Montag, Februar 23, 2009

neues Blog: Labtutorials in Biology

Nur ein kurzer Hinweis auf ein neues interessantes Blog von Bálint L. Bálint, Labtutorials in Biology. Darin möchte er grundlegende Materialien, Geräte und Methoden aus der Molekularbiologie vorstellen, so dass beispielsweise Studenten ihre Benutzung lernen.
Spannend ist beispielsweise der Post "Liquid handling with pipettes", in dem er mit vielen (auch eigenen) Bildern und Videos das Funktionsprinzip von Pipetten erklärt, die große Vielfalt der verschiedenen Typen von Pipetten - von der Einmalpipette aus Plastik bis zum Pipettierroboter - zeigt, und auf ihren Einsatz im Labor eingeht.

Den Post sollten sich vielleicht mal die vielen Kriminallabor-Techniker aus dem Fernsehen gründlich antun, dass ich nicht mehr diese chronischen Wunden auf dem Unterarm habe [1].


[via ScienceRoll]

[1] Vom ständigen Reinbeißen, um nicht laut aufschreien zu müssen angesichts dem regelmäßigen Schrotten von teuren Pipetten.

Sonntag, Februar 22, 2009

Diamonds in the Sky

Bleiben wir doch nach meinem letzten astronomischen Post ein wenig in den Sternen. Diesmal aber die der literarischen Art. Mike Brotherton hat nämlich eine Anthologie zusammengestellt, die mehr Aufmerksamkeit verdient.

Sehr oft ist die Menge echter "science" in Science Fiction eher gering. Da wird überlichtschnell gereist, wenns sein muss auch in die Zukunft oder Vergangenheit. Große Raumschlachten mit Explosionen und Schreien. Die Wissenschaft bleibt zugunsten der Story auf der Strecke. Und während manche Leute sogar der Meinung sind, gute Science Fiction braucht schlechte Science, hat Mike Brotherton für seine Anthologie "Diamonds in the Sky" genau das Gegenteil versucht: SF-Kurzgeschichten zusammenzustellen, die astronomische Zusammenhänge möglichst korrekt wiedergeben. Und zwar so korrekt, dass sein Projekt von der National Science Foundation gefördert wurde, und die Kurzgeschichten für Schüler und Studenten als Lernhilfe dienen sollen!

Sehr schön finde ich, dass in der Anthologie beide Seiten zu Wort kommen - ausgezeichnete Science Fiction-Autoren wie Jeffrey Carver, David Levine oder Mary Robinette Kowal, aber eben auch Wissenschaftler wie Kevin R. Grazier (beteiligt an der Cassini/Huygens Mission), oder Valentin Ivanov (Mitarbeiter des ESO).
Alle Kurzgeschichten sind übrigens frei zugänglich über die Read-Links unten. Viel Spaß beim Lesen!

Contents

In the Autumn of Empire (Jerry Oltion)

A cautionary tale about why scientific misconceptions can be important. This story will also be appearing in Analog soon. Keywords: The seasons. Misconceptions.
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End of the World (Alma Alexander)

Nothing is forever, not even the earth and sky. Keywords: Evolution of the sun.
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The Freshmen Hookup (Wil McCarthy)

An exploration of how the elements are built in stars using the antics of college freshmen as a metaphor. Keywords: Stellar nucleosynthesis.
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Galactic Stress (David Levine)

You think your life is stressful? How about having to deal with the entire universe? Keywords: Scales of the Universe.
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The Moon is a Harsh Pig (Jerry Weinberg)

Robert Heinlein’s novel The Moon is a Harsh Mistress about a revolt on the Moon was a landmark novel of the 1960s. Jerry’s story is also educational. Keywords: Phases of the Moon, Misconceptions.
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The Point (Mike Brotherton)

What is the meaning of life in an expanding universe? This story previously appeared at www.mikebrotherton.com. Keywords: Cosmology
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Squish (Dan Hoyt)

How would you like a whirlwind tour of the planets? Keywords: The Solar System.
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Jaiden’s Weaver (Mary Robinette Kowal)

So many things about life on Earth depend on the cycles of the sky, from the moon and tides to seasons and more. Well, what if the sky were different? How would humans adapt to life on a world with rings? Keywords: Planetary rings
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How I Saved the World (Valentin Ivanov)

The movies Armageddon and Deep Impact featured nuclear bombs to divert asteroids headed for Earth, but this is really not the best way to deal with this threat. This story was originally published in Bulgaria, in the annual almanac “Fantastika”, the 2007 issue. Publisher: “Human Library Foundation”, Sofia. ISSN 1313-3632. Editors: Atanas P. Slavov and Kalin Nenov. Keywords: Killer asteroids
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Dog Star (Jeffrey A. Carver)

It permeates space and has a subtle but important effect on our existence. What if the effect were not so subtle? Keywords: Dark Energy
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The Touch (G. David Nordley)

Life in the Milky Way can be harsh depending the neighborhood you live in. You should hope you have helpful neighbors when the times are harsh. This story originally appeared in The Age of Reason, edited by Kurt Roth, at SFF.net in 1999. Keywords: Supernova (type 1a)
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Planet Killer (Kevin Grazier and Ges Seger)

And sometimes the times are harsh but you have to depend on yourselves. It helps if you have a little unlikely but useful faster-than-light starships as in Star Trek. Keywords: That would be telling!
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The Listening-Glass (Alexis Glynn Latner)

What’s the future hold for astronomy and astronomers? What would it be like to work on the moon? An earlier version of the story was first published in the February, 1991 issue of Analog Science Fiction/Science Fact. Keywords: Radio astronomy, the Moon
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Approaching Perimelasma (Geoffrey A. Landis)

A sophisticated tale about the ultimate journey. Previously published in Asimov’s Science Fiction, Jan. 1998. Keywords: Black holes
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Freitag, Februar 20, 2009

Epigenetik ≠ Lamarckismus

Ein Artikel auf Heise online mit dem herausfordenden Titel "Nager vererben erworbene Fähigkeiten" ist auf den in letzter Zeit in den Medien so beliebten "Lamarck hatte doch Recht!"-Zug aufgesprungen.

