese eine Anwendung hilft das Ausbleichen aber: Mit sehr starkem Anregungslicht kann der Zielbereich in der Zelle künstlich ausgebleicht werden. Wird das Zielprotein in der Zelle dorthin transportiert, dann sollte die Fluoreszenz aber mit der Zeit wieder zunehmen. Jetzt kann man die Zeit bestimmen, bis die Fluoreszenz wieder den Ausgangswert erreicht hat, und dadurch auf die Transportrate schließen. Viele Proteine werden durch spezielle Transportproteine durch die Zelle befördert. Dies kann man testen, indem man ein FRAP-Experiment durchführt und dabei einzelne Transportproteine ausschaltet. Ist ein solches am Transport des Zielproteins beteiligt, dann sollte die Fluoreszenz nach dem Ausbleichen nicht mehr zurückkehren.
Brainbow
Diese Methode wurde von Jeff W. Lichtman und Joshua R. Sanes von Harvard entwickelt, um einzelne Nervenzellen individuell anzufärben. Im Grunde kombinierten sie die vorhandenen Farben der fluoreszenten Proteine miteinander, um so über 100 verschiedene Farben erzeugen. Dies ist möglich über ein spezielles genetisches System, das zufällig nur wenige FP-Gene in einer Zelle aktiviert. So sollten, bei einer so großen Bandbreite von möglichen Farben, benachbarte Zellen unterschiedlich gefärbt sein. Und genauso ist es auch, wie Bilder wie dieses hier zeigen.
Das ist nur eine kleine Auswahl von Methoden, die alle darauf beruhen, dass die Preisträger des dieshährigen Nobelpreises für Chemie das Potential von fluoreszenten Proteinen für die wissenschaftliche Gemeinschaft entwickelten. Weitere abgeleitete Methoden findet man in dieser Liste auf der Wikipedia.
Eine kurze Geschichte möchte ich noch erwähnen, die nach der Verkündung der Nobelpreisträger für Chemie am Mittwoch zutage kam. Douglas Prasher, der den Preis nicht erhielt, begann wie ich oben geschrieben habe mit der Klonierung von GFP. Nach ersten Erfolgen musste er aber das Projekt einstellen, weil seine Fördermittel eingestellt wurden [3]. Wie ich auf The Daily Transcript erfahren habe, führte NPR (das National Public Radio der USA) ein Interview mit Prasher über seinen Teil an der GFP-Forschung durch. Er versteht, warum er den Preis nicht erhalten hat, und gönnt ihn den Preisträgern, die durch Prashers Vorarbeit erst zu ihren Ergebnissen kamen.
Sehr traurig ist aber, dass Prasher nun überhaupt nicht mehr forscht, sondern Busfahrer ist, um seine Familie zu ernähren.
[1] Tobias von WeiterGen hatte übrigens vor der Vergabe der Nobelpreise einen kleinen Wettbewerb gestartet, in dem man die Gewinner für Medizin und Chemie tippen konnte. Ich lag zwar bei Medizin total daneben, aber den Chemie-Nobelpreis für GFP habe ich richtig getippt und habe dafür ein WeiterGen-Shirt gewonnen! Dass ich ein Bild von dem Tshirt poste, sobald es bei mir ankommt ist ja klar!
[2] Vor kurzem wurde eine Verbindung von FRET und BiFC beschrieben, um Interaktionen von trimeren Proteinkomplexen zu untersuchen. Durch splitten des Akzeptor-FPs eines klassischen FRET-Experiments in zwei BiFC-Hälften klappt der Resonanzenergietransfer nur, wenn zuerst die beiden FP-Hälften zu einem funktionellen FP zusammengebaut werden, und anschließend das Donor-FP in räumliche Nähe kommt.
[3] Was mal wieder zeigt, wie kurzsichtig die finanziellen Trägereinrichtungen sein können.