Es geht in dem Artikel um aktuelle Forschungsergebnisse aus der Neurobiologie von Mäusen. Kurz zusammengefasst wurde eine Mäuselinie, die aufgrund einer Mutation Schwierigkeiten mit Erinnerungen hat, auf Gedächtnisleistungen untersucht. Die Forscher stellten dabei fest, dass junge Mäuse dieser Linie, wenn sie in einer Umwelt groß gezogen wurden, die das Hirn fordert - Spielzeuge, soziale Interaktionen, Bewegungsfreiheit - besser in Gedächtnistests abschnitten. Soweit so altbekannt. Überraschend kam nun für die Forscher, dass auch die Nachkommen dieser besonders geförderten Mäuse bessere Erinnerungen hatten, auch wenn sie selbst nicht in einer stimulierenden Umwelt aufwuchsen.


Der Autor des Heise-Artikels sieht darin die verspätete Rache von Lamarck an Darwin. Wieso ist das aber falsch, und wie sollten die Ergebnisse eher interpretiert werden?

Jean-Baptiste de Lamarck (1744 - 1829) war ein französischer Naturforscher mit einem recht interessanten Leben. Ohne ein abgeschlossenes Studium verfasste er das damalige Standardwerk über die Flora Frankreichs, Flore françoise, und wurde daraufhin Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften und Mitarbeiter des Pariser Botanischen Gartens. Die Stelle am botanischen Garten war aber sehr schlecht bezahlt (je nach Quelle sogar gar nicht), er musste also anderweitig für ein Einkommen sorgen: mit dem Veröffentlichen weiterer botanischer Bücher. Dies spielte sich während der französischen Revolution ab, und während anderswo in der Stadt Köpfe abgeschlagen wurden, erhielt Lamarck eine Anstellung und Professur am neugegründeten naturhistorischen Museum - zuständig nun für Insekten und Würmer, aber bevor man sich in dieser Zeit gegen so eine Anweisung von oben wehrt, lernt ein Botaniker doch lieber etwas neues über Tiere.
Bekannt ist Lamarck jedoch bis heute für seine um 1800 entwickelte Evolutionstheorie. Denn während der Gedanke der Evolution, also der Bildung neuer Arten aus älteren, schon längere Zeit in der frühen Naturwissenschaft herumgeisterte [1], fehlte immer noch ein brauchbarer Mechanismus, der dies bewerkstelligen sollte. Nach Ansicht Lamarcks war dies ein allen Organismen innewohnender Drang, sich von einer einfachen Urform zu einer besseren, komplexeren Form hin zu entwickeln.
Das bekannteste Bild, das die Lamarcksche Evolution beschreibt, nimmt die Giraffe zum Beispiel. Warum haben Giraffen so lange Hälse? Weil zunächst Giraffen ihre noch kurzen Hälse ihr ganzes Leben über langgestreckt haben, um die saftigen Blätter ganz oben in den Bäumen zu erreichen, und diese so verlängerten Hälse an ihre Nachkommen vererbten. Nach mehreren Generationen hatte man dann Giraffen mit langen Hälsen. Problematisch wurde für den Lamarckismus, dass Darwin 50 Jahre später auch eine Idee für einen evolutionären Mechanismus hatte, und durch die natürliche Selektion ließen sich nicht nur unzählige Daten aus Fossilien und rezenten Arten erklären, sondern auch die langen Hälse der Giraffen: Es hatte mit den saftigen Blättern ganz oben in den Bäumen zu tun, da lag Lamarck noch richtig. In der Population von Giraffen gab es unterschiedliche Halslängen (die Variation), und wenn nur die Giraffen mit den längsten Hälsen die saftigen Blätter erreichten, dann hatten sie auch mehr Nachkommen, die die langen Hälse erbten.


Wenn es in den Medien in den letzten Monaten um Epigenetik geht, dann wird oft der Lamarckismus heraufbeschworen. Was ist Epigenetik?

Eine genaue Definition von Epigenetik steht noch aus, ganz allgemein versteht man darunter aber vererbbare Eigenschaften, die nicht in der Sequenz der DNA kodiert sind (das wäre die Genetik). Eine epigenetische Vererbung wäre es beispielsweise, wenn die Expressionsstärke eines Gens vererbt wird (in den Extremen also, ob ein Gen an- oder ausgeschaltet ist). Wie könnte so eine Information weitergegeben werden, wenn sie nicht in Form einer DNA-Sequenz vererbt wird? Von den verschiedenen bisher gezeigten Möglichkeiten will ich zwei hier kurz beschreiben: Ein Gen besteht nicht nur aus der Sequenz, die später in ein Protein übersetzt wird. Vor diesem Bereich liegt ein Abschnitt DNA, der sozusagen als (Dimm-)Schalter die Menge an hergestelltem Protein einstellt, indem regulatorische Proteine daran binden - der Promotor. Durch Anfügen von Methylgruppen an Cytosine (eine der vier Basen der DNA) können Promotoren stillgelegt werden. Dies ist keine Änderung der DNA-Sequenz, die Cytosine sitzen immer noch an ihrem Platz im Promotor. Die Methylgruppe ist jedoch kovalent an das Cytosin gebunden, wird also auf dem üblichen Weg mit dem Cytosin an die Nachkommen vererbt. In den Nachkommen wird dieses Gen darum auch stillgelegt sein.
Beim zweiten epigenetischen Mechanismus ist keine Veränderung von Basen nötig. Im Zellkern schwimmt die DNA nicht nackt herum, es sind vielmehr zahlreiche strukturelle Proteine an sie gebunden. Sehr wichtig sind hier die Histone, die in kleinen kugelförmigen Komplexen (Nukleosomen genannt) mit DNA umwickelt sind [2]. Dieses Aufwickeln der DNA ist nötig, um mehrere Meter davon in einem Zellkern mit wenigen Mikrometern Durchmesser unterzukriegen. Nun gibt es mehrere Kondensationsstufen, die stärkste davon die bekannten Metaphasechromosomen. Die Expression von Genen ist in einem so kondensierten Zustand aber nicht mehr möglich.

Die Regulation dieser Kondensation erfolgt über Modifikation der Histone; Anfügen von Methylgruppen erhöht beispielsweise den Kondensationsgrad, während eine angehängte Acetylgruppe ihn verringert [3]. Es ist für die Zelle dadurch möglich, die Expression von Genen in einem relativ kleinen Bereich eines Chromosoms zu regulieren.

In den letzten Jahren wurden nun zahlreiche Hinweise für eine epigenetische Vererbung von "Eigenschaften" gefunden, die sich ein Organismus während seines Lebens aneignet. Die Gedächtnisleistungen von Mäusen im oben verlinkten Heise Artikel sind ein Beispiel dafür, aber auch erhöhte Rekombinationsraten von Arabidopsis-Pflanzen nach UV-Bestrahlung ihrer Eltern fallen darunter. Ganz oberflächlich kann man verstehen, warum manche Leute bei der Vererbung von angeeigneten Merkmalen an Lamarck denken, oder warum bei der Diskussion von Epigenetik in den Medien oft Lamarckismus eingeworfen wird. Es gibt aber mehrere Gründe, warum man diese beiden Begriffe nicht gleichsetzen kann!

  • Während bei allen aktuell beschriebenen Forschungen ein äußerer Einfluss das vererbte Merkmal in den Organismen erzeugte, wehrte sich Lamarck vehement gegen solche Umwelteinflüsse auf die Vererbung. Seiner Ansicht nach wohnte schließlich jedem Organismus eine Triebkraft inne, die ihn zum komplexer evolvieren zwang.
  • Nach Lamarck akkumulieren sich solche erworbenen Merkmale in einer Population, weil sie nicht verloren gehen können. Epigenetik ist aber ein sehr dynamischer und instabiler Prozess, Effekte wie die im Heise Artikel beschriebenen gehen nach mehreren Generationen verloren.
  • Epigenetik ruht immer noch auf einer genetischen Basis. Die epigenetischen Modifikationen werden von Proteinen erzeugt, die ganz herkömmlich im Genom kodiert sind. Epigenetisch vererbte Merkmale unterliegen auch den evolutionären Kräften wie Selektion und Genetic Drift. Also Darwin WIN, Lamarck FAIL.
Was ich jetzt nicht ganz verstehe: Wieso stellt Autor Ben Schwan seinen Artikel so auf, dass der Eindruck beim unbedarften Leser entsteht, aktuelle Forschungen zeigen Probleme mit Darwins Evolutionstheorie auf, die sich durch die unterdrückte Idee des Underdog Lamarck erklären ließen? Und wieso fällt im gesamten Artikel der Begriff Epigenetik nicht einmal, obwohl sie in einem Artikel des Schwesterprodukts Technology Review (von dem der Heise Artikel abgeschrieben wurde) ausführlich diskutiert wurde? Da der Text für Heise online-Verhältnisse relativ lang geraten ist, sicher nicht aus Platzgründen.

Witziger Punkt nebenbei: In Technology Review wird auch über eine zweite, ähnliche Studie bei Mäusen berichtet, bei der schlechte Mütter Nachkommen hatten, die auch schlechte Eltern waren. Davon bleibt im Heise Artikel nur noch die Möglichkeit, "dass beispielsweise die Auswirkungen einer frühen Kindesmisshandlung die Generationen überspringen können [...]."

Achja, und beide Daumen hoch für die vielen Kommentatoren zu dem Artikel, die nicht nur die Qualität des Artikels kritisieren, sondern auch die unvermeidlichen Kreationisten in ihre Schranken weisen.


[1] Beispielsweise hat Darwins Großvater Erasmus Darwin darüber ein schönes Gedicht verfasst.
[2] Histonproteine sind positiv geladen, DNA negativ.
[3] Ganz so einfach ist das nicht. Der Effekt ist unter anderem abhängig von dem veränderten Histon, der Aminosäure, die verändert wird, und eben der Art der angefügten Gruppe. In Anlehnung an den genetischen Code wurde diese Regulation als Histon-Code bezeichnet.