Am Mittwoch wurde dann die Entwicklung einer mittlerweile zentralen Methode der biologischen Grundlagenforschung mit dem Chemie-Nobelpreis belohnt: fluoreszente Proteine. Bereits in den 1960ern und 70ern isolierte Osamu Shimomura das grünfluoreszierende Protein GFP aus der Qualle Aequorea victoria. Dann geschah lange Zeit nichts, bis Douglas Prasher (der hier leer ausging) Anfang der 1990er mit der Klonierung des GFP-Gens begann, die Martin Chalfie schließlich beendete. Er konnte das Gen in das Bakterium Escherichia coli und den Fadenwurm Caenorhabditis elegans einbringen und zeigte, dass die Zellen dieser Organismen, die GFP produzierten, grün fluoreszierten. Damit war der Grundstein gelegt für einen Siegeszug von GFP in fast jedem Gebiet der Life Sciences. Roger Y. Tsien vergrößerte das Potential um ein Vielfaches - ausgehend vom herkömmlichen GFP erzeugte er eine ganze Reihe von Farbvarianten durch künstliche Evolution im Labor. Die Anwendungsmöglichkeiten für fluoreszente Proteine sind fast unendlich, eine Auswahl der grundlegenden findet sich bei WeiterGen [1], dem Fischblog und Pharyngula und zahlreichen weiteren Blogs.
Ich möchte deshalb hier einige der abgeleiteten Methoden vorstellen, die aber alle auf den Grundeigenschaften von fluoreszenten Proteinen basieren.
FRET (Fluorescence Resonance Energy Transfer)
Um ein fluoreszentes Protein (FP) sichtbar zu machen, muss man es mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlen (das Anregungslicht). Das FP emittiert darauf ein Licht einer größeren (energieärmeren) Wellenlänge. Im Beispiel von GFP sind das 488 bzw. 509 nm. Bei FRET nutzt man nun das Wissen um Anregungs- und Emissionwellenlängen, um die Interaktion von Proteinen zu untersuchen. Will ich wissen, ob Protein A und Protein B miteinander interagieren, dann kann ich je ein FP mit einem der Zielproteine verknüpfen. Nur bei der Interaktion beider Proteine kommen die beiden FPs in eine räumliche Nähe zueinander. Das hat aber auf die Fluoreszenz einen nützlichen Effekt: Rege ich das erste FP mit seinem eigenen Anregungslicht an, dann erhalte ich nicht wie übliche dessen Emissionslicht zurück, sondern das des zweiten FPs, das ich überhaupt nicht angeregt habe! Wie geht das? Aufgrund der großen räumlichen Nähe der beiden FPs kann das erste FP seine Energie nach der Anregung auf das zweite FP übertragen, anstatt selbst Licht zu emittieren. Das heißt also: nur wenn die beiden Proteine A und B miteinander interagieren, kommt es zu FRET zwischen den beiden damit verknüpften FPs. Durch FRET kann man untersuchen, ob, wo und wann Proteine in der lebenden Zelle interagieren. Clever!
BiFC (Bimolecular Fluorescence Complementation)
FRET ist eine tolle Methode, um Proteininteraktionen zu untersuchen. Leider benötigt man dafür spezielle Geräte (Mikroskop, Laser, Detektion), man kann ein FRET-Experiment nicht mit einem normalen Fluoreszenzmikroskop durchführen. Das ist mit der etwas neueren Methode BiFC (oft auch split-YFP genannt, weil der Versuch klassischerweise mit dem Yellow Fluorescenz Protein YFP durchgeführt wird) aber gut möglich. Grundlage dieser Methode ist eine tolle Eigenschaft der fluoreszenten Proteine: man kann das Gen für ein FP in zwei Hälften teilen, die beiden Proteinhälften bilden in der Zelle dann ein funktionsfähiges, fluoreszierendes Protein! Praktisch an der Sache ist aber, dass sie das für sich alleine nicht machen, sondern nur wenn die FP-Hälften künstlich in enge räumliche Nähe in der Zelle gebracht werden. Zum Beispiel, indem man je eine Hälfte an eins von zwei Zielproteinen hängt, deren Interaktion man untersuchen möchte. So kommen die FP-Hälften nur zusammen, wenn die Zielproteine interagieren - man sieht die Fluoreszenz also nur dann und dort in der Zelle, wann und wo die Interaktion stattfindet. [2]
FRAP (Fluorescence Recovery After Photobleaching)