Donnerstag, Februar 19, 2009

Neues Spielzeug: Starmap

Einen so schönen Nachthimmel wie letzte Nacht habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Keine Wolke am Himmel, und sogar auf der Straße mit Lampen um mich rum waren sehr viele Sterne sichtbar.
Daraufhin hab ich mein bisher teuerstes Programm für den iPod touch gekauft: Starmap. Die 10 Euro waren aber gut angelegt, Starmap ist davon jeden Cent wert (und mehr)! Ich will hier nicht alle Funktionen auflisten, dazu habe ich das Programm bisher auch zu wenig genutzt, um alle zu kennen. Deshalb ein eher subjektiver Eindruck, was mir bei der Benutzung gefallen hat.

Starmap braucht die eigene Position, um ein korrektes Bild des Nachthimmels am aktuellen Standort darstellen zu können. Mit einem iPhone wäre das kein Problem, das hat schließlich GPS. Ich musste aber nicht schnell die Längen- und Breitengrade meines Standortes raussuchen, denn auch der iPod touch kann manchmal seine Position finden - über WLAN Hotspots. Und da mein eigener WLAN Router in irgendeiner Datenbank hinterlegt ist (weiß eigentlich jemand, wie Hotspots da rein kommen, und wer die Datenbank betreibt?), fand Starmap alleine die aktuelle Position. Über die aktuelle Uhrzeit wusste Starmap dann auch, welche Objekte gerade am Himmel sein mussten [1].
Was mache ich jetzt, wenn ich beispielsweise das Sternbild Orion finden möchte [2]? Ein Druck auf "Sternbilder" in der Menüleiste bringt mich in eine Liste, die ich zwischen allen und den aktuell sichtbaren Sternbildern umschalten kann. Wenn ich jetzt auf "Orion" drücke, dann erscheint auf der Himmelskarte ein Pfeil, der mich in Richtung Orion lotst, ausgehend von einer Blickrichtung nach Norden.
Die Bewegung dahin registriert der iPod übrigens. Durch die eingebauten Accelerometer kann ich den iPod horizontal und vertikal bewegen, und die Himmelskarte scrollt in die entsprechende Richtung! Rein- und rauszoomen geht übrigens auch wie für den iPod touch/iPhone üblich.
Andere nette Ideen, die sehr clever gelöst sind: Man kann stufenlos sowohl die Helligkeit des Himmels, als auch die der Sterne einstellen, um die Anzeige am Bildschirm den tatsächlichen Sichtverhältnissen anzupassen. Um sich selbst nicht den Blick mit einem hellen Bildschirm zu verschmutzen, gibt es auch einen Rotlichtmodus. Für viele Objekte sind zusätzliche Informationen hinterlegt, für die Planeten auch Bilder. Oh, und Pluto ist zumindest in Starmap noch ein Planet. ;-)


[1] Auch solche Daten wie Auf- und Untergangszeiten sind offline verfügbar, Starmap benötigt keine Internetverbindung.
[2] Entsprechend kann man auch bei Planeten, Sternen und Galaxien vorgehen.

Montag, Februar 16, 2009

Fringe sperrt die Wissenschaftler weg

Was gibts neues bei unserer liebsten wissenschaftsfeindlichen Fernsehserie von J. J. Abrams, Fringe?

In der aktuellen Folge 14 scheint man gleich zu Beginn der Frage nachzugehen, wohin man die vielen kriminellen Wissenschaftler wegsperren soll. Klar doch, wir machen am besten ein Gefängnis auf, in das die Abertausende von Bond-Schurken geliefert werden. Nur wo stellt man so ein Gefängnis hin? Das ist eigentlich auch keine schwere Frage, nach Deutschland natürlich! Und der Name "Wissenschaft Prison" kommt beim amerikanischen Publikum sicher klasse an - das klingt so schaurig schön nach Karloff, oder gleich Mengele.

Sonntag, Februar 15, 2009

Alles Gute nachträglich, Charles!

Leider stand letzte Woche soviel anderes Zeug an, dass ich keine Zeit für einen Post an Charles Darwins Geburtstag hatte. Anstatt jetzt nachträglich über einen Mann zu schreiben, über den in den letzten Wochen bereits so unheimlich viel geschrieben wurde, dass es des meisten wohl zum Hals raushängt [1], will ich kurz über ein Ereignis berichten, das letzten Donnerstag pünktlich zum Darwin Day stattfand.

Das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat in einer Pressemeldung (Streaming-Video) die Entwurfsequenz des Neanderthalergenoms bekannt gegeben. Das ist erstmal ein wenig bedenklich, denn das Ankündigen von Ergebnissen in der Presse vor einer vollwertigen Publikation in einem peer review-Journal ist kein vorbildliches Handeln für einen Wissenschaftler. Hier kann man aber zumindest ein Auge zudrücken, denke ich - der Termin an Darwins Geburtstag war einfach zu verlockend, außerdem erfolgte die Pressekonferenz simultan auch auf dem Jahrestreffen der American Association for the Advancement of Science (AAAS), die unter anderm das Science Magazine herausgibt. Trotzdem, ein komisches Gefühl in der Magengegend bleibt.
Davon mal abgesehen ist das Ganze natürlich sehr spannend. Erst vor drei Jahren kündigte Svante Pääbo von der Abteilung Evolutionäre Genetik des MPIs an, das Neanderthalergenom sequenzieren zu wollen. Dies ist nur deshalb in so kurzer Zeit möglich (zur Erinnerung: die Arbeiten für das Humangenomprojekt in den 90ern dauerten rund 10 Jahre), weil mittlerweile neue, schnellere Sequenziermethoden zur Verfügung stehen. Diese sog. Sequenziertechnologien der zweiten Generation leiden aber alle an dem Problem, dass sie nur sehr kurze Sequenzstücke (20-50 Basenpaare) produzieren. Und hier hilft dann die harte Vorarbeit des Humangenomprojekts, denn mit dem menschlichen Referenzgenom lässt sich das Neanderthalergenom auch mit sehr kurzen Sequenzen zusammensetzen. Man erwartet nur sehr wenige Unterschiede zwischen den zwei Genomsequenzen, die Genome von Mensch und Schimpanse sind schließlich schon sehr ähnlich.
Um an Neanderthalersequenzen zu kommen, müssen jedoch erstmal mehrere Probleme vermieden werden. Verunreinigungen der Proben mit menschlicher DNA der beteiligten Forscher wären fatal, deshalb mussten die Neanderthaler-Proben in Reinraumbedingungen bearbeitet werden. Trotzdem lagen die Knochen sehr, sehr lange im Boden rum, die Proben enthalten darum jede Menge mikrobiolle DNA. Die wurde natürlich zunächst mitsequenziert, konnte aber dank bioinformatischer Methoden wieder entfernt werden: Bakterielle Genome sind im Vergleich mit dem menschlichen sehr klein, und es wurden bereits viele sequenziert. Indem die Leipziger Forscher ihre Sequenzen mit bakteriellen Genomsequenzen verglichen, konnten sie Verunreinigungen in ihren Daten erkennen und diese dann verwerfen. Diese Verunreinigungen machen ca. 90% des sequenzierten Materials aus! Wenn man dann noch bedenkt, dass die Gruppe um Svante Pääbo bei der DNA-Isolierung wegen fehlerhafter Protokolle ca. 99% Verlust hatte, dann ist es schon erstaunlich, wie weit sie in der kurzen Zeit gekommen sind.

Es muss aber ausdrücklich betont werden, dass es sich bestenfalls um eine erste Entwurfsequenz handelt. Ungefähr 60% des Genoms sind sequenziert, das aber nur einmal. Um sich gegen methodische Fehler der Sequenzierungstechnologien zu schützen, sollte jedes Nukleotid in einer Genomsequenz aber mehrmal sequenziert werden (die menschliche Referenzsequenz hat übrigens 12x Abdeckung). Ein weiteres Problem sind Sequenzunterschiede zwischen Individuen einer Art. Um die Variabilität der Genomsequenz einer Art einschätzen zu können, sollten möglichst viele individuelle Sequenzen vorhanden sein. Dies ist beim menschlichen Genom gerade im Gange, etwa mit dem Personal Genome Project oder dem 1000 Genomes Project. Sogar das erste menschliche Referenzgenom stellt in Wirklichkeit eine Mischung aus den Sequenzen von zwölf anonymen Individuen dar. Demnächst soll aber auch die Sequenzierung weiterer Neanderthaler-Proben beginnen, so dass dieses Problem wohl irgendwann behoben sein sollte.
Ein großes Problem soll auch nicht ungenannt bleiben: Durch das große Alter der Proben ist die DNA stark fragmentiert; es ist darum sehr wahrscheinlich, dass wir nie die komplette Genomsequenz des Neanderthalers erhalten werden.

Trotzdem ist es bereits mit diesen ersten Daten möglich, interessanten Fragen über das Verhältnis von Homo sapiens und Homo neanderthalensis nachzugehen. In weiten Teilen Europas lebten beide Menschenarten für mehrere tausend Jahre nebeneinander. Kam es zu einer Hybridisierung, also zu gemeinsamen Nachkommen beider Arten? Hat der heutige Mensch vielleicht sogar Neanderthaler als Vorfahren? Die bisherigen Sequenzdaten (beruhend auf mitochondrialen Sequenzen und dem Y-Chromosom) deuten eher in Richtung Nein.
Die Ausprägung des Gens MC1R (Melanocortinrezeptor 1), das das Ausmaß der Hautpigmentierung beeinflusst, zeigte, dass es möglicherweise auch hellhäutige und rothaarige Neanderthaler gab (Lalueza-Fox C et al (2007), Science 318:1453-5).

Abschließen möchte ich diesen Post mit (ja, richtig geraten) - einem Podcast! Vor ungefähr zwei Jahren, also noch relativ früh im Neanderthalergenomprojekt, wurde Svante Pääbo zusammen mit Thomas Jarvie (von 454 Life Sciences, die die Sequenziertechnologie zur Verfügung stellen) im immer guten Futures in Biotech Podcast interviewt [MP3-Link]. Ich habe das Interview seitdem nicht mehr gehört, werde aber vielleicht noch mal reinhören. Mal sehen, wie Pääbos Pläne von vor zwei Jahren mit der tatsächlichen Entwicklung mithalten konnten.

[1] Die öffentliche Aufmerksamkeit, die Darwin und Evolution gerade genießen ist sicher richtig und gut, aber ich freu mich auf die nächsten, ruhigeren Wochen. Bis es im Spätjahr dann mit dem 150jährigen Jubiläum der Origin-Veröffentlichung wieder rundgeht.

Freitag, Februar 06, 2009

Kaffee kreiert Krebs?