In der Zelle herrscht jede Menge Dynamik. Proteine werden in bestimmte Organelle transportiert, werden zu bestimmten Zeitpunkten oder äußeren Zuständen aktiv oder inaktiv, etc. Mit Hilfe von FPs hat man die Möglichkeit, die Wanderung von Proteinen in der Zelle zu beobachten. Ursprünglich fluoresziert jeder Bereich in der Zelle, in dem sich das mit dem FP verknüpfte Zielprotein befindet. Wenn ich nun wissen möchte, ob das Zielprotein in einen kleinen Bereich in der Zelle transportiert wird (und wie schnell das geht, wie es reguliert wird, wann es geschieht), kann ich eine normalerweise problematische Eigenschaft von FPs für meinen Vorteil nutzen. Die große Energiemenge, mit der FPs bombardiert werden, führt irgendwann zu ihrem Ausbleichen. Das heißt, dass sie letztlich zerstört werden. In normalen Experimenten stört dies natürlich ungemein, weil man nicht unbegrenzt Beobachtungen machen kann. Für diese eine Anwendung hilft das Ausbleichen aber: Mit sehr starkem Anregungslicht kann der Zielbereich in der Zelle künstlich ausgebleicht werden. Wird das Zielprotein in der Zelle dorthin transportiert, dann sollte die Fluoreszenz aber mit der Zeit wieder zunehmen. Jetzt kann man die Zeit bestimmen, bis die Fluoreszenz wieder den Ausgangswert erreicht hat, und dadurch auf die Transportrate schließen. Viele Proteine werden durch spezielle Transportproteine durch die Zelle befördert. Dies kann man testen, indem man ein FRAP-Experiment durchführt und dabei einzelne Transportproteine ausschaltet. Ist ein solches am Transport des Zielproteins beteiligt, dann sollte die Fluoreszenz nach dem Ausbleichen nicht mehr zurückkehren.
Brainbow
Diese Methode wurde von Jeff W. Lichtman und Joshua R. Sanes von Harvard entwickelt, um einzelne Nervenzellen individuell anzufärben. Im Grunde kombinierten sie die vorhandenen Farben der fluoreszenten Proteine miteinander, um so über 100 verschiedene Farben erzeugen. Dies ist möglich über ein spezielles genetisches System, das zufällig nur wenige FP-Gene in einer Zelle aktiviert. So sollten, bei einer so großen Bandbreite von möglichen Farben, benachbarte Zellen unterschiedlich gefärbt sein. Und genauso ist es auch, wie Bilder wie dieses hier zeigen.
Das ist nur eine kleine Auswahl von Methoden, die alle darauf beruhen, dass die Preisträger des dieshährigen Nobelpreises für Chemie das Potential von fluoreszenten Proteinen für die wissenschaftliche Gemeinschaft entwickelten. Weitere abgeleitete Methoden findet man in dieser Liste auf der Wikipedia.
Eine kurze Geschichte möchte ich noch erwähnen, die nach der Verkündung der Nobelpreisträger für Chemie am Mittwoch zutage kam. Douglas Prasher, der den Preis nicht erhielt, begann wie ich oben geschrieben habe mit der Klonierung von GFP. Nach ersten Erfolgen musste er aber das Projekt einstellen, weil seine Fördermittel eingestellt wurden [3]. Wie ich auf The Daily Transcript erfahren habe, führte NPR (das National Public Radio der USA) ein Interview mit Prasher über seinen Teil an der GFP-Forschung durch. Er versteht, warum er den Preis nicht erhalten hat, und gönnt ihn den Preisträgern, die durch Prashers Vorarbeit erst zu ihren Ergebnissen kamen.
One of the winners, Roger Tsien of the University of California, San Diego, says he was lucky. At just the right time, a researcher named Douglas Prasher at the Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts isolated the gene that Tsien wanted.
"So I found his phone number, called him up, and to my amazement he was willing to give out the gene," Tsien says.
Another of the Nobel laureates, Martin Chalfie of New York's Columbia University, also got the gene from Prasher.
Sehr traurig ist aber, dass Prasher nun überhaupt nicht mehr forscht, sondern Busfahrer ist, um seine Familie zu ernähren.
"I got a hard luck story," he says.
[...]
"At that time, I knew I was going to get out of it; my funding had already run out," Prasher says.
He went to work for a laboratory run by the U.S. Department of Agriculture, then took a job with a NASA contractor in Huntsville. But two-and-a-half years ago, NASA cut his project and Prasher lost his job.
He tried to find a job in science but failed. So he went to work at the car dealership.
[...]
But the job does not pay enough to support his family.
"Our savings is gone; just totally gone," he says.