ResearchBlogging.orgDie wissenschaftliche Blogwelt ist in Aufruhr: Das Schundblatt Die reich bebilderte englische "Zeitung" Daily Mail berichtet über mögliche genotoxische Gefahren von Koffein für werdende Kinder. Und zitiert dabei gleich den Wissenschaftler Marcus Cooke von der Uni Leicester, der gerade angekündigt hat, dies untersuchen zu wollen. Der Aufreger ist hier, dass einerseits eine Zeitung bereits auf Grundlage der Ankündigung eines Forschungsprojekts schwangeren Frauen ein schlechtes Gewissen einreden will, und auch noch großzügig Empfehlungen verteilt, wie man in Zukunft zu leben hat. Andererseits ist aber auch der interviewte Wissenschaftler nicht unschuldig:
‘Although there’s no evidence at all of a link between caffeine and cancer, we’re putting two and two together and saying: caffeine can induce these changes and it has been shown that these changes are elevated in leukaemia patients,’ added Dr Cooke.
Er leitet sich also aus dem Fehlen eines Beweises die Grundlage seiner Forschung und gleich auch noch das passende Ergebnis ab? Ich ruf da mal gleich beim Nobelpreiskomitee an...

Worauf die bloggenden Kollegen (mit Ausnahme von Neuroskeptic) in ihrer Aufregung aber gar nicht eingegangen sind, und Herr Cooke wohl "übersehen" hat: Die Verbindung Koffein und Genomstabilität ist bereits recht gut verstanden! Leider aber nicht so, wie es in dem Artikel dargestellt wird. Aber der Reihe nach.


Signalisierung von Schäden an der DNA

Ich bin in ein paar Posts schon auf die Reparatur von DNA-Schäden eingegangen, aber einen wichtigen Teil davon habe ich bisher unterschlagen. Denn bevor die Zelle wirklich die Schäden repariert, muss sie erst noch entscheiden, ob sich die Reparatur überhaupt lohnt. Denn bei zahlreichen Schäden besteht immer auch die Gefahr, dass sich Mutationen einschleichen. Und bevor sich dann Krebs entwickelt, opfert der Organismus lieber eine Zelle. Dieser programmierte Zelltod folgt einem strengen genetischen Programm und wird als Apoptose bezeichnet. Hat sich die Zelle entschieden, die Schäden doch zu reparieren, dann müssen zunächst die zahlreichen Reparaturproteine aktiviert werden. Außerdem sollte während der Reparatur der Zellzyklus angehalten werden. Es wäre nämlich sehr schlecht, wenn die Zelle mitten im Reparaturprozess anfängt, ihre DNA zu replizieren, oder sich zu teilen.


ATM und ATR

Eine zentrale Rolle bei all diesen Signalen spielen zwei verwandte Proteine, die beim Menschen ATM und ATR heißen. Beide sind Kinasen, also Enzyme, die die Aktivität anderer Proteine regulieren, indem sie Phosphatgruppen auf bestimmte Aminosäuren übertragen. Im Fall von ATM und ATR ist diese Kinaseaktivität nun abhängig von verschiedenen Schäden an der DNA: Dadurch werden sie aktiviert, und übertragen Phosphate auf Proteine, die die oben angesprochenen Prozesse wie Apoptose, Zellzyklus oder Reparatur regulieren. Fallen ATM und ATR aus, führt dies beim Menschen zu Erbkrankheiten wie Ataxia-telangiectasia (ATM, versucht mal das mehrmals hintereinander zu sagen) oder Seckel Syndrom (ATR). Eigentlich sollte es nicht überraschen, dass Menschen, die an Ataxia-telangiectasia leiden, sehr strahlenempfindlich sind. Ionisierende Strahlung erzeugt schließlich DNA-Schäden, und durch den Ausfall von ATM funktioniert dann die Regulation von Reparatur etc. nicht mehr. Dieser Punkt ist aber noch aus einem anderen Grund wichtig, wie wir gleich sehen werden.


Abbildung des ATM-Signalweges in der Zelle aus dem GeneAssistTM Pathway Atlas von Ambion/Applied Biosystems. Gezeigt sind die wichtigsten Prozesse, die von ATM reguliert werden. Zielprotein werden von ATM aktiviert durch Anheften von Phosphatgruppen, dargestellt durch die Kreise mit "P" an den Proteinen.


Koffein hemmt ATM und ATR



Vor ein paar Jahren machten dann ein paar Forschergruppen eine interessante Entdeckung: Die Aktivität von ATM (und ATR) kann gehemmt werden durch Gabe von Koffein. Die Gruppe von Zhou et al. hat Glück, ihr im Journal of Biological Chemistry veröffentlichter Artikel darf für Lehrzwecke auch online frei benutzt werden. Durch Arbeiten mit Zellkulturen konnten sie zeigen, dass durch die Zugabe von Koffein mehrere von ATM aktivierte Signalketten unterdrückt wurden, beispielsweise ein Stopsignal im Zellzyklus, das die Einleitung der Zellteilung bei DNA-Schäden verhindern soll (der G2/M-Checkpoint). Dieser Effekt ahmt das Verhalten von A-T Zellen (Zellen von Patienten, die an Ataxia-telangiectasia leiden und in denen ATM inaktiv ist) nach, wie in Abbildung 5 des Artikels schön zu sehen ist.