Prasher is still looking for a research job, but he worries that after two-and-a-half years, his knowledge and skills may be out of date.
That's not what some of his former colleagues say. One called Prasher's current situation a "staggering waste of talent."
[1] Tobias von WeiterGen hatte übrigens vor der Vergabe der Nobelpreise einen kleinen Wettbewerb gestartet, in dem man die Gewinner für Medizin und Chemie tippen konnte. Ich lag zwar bei Medizin total daneben, aber den Chemie-Nobelpreis für GFP habe ich richtig getippt und habe dafür ein WeiterGen-Shirt gewonnen! Dass ich ein Bild von dem Tshirt poste, sobald es bei mir ankommt ist ja klar!
[2] Vor kurzem wurde eine Verbindung von FRET und BiFC beschrieben, um Interaktionen von trimeren Proteinkomplexen zu untersuchen. Durch splitten des Akzeptor-FPs eines klassischen FRET-Experiments in zwei BiFC-Hälften klappt der Resonanzenergietransfer nur, wenn zuerst die beiden FP-Hälften zu einem funktionellen FP zusammengebaut werden, und anschließend das Donor-FP in räumliche Nähe kommt.
[3] Was mal wieder zeigt, wie kurzsichtig die finanziellen Trägereinrichtungen sein können.
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Samstag, Oktober 04, 2008
Für die Neil Gaiman-Fans hier
Neil Gaiman ist gerade auf großer Lesetour für sein neues Buch "The Graveyard Book". An jeder Station liest er ein Kapitel des Buches vor. Und jetzt das tolle daran: HarperCollins filmt jedesmal mit und stellt die Videos online. Kostenlos! Wenn dann am 9. Oktober das letzte Kapitel gelesen wurde, steht also das gesamte Buch, gelesen von Neil Gaiman selbst, frei zugänglich online. Super!
[via boingboing]
[via boingboing]
EndNote verklagt Zotero
Als ich vor kurzem über das Paperverwaltungstool Mendeley berichtete, habe ich auch die Alternative Zotero erwähnt. Das ist eine Firefox-Erweiterung, die nicht nur eine Literaturdatenbank beinhaltet, sondern auch vieles im Onlinebereich unterstützt, etwa die automatische Übernahme von Literaturdaten aus Webseiten. Was ich an Mendeley noch bemängelt habe, nämlich die fehlende Einbindung in Word und co., hat Zotero schon. Doch das ist Dr. Daniel J. Cohen und seinem Arbeitgeber, der George Mason University, schlecht bekommen. Literaturzitate in Texten müssen nach verschiedenen Stilen aufgebaut sein (welche Reihenfolge für Autoren, Jahr und Titel, was wird fett, was kursiv?...), und leider hat jeder Journal seinen eigenen Stil. Da ist es natürlich toll, wenn man sich einfach die fertigen Stilvorgaben des Journals, für den man einen Artikel schreibt, runterladen und dem Literaturprogramm geben kann. Für EndNote wurde damals ein Dateiformat entwickelt, das genau das macht.
Als Hilfe für die Zotero-Nutzer wurde dann ein Tool gebastelt, das die EndNote-Stildateien (.ens) in Zotero-Stildateien (.csl) umwandeln kann. Und das passt dem EndNote-Hersteller Thomson-Reuters (ja, das Reuters!) überhaupt nicht, denn der hat Zotero Entwickler auf über 10 Millionen Dollar verklagt:
Ich bin kein Jurist, deshalb habe ich keine Ahnung welche Chancen diese Klage in den USA haben wird. Aber ich kann trotzdem mal ein wenig über Sinn und Unsinn derselben nachdenken.
Zunächst einmal ist nur das Dateiformat .ens von EndNote geschützt, und vielleicht noch ein paar der Stile die vom Hersteller erstellt wurden. Die allermeisten Stildateien wurden aber entweder von Journals erstellt, dass die Autoren sie sich herunterladen können, oder von vielen Nutzern [1]. Dass es EndNote also wohl seinen Kunden über das License Agreement verbietet, selbsterstellte Stildateien außerhalb von EndNote zu benutzen ist eine Frechheit.
Dann kommt mir diese Taktik irgendwie bekannt vor: Ein großer Konzern, der sein Marktsegment beherrscht, verklagt seine eigenen Kunden. Woher kenn ich das wieder? Achja, die Musikindustrie! Und wie gut das läuft, ist ja allgemein bekannt. Wieso verärgert jemand den eigenen Kundenstamm? Ich verstehe es auch nach Jahren nicht, das kann doch nicht gut für das Produkt sein.
Zusammengefasst hört sich das nämlich für mich so an: "Nachdem wir jahrelang unser etwas veraltetes Produkt konkurrenzfrei anbieten konnten, kommt jetzt so ein Kerl an und gibt seine Alternative kostenlos her. Und das noch mit mehr Features! Den klagen wir in Grund und Boden!"
Damit ist für mich die Entscheidung gefallen: Eine solche Firma möchte ich nicht unterstützen. Mit einem der nächsten Updates werde ich endgültig zu Mendeley wechseln. Ich werde auch den Kollegen raten, lieber freie Alternativen zu nutzen, wenn sie überlegen eine neue EndNote-Version zu kaufen. Und euch rate ich das gleiche. Werft einen Blick auf Zotero, Mendeley und Papers (für Macs), die werden eure Daten nicht in proprietären Zellen einsperren!
[via Crooked Timber]
[1] Wir haben beispielsweise eine Stildatei am Institut, die den Vorgaben für eine Diplomarbeit entspricht. Und die ist sicher nicht von EndNote.
Als Hilfe für die Zotero-Nutzer wurde dann ein Tool gebastelt, das die EndNote-Stildateien (.ens) in Zotero-Stildateien (.csl) umwandeln kann. Und das passt dem EndNote-Hersteller Thomson-Reuters (ja, das Reuters!) überhaupt nicht, denn der hat Zotero Entwickler auf über 10 Millionen Dollar verklagt:
The complaint states, “Dr. Daniel J. Cohen, Associate Professor, Department of History and Art History, and the director of GMU’s Center for History and New Media, developed Zotero, which is a freely distributable, open-source software based research tool that allows users to gather, organize and analyze sources, including citations, and freely share the results with others.” The Center for History and New Media release “a new beta version of Zotero to the general public” on July 8. Reuters adds, “A significant and highly touted feature of the new beta version of Zotero, however, is its ability to convert – in direct violation of the License Agreement – Thomson’s 3,500 plus proprietary .ens style files within the EndNote Software into free, open source, easily distributable Zotero .csl files.”
Zunächst einmal ist nur das Dateiformat .ens von EndNote geschützt, und vielleicht noch ein paar der Stile die vom Hersteller erstellt wurden. Die allermeisten Stildateien wurden aber entweder von Journals erstellt, dass die Autoren sie sich herunterladen können, oder von vielen Nutzern [1]. Dass es EndNote also wohl seinen Kunden über das License Agreement verbietet, selbsterstellte Stildateien außerhalb von EndNote zu benutzen ist eine Frechheit.
Dann kommt mir diese Taktik irgendwie bekannt vor: Ein großer Konzern, der sein Marktsegment beherrscht, verklagt seine eigenen Kunden. Woher kenn ich das wieder? Achja, die Musikindustrie! Und wie gut das läuft, ist ja allgemein bekannt. Wieso verärgert jemand den eigenen Kundenstamm? Ich verstehe es auch nach Jahren nicht, das kann doch nicht gut für das Produkt sein.
Zusammengefasst hört sich das nämlich für mich so an: "Nachdem wir jahrelang unser etwas veraltetes Produkt konkurrenzfrei anbieten konnten, kommt jetzt so ein Kerl an und gibt seine Alternative kostenlos her. Und das noch mit mehr Features! Den klagen wir in Grund und Boden!"
Damit ist für mich die Entscheidung gefallen: Eine solche Firma möchte ich nicht unterstützen. Mit einem der nächsten Updates werde ich endgültig zu Mendeley wechseln. Ich werde auch den Kollegen raten, lieber freie Alternativen zu nutzen, wenn sie überlegen eine neue EndNote-Version zu kaufen. Und euch rate ich das gleiche. Werft einen Blick auf Zotero, Mendeley und Papers (für Macs), die werden eure Daten nicht in proprietären Zellen einsperren!
[via Crooked Timber]
[1] Wir haben beispielsweise eine Stildatei am Institut, die den Vorgaben für eine Diplomarbeit entspricht. Und die ist sicher nicht von EndNote.
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