Abb. 5 aus Zhou et al. (2000)

Chk2 ist ebenfalls eine Kinase, die aber hauptsächlich den Reparaturweg reguliert und von ATM aktiviert werden muss. Ohne jetzt groß das Prinzip hinter elektrophoretischen Methoden erklären zu wollen, sieht man nach Bestrahlung der Zellen die Aktivierung von Chk2 durch ATM in der höheren Bande bei 2 (vgl. mit 1), weil das Chk2-Molekül durch Anheften einer Phosphatgrupppe größer geworden ist. Diese Aktivierung findet nach Behandlung mit Koffein nicht mehr statt (die Bande ist bei 4 auf der gleichen Höhe wie die inaktive Kontrolle bei 1, es wurde also keine Phosphatgruppe drangehängt). Dieses Ergebnis ist vergleichbar mit dem Verhalten von A-T Zellen ohne Koffeinbehandlung (Nummern 5/6).



Abb. 7 aus Zhou et al. (2000)

In Abbildung 7 haben Zhou und Kollegen einen weiteren von ATM regulierten Weg angesehen, die Apoptose. Sehr wichtig zum Einleiten der Apoptose (dem programmierten Zelltod) ist das Protein p53, das ebenfalls durch Anheften einer Phosphatgruppe von ATM aktiviert werden kann. Wie man hier sehr schön sehen kann, wird p53 mit steigender Koffeinkonzentration immer weniger aktiviert, und das sogar ohne Bestrahlung (ausgeüllte Kreise: +Bestrahlung, offene Quadrate: -Bestrahlung)! Dies bedeutet, dass auch in wenigen Zellen, deren DNA nicht durch Bestrahlung massiv geschädigt wurde, spontane Schäden auftreten, die in einer Aktivierung von p53 (und wohl dem Auslösen der Apoptose) resultieren. Und Koffein kann das durch Hemmung von ATM unterdrücken.


Die medizinische Anwendung

Weiter oben habe ich bei der Beschreibung der Krankheit Ataxia-telangiectasia gesagt, dass die Patienten sehr strahlensensitiv sind, und die Daten hier haben auch gezeigt warum: ATM als zentraler Regulator von vielen zellulären Prozessen nach Schädigung der DNA kann diese Prozesse nicht mehr aktivieren, die Schäden werden nicht repariert und die Zellen versuchen munter, sich trotzdem zu teilen. Da Koffein dieses Erscheinungsbild von A-T Zellen nachahmen kann, wird es seit mehreren Jahren in der Krebsmedizin eingesetzt: Tumorzellen reagieren auf eine Strahlentherapie sensitiver, wenn der Patient zusätzlich Koffein verabreicht bekommt. Und dieser nützliche Effekt konnte auch für mehrere Chemotherapeutika gezeigt werden (etwa Cisplatin).


Nicht vergessen: die Konzentration!

Was in dem Daily Mirror-Artikel leider unterschlagen wird: Um diese Effekte von Koffein beim Menschen zu erreichen, sind Konzentrationen von etwa 10 mM nötig. Nach Trinken einer Tasse starken Kaffees liegt die Konzentration im Blut aber bei etwa 50 µM [1], sie ist also circa 200 mal niedriger. Anders ausgedrückt: Koffein ist nach maximal fünf Stunden im Blut wieder abgebaut, man müsste also mindestens 200 Tassen starken Kaffee innerhalb von weniger als fünf Stunden trinken, um einen Effekt von Koffein auf ATM zu erreichen!

Das Fazit der ganzen Geschichte: Der Daily Mirror sollte sich schämen, schwangeren Frauen Angst einzujagen, und Herr Cooke sollte vor seinem nächsten Projekt zumindest fünf Minuten recherchieren, mehr brauchts nämlich nicht. Und die Literatur ist wie gezeigt zumindest teilweise frei zugänglich.



[1] Berechnet aus einer Koffein-Plasmakonzentration von 10 mg/l und der Annahme von 8 mg/kg Koffein nach Genuss einer Tasse Kaffee.
[2] Sorry für den Titel, aber ich konnte es mir nicht verkneifen ;-)


Zhou, B. B., Chaturvedi, P., Spring, K., Scott, S. P., Johanson, R. A., Mishra, R., Mattern, M. R., Winkler, J. D., Khanna, K. K. (2000). Caffeine abolishes the mammalian G(2)/M DNA damage checkpoint by inhibiting ataxia-telangiectasia-mutated kinase activity J Biol Chem, 275 (14), 10342-10348

Mittwoch, Februar 04, 2009

Die geplatzte Blase

Ich meine nicht die aktuelle Finanzkrise, sondern den Boom und darauf folgenden Absturz der Biotechbranche Ende der 90er Jahre. Keith Robinson hat das bei einem der damaligen Biotech-Unternehmen Millennium Pharmaceuticals hautnah miterlebt, und hat vor ein paar Tagen auf Omics! Omics! ein wenig in Erinnerungen geschwelgt.
Of course, if you have a mountain of loot you probably want to protect it. Enter the lawyers. Millennium had always filed on their discoveries; now they had lots of discoveries to protect. But protect from what? Well, the paranoia was a loss of "Freedom to Operate", usually known as FTO. Nobody knew what would stand up as a patent -- but there were instructive examples from the early biotech era of business plans sunk by a loss of FTO -- and expensive lawsuits that clearly marked that loss. So the patenting engine took off -- an expensive insurance policy against an unpredictable future.
[...]
This was the late 90's and the hype was getting thick -- we were guilty but so were others. Millennium wasn't a big pusher of high gene counts -- at least in the terms of the day (but that's another whole story), but certainly we started selling all those genes we had & the ones we extrapolated were still out there. A key part of the business model was to sell the genes many times -- if we could sell the same gene to Lilly for cardiovascular & Roche for metabolic and AstraZeneca for inflammation, all the better. Not that anything underhanded went on; we'd present the case to each company & most of the deals had exclusivity only within a therapeutic area.

Auf den Punkt mit der Genzahl ist er dann in einem weiteren Post genauer eingeganen. Woher kamen die unheimlich großen Zahlen in den Schätzungen, wieviele Gene im menschlichen Genom zu finden sind, zu einer Zeit bevor die menschliche Genomsequenz veröffentlicht war? 50 000, 100 000, oder vielleicht sogar 200 000? Wohl hauptsächlich Konkurrenz. Wenn die Biotechfirmen A und B beide mit Bioinformatik und viel Fleiß an den Sequenziergeräten Datenbanken mit menschlichen Genen zusammenstellen und diese verkaufen wollen, etwa an Pharmafirmen, welche Datenbank wird dann eher gekauft? Solange man sich nur auf grobe Schätzungen verlassen kann vorsichtshalber die mit doppelt so viel Genen. So hat sich das dann langsam hochgeschaukelt in sehr luftige Höhen. Selber schuld, wenn alle mitspielen. Umso ernüchternder war für die Kunden dann das Resultat aus dem Human Genome Project: ca. 25 000 bis 30 000 Gene, die in den letzten Jahren dann auf eher 22 000 bis 23 000 zusammengeschrumpft sind.
Das soll aber nicht heißen, dass sich nicht ein paar Leute schon in den Neunzigern darüber Gedanken gemacht hätten:
So my colleague tried a new approach, which I think was to say: we have a few percent of the human genome sequences (albeit mostly around genes of interest and not randomly sampled). How many genes have been found? And what would that extrapolate out to for the whole genome.

His conclusion was so shocking I admit I refused to believe it at first, and never quite bought into it. I think it was about 25-30K. How could the textbooks be off by 2X-3X? I could believe the other genomics companies might be optimistic in interpreting their data, but could they really be deluding themselves that much??

But, the logic was hard to assault. In order for his estimate to be low by a lot, you would have to posit that the genomic regions sequenced to date were unusually gene poor -- and that the rest of the genome was packed.

Beide Artikel sind sehr lesenswert, und schon allein deshalb interessant, weil man über die jungen Jahre der Genomik meistens nur von der Seite der akademischen Forschung hört.

Dienstag, Februar 03, 2009

(leider keine) JoVE Videos

Seit ich das letzte Mal ein Video aus dem Journal of Visualized Experiments (JoVE) vorgestellt habe, ist schon ein wenig Zeit vergangen. Ich habe natürlich immer mal wieder ein Auge reingeworfen, aber die Art der eingestellten Videos hat sich leider geändert. Während es zunächst noch Videos von kurzen Experimenten waren, die Arbeitsgruppen über ihre Ergebnisse drehten, werden nun in den Videos überwiegend die Methoden der Arbeitsgruppen vorgestellt.
Solche Videos sind aber leider höchstens für Leute interessant, die auf einem ähnlichen Gebiet arbeiten.
So habe ich mir etwa angesehen, wie man Antikörperfärbungen an Hühnerembryonen macht, mit welchem Versuchsaufbau man die Rolle von Geruchssignalen auf den Flug von Drosophilas untersuchen kann, oder auch wie man an methylierte DNA kommt.

Hört sich alles sehr spannend an, ist dann aber nach der kurzen Einleitung schnell recht langweilig. Ich bleibe aufmerksam, glaube aber leider nicht, dass ich so bald wieder über ein spannendes Video berichten kann.

Auslese 2008 - ich bin dabei!

Warum schreibe ich ein wissenschaftliches Blog? Zunächst mal bin ich ein werdender Wissenschaftler, und deshalb natürlich interessiert an wissenschaftlichen Themen. Es macht mir aber auch Spaß, meine Begeisterung an Wissenschaft mit anderen zu teilen - eine Reihe von Diplomanten und Praktikanten durften das schon erleben.
Ich habe während dem Studium aber nur wissenschaftliches Schreiben gelernt, was eine eher trockene, formalisierte Sprache ist. Das Vermitteln von wissenschaftlichen Themen auch und besonders an Nicht-Wissenschaftler etwa hier auf dem Blog stellt mich also vor die Herausforderung, aus meinem üblichen wissenschaftlichen Sprachmuster auszubrechen. Was mir nicht immer gelingt, wie mir selbst bewusst ist.
Umso mehr hat es mich gefreut, dass eine fünfköpfige Jury von Wissenschaftlern und Journalisten meinen Beitrag "Was uns Forschung an Pflanzen über Parasiten sagt" für gut genug hielten, um ihn zusammen mit 14 weiteren sehr empfehlenswerten Blogposts in die Wissenschaftsblog-Auslese 2008 aufzunehmen!

In dem Sinn: Herzlich Willkommen an alle, die vom Wissenschafts-Café hierher gefunden haben. Seht euch ruhig um, und lest auch in andere wissenschaftliche Beiträge von mir rein. Ich werde mich bemühen, auch 2009 Beiträge zu schreiben, die würdig für die nächste Auslese sind.

Vielen Dank an die Juroren, aber auch an Marc und Lars für die Idee und die Organisation - und an den anonymen Nominator, der meinen Beitrag für die Auslese vorgeschlagen hat!